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Jubiläum: Zehn Jahre Humangenom

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3 Milliarden Basenpaare umfasst das menschliche Erbgut. Vor zehn Jahren wurde eine erste grobe Karte des Humangenoms veröffentlicht. Quelle: Jonathan Bailey/NIHGRI

Der 26. Juni 2000 markiert einen Meilenstein in der Humangenom-Forschung. Vor nunmehr zehn Jahren legte der US-Unternehmer Craig Venter gemeinsam mit seinem staatlich geförderten Konkurrenten Francis Collins eine Rohversion des entschlüsselten menschlichen Genoms vor. Seither hat das menschliche Erbgut die Biomedizin enorm beschleunigt, auch wenn viele der hochgesteckten medizinischen Ziele von damals  bislang nicht erreicht wurden. Durch das Humangenom wurde jedoch die Technik der Sequenzierung in kürzester Zeit revolutioniert. Dieser enorme Fortschritt lässt nun die einstigen Hoffnungen deutlich realistischer erscheinen. Dabei zeichnet sich ein Wandel hin zu individuellen Therapien ab - durch die immer engere Verknüpfung von Diagnostik und Medikament, die für den Patienten maßgeschneiderte Behandlungen ermöglichen.

Was der humane Gencode offenbart



Das menschliche Genom im Zellkern besteht aus 3,2 Milliarden Erbgut-Bausteinen. Mithilfe verschiedener Techniken gelang es den beiden konkurrierenden Forscherteams, den Code des humanen Genoms zu knacken und 2000 den Abschluss erster Arbeitsversionen zu verkünden, was schließlich im Februar 2001 zur Veröffentlichung in renommierten Wissenschaftsmagazinen führte (Nature, Bd.409, S. 860; Science, Bd. 291, S. 1304). Erst im Jahr 2004 wurde der vollständig sequenzierte Erbgut-Katalog veröffentlicht (Nature, Bd.431, S.931).  Das erste entschlüsselte Referenzgenom von 2000 stammte übrigens nicht von einem Menschen, sondern gleich von sechs: Die Forscher hatten sich damals auf einen repräsentativen Erbgut-Mix geeinigt, um möglichst ein Muster-Genom zu erstellen. Heute halten Forscher die damalige Entscheidung für einen Fehler, da sie die besonders interessanten Variationen im Erbgut verdeckte. 2007 war es einmal mehr Gen-Pionier Craig Venter aus dem amerikanischen Rockville, der sein eigenes persönliches Genom entziffern ließ (mehr...) und veröffentlichte (PLoS Biology, Bd.5,e254). Weitere Prominente folgten: Der Nobelpreisträger James Watson (2008, Nature, Bd. 452, S. 872), der US-Forscher George Church (2009, Science, Bd. 327, S. 78) und der südafrikanische Bischof Desmond Tutu (2010, Nature, Bd. 463, S.943). Bis dato sind rund 20 humane Genome komplett sequenziert und veröffentlicht, die Zahl steigt rasant.

Was Wissenschaftler aus dem Humangenom herausgelesen haben:

  • Wenig Gene: Eine der Überraschungen für die Biologen war die verblüffend geringe Anzahl der Gene in unserem Erbgut. So werden nur etwa 26.000 Gene in Proteine übersetzt. Das sind gerade einmal 1,5 Prozent des Genoms. Früher hatten Molekularbiologen die Zahl der menschlichen Erbanlagen auf bis zu 300.000 geschätzt. Immer mehr offenbarte sich, dass ein Gen nicht wie lange angenommen die Bauanleitung für ein einziges Protein ist, sondern bisweilen viele verschiedene Versionen hervorbringt.
  • Große Genwüsten: Riesige Bereiche unseres Erbguts, etwa 96 Prozent, haben vermeintlich keine Funktion. Einige Forscher haben diese „nichtkodierenden Bereiche“ daher früher als Schrott-DNA (junk DNA) abgetan. Erst in den letzten Jahren kristallisierte sich heraus: Einige Bereiche, die zum Großteil aus sich wiederholenden Abschnitten bestehen, besitzen sehr wohl wichtige Funktionen. So haben Forscher inzwischen entdeckt, dass einige DNA-Abschnitte die Bauanleitung für eine zuvor unbekannte Molekülklasse tragen - nämlich kleine RNA-Moleküle, die regulatorische Aufgaben in der Zelle übernehmen und inzwischen intensiv beforscht werden (mehr...).
  • Komplexe Regulation: Forscher wollen nach der Entzifferung der puren Erbinformation verstehen, wie das Genom eigentlich funktioniert. Es geht insbesondere darum, wie Gene an- und abgeschaltet werden, damit eine Zelle eine bestimmte Rolle im Körper übernehmen kann (funktionelle Genomik). Für die Regulation der Genaktivität sind verschiedene Steuerbereiche und Schalter nötig. Seit 2003 beschäftigt sich das internationale Forscherkonsortium namens ENCODE (Encyclopedia of DNA Elements) als HUGO-Nachfolger damit, die Regulatoren und Regisseure unseres Genoms zu katalogisieren. In einer Zwischenbilanz 2007 in einem Nature-Artikel (14. Juni 2007, Bd. 447, S. 799) kamen die Autoren zu dem Fazit: „Das menschliche Genom ist ein eleganter, aber mysteriöser Speicher von Informationen“.
  • Wirkungsvolle Verpackung: Einen Boom erlebte die Disziplin der Epigenetik: Sie untersucht kleine chemische Markierungen auf der DNA oder den sie umgebenden Eiweißen. Die Anhängsel beeinflussen den Verpackungszustand des Erbguts und kontrollieren so, wie und wann ein Gen abgelesen wird. Durch Epigenetik lassen sich Genaktivitätsmuster programmieren und sogar vererben. Erst jüngst wurde ein International Human Epigenome Consortium (IHEC) gegründet, an dem auch deutsche Forscher beteiligt sind (mehr...).
  • Kleine Unterschiede: Das Human-Genomprojekt war der Startschuss für die Suche nach kleinen Buchstaben-Unterschieden im Erbguttext. Die Molekularbiologen  begannen in den Genomen verschiedener Menschen nach sogenannten SNPs („Snips“, single nucleotide polymorphisms) zu fahnden. Das internationale HapMap-Projekt förderte in den Jahren 2002 bis 2005 eine Vielzahl solcher Unterschiede zu Tage. Diese Informationen bilden die Grundlage für die Suche nach krankmachenden oder gesundheitsförderlichen Genvarianten.
  • Fenster unserer Evolution: Der humane Genom-Code lieferte erstmals die ultimative genetische Referenz, um die Herkunft und die Evolution des Menschen zu studieren. Anhand von Genomanalysen ließ sich beispielsweise untermauern, dass der frühe Mensch aus Afrika auswanderte. Mit der neuesten Technik lassen sich inzwischen auch aus winzigen Resten von Urmenschen viele Daten gewinnen - zum Beispiel dass der Neandertaler Sex mit Menschen hatte (mehr...).
 

Hintergrund

Start: Den Anstoß zur Entschlüsslung des Humangenoms gab die Gründung der Humanen Genomorganisation, kurz HUGO.
www.hugo-international.de

Die Deutschen: Deutschland stieg Mitte der 90er Jahre in das öffentliche Sequenzierprojekt bei HUGO mit ein. Im Jahr 2001 startete zudem das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN), gefördert vom Bundesforschungsministerium.
www.ngfn.de


Der Polarisierer: Der US-Genetiker Craig Venter gehört zu den schillernsten Figuren der internationalen Genomforschung, der die Szene stark polarisiert. Kurz nach dem Start von HUGO schert er aus, gründet sein eigenes Forschungsinstitut und seine eigene Firma. Damit hat das öffentliche Projekt private Konkurrenz.
www.jcvi.org
www.celera.com

Die Veröffentlichung: Nachdem im Juni 2000 beide Teams den Abschluss der ersten Rohversion des menschlichen Genoms beim amerikanischen Präsidenten verkünden, werden die Daten im Februar 2001 offiziell in den Fachmagazinen Science und Nature veröffentlicht.
Nature (2001, Bd. 409, 15. Februar)
Science (2001, Bd. 291, 16. Februar)

  

Weltkongress: Seit 1899 treffen sich die internationalen Genomforscher alle fünf Jahre zum Weltkongress der Genetik. 2008 fand die berühmte Veranstaltung nach mehr als 80 Jahren wieder in Deutschland statt. biotechnologie.de hat ausführlich darüber berichtet: 

zum Artikel: hier klicken

Genomforschung verstehen: Im Rahmen des NGFN wurden Unterrichtsmaterialien "GENial einfach!" erstellt, mit denen sich die Genomforschung leicht verstehen lässt.

zu den Unterrichtsmaterialien: hier klicken
zur Erklärung auf biotechnologie.de: hier klicken

biotechnologie.tv

Sondersendung von biotechnologiel.tv zur Humangenomforschung