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Neue Therapienansätze gegen Multiple Sklerose im Visier

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Mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich im Gehirn von MS-Patienten frische Entzündungsherde (weiße Flecken) nachweisen. Quelle: U.S. Brookhaven National Laboratory

17.06.2009  - 

An der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) leiden allein in Deutschland ungefähr 100 000 Menschen. Noch immer sind die Ursachen für die Nervenkrankheit nicht endgültig verstanden. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für Neurobiologie in Martinsried und der Universität Düsseldorf haben nun weitere Details aufklären können. Wie die Forscher in den Fachmagazinen Nature Medicine (2009, 31. Mai, Onlineveröffentlichung) Journal of Experimental Medicine (2009, 1. Juni, Onlineveröffentlichung) und Proceedings of the National Academy of Sciences (2009, Vol. 106, S. 9087-9092) berichten, könnten damit langfristig neue Therapien entwickelt werden.

Die Multiple Sklerose (MS) stellt Patienten wie auch Mediziner vor große Schwierigkeiten: Multiple Sklerose ist die häufigste entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems in unseren Breiten und beginnt oft in relativ jungen Jahren. Ihr Verlauf führt bei manchen Patienten zu schweren Behinderungen. Hinzu kommt, dass trotz der jahrzehntelangen Erforschung der MS die Ursachen und Abläufe immer noch weitgehend unklar sind.

Die Erforschung der Multiplen Sklerose erweist sich als besonders schwierig. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Krankheitsherde beim Menschen im empfindlichen Hirngewebe eingebettet und den Forschern somit nicht zugänglich sind. Noch mehr als andere Zweige der Medizin ist die MS-Forschung daher auf geeignete Tiermodelle angewiesen, um die Krankheit zu untersuchen.

Zusammen mit einem internationalen Team konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie nun ein ganz besonderes Tiermodell entwickeln. Die speziell gezüchteten, gentechnisch veränderten Mäuse bilden spontan ein Krankheitsbild aus, das im Verlauf der häufigsten menschlichen MS-Form in unseren Breiten "täuschend ähnlich ist", wie die Forscher zeigen konnten. Das neue Modell sei auch deshalb überlegen, weil sich die Krankheit hier ebenso spontan ausbilde wie bei Menschen auch. Bei der Untersuchung dieser erkrankten Mäuse machten die Wissenschaftler auch noch eine weitere Entdeckung, die von bisherigen Erkenntnisse über MS abweicht: Offenbar sind für eine Ausbildung der MS wesentlich mehr Immunzellen nötig als angenommen.

 Bisher hatte die Wissenschaft vor allem die T-Zellen als Verursacher der MS im Blick – aufgrund einer Fehlfunktion greifen sie, so die gängige Hypothese, bei MS das körpereigene Hirngewebe und das Rückenmark an, und zerstören die Markscheiden, die wiederum die Nervenzellen isolieren, gleichzeitig die Nervenimpulse weiterleiten und das Nervensystem beinträchtigen. Charakteristisch für den Krankheitsverlauf sind Lähmungen, Krämpfe und Sehschwächen, die in Schüben auftreten und die Lebenserwartung verkürzen.

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Neue Erkenntnis: B-Zellen spielen größere Rolle als gedacht

T-Zellen des Immunsystems stellen eine Art 'Sofortmaßnahme' gegen Krankheitserreger dar - sie erkennen Erreger, aktivieren die Immunantwort und lösen so die Zerstörung der schädlichen Zellen aus. Neben T-Zellen gibt es auch noch die sogenannten B-Zellen. Auch sie reagieren auf einen Erreger, werden aktiviert und beginnen sich sehr rasch zu teilen. Es entstehen Tausende Zellen, die alle einen Erregerspezifischen Antikörper produzieren. Durch das gezielte Zusammenspiel von T- und B-Zellen kann eine Invasion von Erregern schnell und effektiv eingedämmt werden. Anders als den T-Zellen wurde den B-Zellen bisher nur eine untergeordnete Rolle bei der Entstehung der Multiplen Sklerose eingeräumt. Zu Unrecht, wie das neue Modell nun zeigt - die tatsächliche Rolle der B-Zellen war bei den bisher experimentell herbeigeführten Krankheitsmodellen nur nicht zum Vorschein gekommen. 

Mit dem neuen Mausmodell konnten die Wissenschaftler zeigen: Hatten sie die B-Zellen gezielt entfernt, blieben die Tiere gesund. „Diese Beobachtung hat uns überrascht, widersprach sie doch der herrschenden Lehrmeinung“, erinnert sich der Molekularbiologe Gurumoorthy Krishnamoorthy, einer der beteiligten Wissenschaftler.Das neue Modell zeigt nun, dass es zunächst zu einer Interaktion zwischen T- und B-Zellen kommen muss - erst das daraus entstehende Heer an B-Zellen löst mit seinen Antikörper-Attacken die volle Krankheit aus.

Mehr Zielproteine

Dennoch: Als Hauptverursacher der Krankheitsschübe gelten weiterhin die T-Zellen, insbesondere die sehr aggressiven „selbst-reagierenden T-Zellen“. Eine Gruppe dieser speziellen Immunzellen wird durch ein Protein (MOG) auf den Hirnzellen aktiviert – dachte man bisher. Im Versuch mit den Mäusen zeigte sich nun, dass die T-Zellen auch die Mäuse angriffen, denen das Protein MOG fehlte. Ein „völlig unerwarteteter Fund“, wie Krishnamoorthy meint: „Ohne MOG sollten die Zellen doch gar nichts angreifen können.“

Mithilfe biochemischer Untersuchungen konnten die Forscher aufklären, dass die besonders aggressiven T-Zellen offenbar auf ein zweites Protein im Gehirn reagieren. Im Umkehrschluss erklärt diese Mehrfach-Aktivierung auch das aggressivere Verhalten der Zellen im Vergleich zu den „regulären T-Zellen“, vermutet Hartmut Wekerle, der die Studie geleitet hat: „Wir müssen nun einen Weg finden, diese speziellen T-Zellen im Patienten zu identifizieren.“ Darauf basierend könnten dann Therapien entwickelt werden, die diese aggressiven T-Zellen unterdrücken oder ganz aus dem Gewebe entfernen, beschreiben sie im Journal of Experimental Medicine (2009; Vol. 206, S. 1303 - 1316) .

Hilfe zur Selbstheilung

Einen anderen möglichen Therapieansatz haben Neurologen vom Universitätsklinikum Düsseldorf entdeckt. Fokus ihrer Untersuchungen sind die von den T-Zellen geschädigten Nervenkabel (Axone). Diese werden aus sogenannten Oligodendrozyten gebildet. Dabei handelt es sich um Moleküle, die nach mehrfachen Krankheitsschüben nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu regenerieren. Wie die Düsseldorfer Wissenschaftler um Patrick Küry in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS, 2009, 2. Juni) darstellen, beruht diese fehlende Regenerationsfähigkeit unter anderem auf einem hemmenden Eiweiß (p57kip2).

Die Ergebnisse der Wissenschaftler deuten darauf hin, dass dieser Hemmstoff in frühen Krankheitsstadien vom Körper unterdrückt werden kann, der Körper aber diese Fähigkeit mit dem Fortschreiten der MS verliert. Um die Selbstheilungskräfte des Körpers gezielt zu unterstützen, könnte man nun das Eiweiß p57kip2 auch bei fortgeschrittener MS unterdrücken, so die Idee der Forscher.

 

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