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Ethisch unbedenklicher Zellersatz aus den Keimdrüsen

Im Herbst 2008 entdeckten Tübinger Forscher Stammzellen in Hodengewebe. Mit Unterstützung des BMBF arbeiten sie jetzt daran, sie im Labor zu züchten. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Im Herbst 2008 entdeckten Tübinger Forscher Stammzellen in Hodengewebe. Mit Unterstützung des BMBF arbeiten sie jetzt daran, sie im Labor zu züchten. Quelle: Skutella / Universität Tübingen

27.03.2009  - 

Stammzellen gelten nach wie vor als Hoffnungsträger in der Regenerativen Medizin. Stammzellen, die aus Embryos stammen, sind allerdings ethisch umstritten. Die Arbeitsgruppe um Thomas Skutella vom Tübinger Zentrum für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin hat im vergangene Herbst einen Ausweg aus dem Dilemma präsentiert. Die Forscher stießen in menschlichen Hoden auf Stammzellen, die ebenso vielseitig zu sein scheinen wie diejenigen im Embryo (mehr...). Jetzt gilt es, sie näher zu untersuchen und dann außerhalb des Körpers zu züchten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt diese Anstrengungen in den nächsten drei Jahren mit rund einer halben Million Euro.




Stammzellen gelten als Alleskönner. Sie haben die Fähigkeit, sich in sämtliche Zelltypen zu entwickeln und stehen deshalb im Mittelpunkt vieler Forschungsansätze in der Regenerativen Medizin. So gibt es zum Beispiel die Hoffnung, dass aus ihnen einmal Nervenzellen gezüchtet werden können, die bei Parkinson-Erkrankten verloren gegangene Neurone ersetzen. Als eine wichtige Quelle für pluripotente Stammzellen galt bisher der Embryo. Allerdings ist die Verwendung dieser Zelllinien aus ethischen Gründen umstritten. Schon kurz nach der Entdeckung der embryonalen Stammzellen haben Forscher deshalb begonnen, nach Alternativen zu suchen. Mit wachsendem Erfolg.

Thomas Skutella von der Universität Tübingen hat Stammzellen aus Hodengewebe extrahiertLightbox-Link
Thomas Skutella von der Universität Tübingen hat Stammzellen aus Hodengewebe extrahiertQuelle: Skutella

Körpereigene Zellen werden nicht abgestoßen

So gelang es japanischen Forschern, Hautzellen von Erwachsenen in Stammzellen zurückzuverwandeln. Die Methode der sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) wurde seither ständig verfeinert (siehe Kasten). In den vergangenen Jahren fanden  Wissenschaftler aber zu ihrem Erstaunen auch im erwachsenen Körper Stammzellen - und zwar in fast jedem Gewebe. Wenn es gelänge, diese adulten Stammzellen aus dem Köper herauszubringen und dort zu vermehren, hätte man eine ethisch unbedenkliche und medizinisch problemlose Quelle für medizinischen Zellersatz aufgetan - da die Zellen vom Patienten selbst stammen, werden sie nicht abgestoßen.

Diese Idee verfolgen auch die Zellforscher des Zentrums für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin am Universitätsklinikum Tübingen. Schon vor gut zwei Jahren lenkten Gerd Hasenfuß und Wolfgang Engel von der Universität Göttingen den Blick der Kollegen auf das Hodengewebe. Aus Mäusehoden gewannen sie „pluripotente“ Zellen, die sich ähnlich wie embryonale Stammzellen in verschiedene Zelltypen entwickeln können (mehr...). Beim Menschen blieb die Suche allerdings vorerst erfolglos.

Im Herbst 2008 gelang der Arbeitsgruppe um Institutsdirektor Thomas Skutella dann der Durchbruch: Aus den Keimzellen eines Erwachsenen extrahierten die Wissenschaftler  Zellen, die ebenso wandelbar scheinen wie der Goldstandard der regenerativen Medizin, die embryonalen Stammzellen (mehr...). Jetzt geht es darum, die Zellen stabil zu vermehren und ihr Potenzial zur Ausdifferenzierung in verschiedene Zelltypen zu erkunden.

Die Entdeckung der iPS-Zellen...

...begann im Jahr 2006 in Japan. Seither hat sich einiges getan. 

Juni 2007: Von der Hautzelle zur Stammzelle: Umprogrammierung mit gentechnischen Tricks

November 2007: Molekulare Verjüngungskur: Von menschlichen Körperzellen zu vielseitigen Stammzellen

Juni 2008: Sanfte Umprogrammierung der Hautzelle zur Stammzelle

Februar 2009: Mit einem Gen zur Stammzelle

Den internationalen Vorsrpung halten

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Arbeiten an den Keimzellen bis Ende 2011 mit knapp einer halben Million Euro. Mit der BMBF-Initiative zur Förderung von Forschungsarbeiten mit pluri- und/odermultipotenten Stammzellen können die Zellen nun umfassend charakterisiert und ihr therapeutischer Nutzens für die Regenerative Medizin untersucht werden. Skutella drückt aufs Tempo: "Wenn wir jetzt ins Hintertreffen geraten würden, wäre das fatal. Wir sind dringend auf Drittmittel angewiesen, damit wir international unseren Vorsprung halten und ausbauen können. Die knappe halbe Million Euro Fördermittel vom Bund sind uns deshalb höchst willkommen."

Mit dem Geld wird in den nächsten drei Jahren ein ehrgeiziges Arbeitspensum finanziert. Zunächst müssen langzeitstabile pluripotente Zelllinien generiert werden, die zum Zwecke der Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen alle von einer einzigen Zelle abstammen. Diese "klonalen" Zelllinien müssen dann genauestens charakterisiert werden, sowohl auf genetischer und epigenetischer Ebene als auch hinsichtlich ihrer Proteinausstattung und der zellulären Stoffwechselvorgänge. Die Forscher hoffen damit, wichtige Erkenntnisse über die Entstehung und Regulation der Pluripotenz zu erlangen.

Einsatz bei Parkinson, Herzschwäche oder Diabetes

Neben dieser Grundlagenforschung dienen die Arbeiten dem großen Ziel, therapeutisch vielseitig einsetzbare Stammzellen zu erhalten, die den strengen rechtlichen Rahmenbedingungen und ethischen Normen in Deutschland entsprechen. Welche therapeutischen Einsatzmöglichkeiten sich für pluripotente Stammzellen in der Medizin tatsächlich ergeben können, wird erst die Zukunft zeigen. Derzeit stehen Stammzelltherapien noch ganz am Anfang. Denkbar wäre ein Einsatz bei so verschiedenen Erkrankungen wie Parkinson, Herzschwäche oder Diabetes.

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Gemeinsam ist ihnen die Grundidee: Aus Stammzellen eigens gezüchtete Körperzellen dienen als Ersatz für beschädigte Zelltypen des jeweils betroffenen Gewebes. Bei Diabetes sind das die insulinproduzierenden Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. Als gesundes, aus Patientenzellen gezüchtetes Pendant könnten die neuen Insulinzellen dann in das kranke oder abgestorbene Gewebe eingebracht werden. Dort würden sie aufgrund ihrer Abstammung aus patienteneigenen Zellen keine Abwehreaktionen hervorrufen und vielleicht einmal die Funktion des Organs wiederherstellen. So weit wollen die Wissenschaftler im jetzigen Projekt aber noch gar nicht denken. Sie konzentrieren sich darauf, den Ausgangspunkt für spätere Therapieansätze zu schaffen - eine stabile Linie an pluripotenten Stammzellen.

Ein großer Vorteil der Keimzellen besteht darin, dass sie im Gegensatz zu den iPS-Zellen ohne gentechnische Eingriffe in die Ausgangszellen erzeugt werden, was die Anwendung am Menschen deutlich erleichtern dürfte. Die Forscher des ZRM profitieren bei ihrer Arbeit von dem Wissenschaftsstandort Tübingen. Über eine Kooperation mit der Urologischen Universitätsklinik haben sie direkten Zugang zu Gewebe und Biopsiematerial, das für die Isolierung von adulten Stammzellen aus männlichen Hoden nötig ist. Außerdem kann die Gruppe auf die Unterstützung interdisziplinärer Einrichtungen wie der Mikroarray Facility der Universität Tübingen bauen, die auf schnelle und exakte Analysen von genetischem Material spezialisiert ist.

 

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