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Immunsystem: Erbstück vom Neandertaler

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Rekonstruktion eines männlichen Neandertalers im Neanderthal Museum bei Düsseldorf. Nicht nur äußerlich waren uns die Urmenschen sehr ähnlich. Quelle: Stefan Scheer, Oltau, wikimedia.org, CC-by-sa-3.0

19.11.2013  - 

Seit der Sequenzierung des Neandertaler-Genoms sind sich Paleoanthropologen sicher: Der frühe Homo sapiens hat sich mit anderen Urmenschen gepaart und Teile ihrer Immunausstattung geerbt. Bonner Immunbiologen haben einen neuen Rezeptor des Immunsystems beschrieben, den wir möglicherweise von unseren Vettern geerbt haben könnten. Wie sie im Journal of Biological Chemistry (2013, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, ist der Bauplan dieses sogenannten HLA-Gens mit der entsprechenden Erbgutfrequenz des Neandertalers nahezu identisch.

Das Immunsystem des Neandertalers verfügte offenbar über sehr ähnliche Abwehrmechanismen wie unseres: Das humane Leukozytenantigen-System (HLA) kann Krankheitserreger von körpereigenen Molekülen unterscheiden und die von ihnen ausgehende Gefahr einstufen. Bereits vor einigen Jahren fanden Paläogenetiker heraus, dass durch Paarung mit urzeitlichen Menschen-Arten Genvarianten in unser Erbgut gelangten, die unser Immunsystem beeinflussen (mehr...). Die nun veröffentlichte Studie offenbart eine weitere schützende Gensequenz, die unsere Vorfahren dem Neandertaler zu verdanken haben.

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Spione des Immunsystems

Die HLA-Rezeptoren scannen den molekularen Fingerabdruck von Eindringlingen anhand von nur acht Aminosäuren. Zuvor zerlegt das Immunsystem den Fremdkörper in seine Bestandteile. „Diese Leistung lässt sich mit einem Text vergleichen, der von einem Spion anhand weniger Buchstaben eines Wortes als ‚gefährlich’ erkannt wird“, sagt Norbert Koch vom Institut für Genetik der Universität Bonn. Drei solcher Peptid-Rezeptoren waren bislang bekannt. Beim Menschen können sie in mehr als 1000 verschiedenen Ausprägungen die verräterischen Aminosäurefolgen entziffern. Diese Vielfalt sei notwendig, damit das Immunsystem die gesamte Bandbreite der für den Menschen relevanten Krankheitserreger einordnen kann, so Koch weiter. Unter der Federführung von Kochs Team hat ein internationales Forscherkonsortium aus Wissenschaftlern der Universität Düsseldorf, der TU München, der Jacobs Universität Bremen und der Universität Cambridge nun einen weiteren dieser molekularen „Spürnasen“ gefunden.

Rezeptor-Gen erst in Europa erworben

„HLA-DRaDPa“, so der Kurzname des Moleküls, kommt bei zwei Dritteln der Europäer vor, bei Menschen aus dem südlichen Afrika hingegen kaum. „Als der frühe Mensch als Vorfahr des heutigen Menschen Afrika verließ und vor einigen hunderttausend Jahren nach Europa einwanderte, verfügte er noch nicht über diesen Rezeptor“, sagt Koch. Im Jahr 2010 hatten Forscher um Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig das komplette Neandertaler-Genom sequenziert (mehr...). Der Vergleich der Gensequenzen des neuen Rezeptors mit den Daten der Leipziger Genomforscher offenbarte Spannendes: „Die betreffende Gensequenz des Neandertalers ist mit der von heutigen Menschen fast identisch“, so Koch. Die Forscher vermuten nun, dass der moderne Mensch das Gen für den Rezeptor Homo neanderthalensis zu verdanken hat. Während ihrer Koexistenz in Europa könnten sich die beiden Urmenschenformen untereinander gekreuzt und die entsprechenden Gene an ihre Nachkommen weitergegeben haben.

Gen-Austausch sichert Überleben

Die evolutionsbiologische Begründung für die unterschiedlichen Immunsysteme: Der Europäische Neandertaler war völlig andersartigen selektiven Drücken ausgesetzt als der aus Asien eingewanderte Mensch. Dazu gehörten auch Krankheitserreger, Parasiten oder Immunsystem-schwächende klimatische Bedingungen. In seinem Arsenal musste H. neanderthalensis also entsprechende Waffen aufweisen um sein Überleben zu sichern. Vor dem Aussterben hat das fortschrittliche Immunsystem den Neandertaler allerdings nicht retten können. Offenbar konnte sich Homo sapiens mit Hilfe der Neandertaler-Gene letztendlich erfolgreicher durchsetzen.

© biotechnologie.de/bs
 

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