Das Risiko an der Wurzel gepackt
22.02.2006 -
Wer eine gentechnisch gezüchtete Pflanze auf den Markt bringen will, braucht derzeit einen langen Atem. Schließlich sind eine Vielzahl an Fragen zu klären, bevor es zur Zulassung kommt: Wie wirkt sich ein neues Gen auf molekularer Ebene in der Pflanze aus? Was passiert, wenn solch eine Pflanze verzehrt wird? Wie verändert sich womöglich der Boden, in dem eine solche transgene Pflanze wächst? All diese Fragen werden bisher sehr aufwendig geprüft. Das Forscherbündnis BioOK an der Ostseeküste will das Prozedere verbessern und aus einer Hand anbieten. Der Anspruch ist hoch. Die Analyse soll empfindlich, schnell und billig sein.
Hinter dem Forscherverbund stecken Wissenschaftler der Universität Rostock, fünf Unternehmen und ein Steinbeis-Transferzentrum aus Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam wollen sie ein Gesamtpaket zur Zulassung und Überwachung neuer agrobiotechnologischer Verfahren anbieten und sich als europäischer Dienstleister auf diesem Feld etablieren. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert dieses Vorhaben in den kommenden drei Jahren mit rund vier Millionen Euro. Das Geld wird im Rahmen des Förderprogramms Innovative Wachstumskerne für die Neuen Länder zur Verfügung gestellt, mit dem das BMBF die wissenschaftlich-technologischen Kompetenzen einer Region stärken will. Von 2003 bis 2008 werden dafür über 140 Millionen Euro bereitgestellt.
Bei BioOK wird das Geld vor allem in die Entwicklung neuer Methoden investiert. So beschäftigt sich ein Teilprojekt des Verbundes mit einem neuen Verfahren, das den Boden im Umfeld einer gentechnisch gezüchteten Pflanze auf mögliche Veränderungen testet. Damit will man aufwendige Freilandtests reduzieren und ein sicheres Verfahren im Labor finden, das sich nicht nur schnell und kostengünstig realisieren lässt, sondern auch verlässlichere Ergebnisse liefert.
Die Wurzel im Fokus der Risikoforschung im Boden
Die Forscher sind das Problem direkt von der Wurzel her angegangen. Über dieses komplexe System steht nämlich jede Pflanze mit dem Boden in regem Kontakt, gibt eigene Inhaltsstoffe ab und nimmt andere auf. „Wenn ich also herausfinden will, wie sich eine gentechnisch veränderte Pflanze auf ihre Umwelt im Boden auswirkt, muss ich mir die Wurzel und den Austausch der Stoffe anschauen“, erläutert Inge Broer, Professorin für Agrobiotechnologie der Universität Rostock, den Ansatz des neuen Verfahrens.
In dem geplanten Testverfahren werden deshalb Pflanzen eingesetzt, bei denen nur die Wurzeln gentechnisch verändert werden. Damit entfällt die Herstellung kompletter gentechnisch veränderter Pflanzen, was normalerweise Monate in Anspruch nimmt. Bei dem neuen Verfahren sind nur noch zwei Wochen nötig. Außerdem können auf diese Weise viele unabhängige Wurzeln auf kleinem Raum untersucht werden, sodass die Forscher nicht nur schneller und einfacher am Ziel sind, sondern auch eine besser abgesicherte Aussage erhalten.
Mit diesem Ansatz im Hinterkopf haben sich die Forscher eine Pflanzenfamilie als Modell gesucht, die sich besonders gut an der Wurzel beobachten lässt: die sogenannten Leguminosen. Das sind Pflanzen wie Erbsen oder Sojabohnen, die mit speziellen Bakterien und Pilzen im Boden in einem symbiotischen Verhältnis leben. Deren Reaktion auf veränderte Stoffe in und um die Wurzel können im Labor sehr genau untersucht werden. „Mit Hilfe eines bereits erprobten massenspektrometischen Verfahrens sind die möglichen stofflichen Veränderungen im Boden sehr gut überprüfbar“, sagt Broer.
Taugt das entwickelte Modell?
Im Laufe des Forschungsprojektes müssen die Wissenschaftler nun herausfinden, ob die Modellpflanze tatsächlich als zuverlässiges Modell für die unterschiedlichsten gv-Pflanzen taugt. Noch ist nämlich unklar, inwieweit die Analysemethode mit Leguminosen repräsentative Ergebnisse ergibt. Dafür müssen die Forscher ihr Verfahren mit Messungen an vollständig veränderten Pflanzen (Mais, Karotten, Kartoffeln) vergleichen, die die gleiche neue Eigenschaft tragen. Wenn es klappt, hätten die Forscher mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Man könnte für die schnelle Analyse neuer Eigenschaften auf die langwierige Herstellung kompletter transgener Pflanzen verzichten, aufwendige und teure Freilandversuche in der Bodenrisikoanalyse einschränken sowie gleichzeitig die Entwicklung neuer Pflanzensorten erleichtern. Denn mit leichteren und schnelleren Prüfverfahren im Labor lassen sich schon in frühen Phasen der Forschung sinnvolle und weniger sinnvolle gentechnische Züchtungen besser voneinander unterscheiden.