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Metastasen: Krebszellen überrumpeln Gefäßwand

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Eine Krebszelle schleußt sich mit Hilfe des CCR2-Rezeptors durch eine Blutgefäßwand. Quelle: UZH

17.07.2012  - 

Ins Blut gestreute Krebszellen nutzen einen Signal-Trick, um Gefäßwände zu passieren und so in neue Gewebe vorzudringen. Wie Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Zürich im Fachmagazin Cancer Cell (2012, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, bereiten sich die Krebszellen den Weg, indem sie spezifische Pförtnerrezeptoren auf dem Endothel – der innersten Zellschicht der Blutgefäße – verändern. Diese Erkenntnisse könnten einen neuen Ansatz sowohl für die Vorhersage des Risikos als auch für die Verhinderung drohender Streuungen von Tumoren liefern.

Rund 220.000 Krebstote verzeichnete das Statistische Bundesamt im Jahr 2010 in Deutschland. Damit ist Krebs in einem Viertel aller Sterbefälle die Todesursache in diesem Zeitraum. Doch sind es längst nicht mehr die Primärtumore, die den meisten Patienten zum Verhängnis werden. Diese lassen sich dank wirksamer Therapien und besserer Früherkennung relativ gut kontrollieren. Es sind ihre Tochtertumore, sogenannte Metastasen, die bei 90 Prozent der Erkrankten zum Tod führen. Sie entstehen, wenn der ursprüngliche Tumor in Blut- oder Lymphbahnen wächst. Dort lösen sich Zellen ab, die mit der Flüssigkeit im Gefäßsystem wandern, schließlich die Gefäßwand durchbrechen und in neuen Geweben Fuß fassen.

Eine Tumorzelle haftet sich an das Endothel (rot) an. Dieses ist durch das auf dem CCR2-Rezeptor empfangene Chemokin CCL aktiviert und durchlässig geworden. Das Ausschleusen der Tumorzelle wird durch die Rekrutierung von Monzyten (blau) erleichtert. Lightbox-Link
Eine Tumorzelle haftet sich an das Endothel (rot) an. Dieses ist durch das auf dem CCR2-Rezeptor empfangene Chemokin CCL aktiviert und durchlässig geworden. Das Ausschleusen der Tumorzelle wird durch die Rekrutierung von Monzyten (blau) erleichtert. Quelle: UZH
Bislang war allerdings unklar, wie die Krebszellen die Blutbahn wieder verlassen können. Ein europäisches Spezialisten-Team konnte diese Wissenslücke füllen.

Mechanismus ans Licht gebracht

Wie die Forscher zeigen konnten, hängt alles von sogenannten Chemokinen, also interzellulären Botenstoffen, ab. Sie spielen eigentlich eine entscheidende Rolle im Immunsystem, da sie in der Lage sind, weiße Blutkörperchen herbeizurufen. Doch auch Tumorzellen können diese Botenstoffe bilden. So sind beispielsweise erhöhte Werte des Chemokins CCL2 charakteristisch für metastasierende Brust-, Prostata- und Darmkarzinome. Galten hohe CCL2-Werte bislang vor allem als Hinweis auf ein starkes Tumorwachstum und eine schlechte Krankheitsprognose, zeigt sich durch die Experimente der Forscher eine Funktion des Chemokins, die weit über das bloße Anzeigen der Aggressivität des Krebses hinausgeht. Die CCL2-Chemokine docken an die Zellen der inneren Blutgefäßwände, die Endothelzellen an und aktivieren dort den entsprechenden Rezeptor. Dadurch ziehen sich die Zellen zusammen und die Tumorzellen können durch die Gefäßwand schlüpfen. „Die Tumorzellen nutzen eine Art Täuschungsmanöver: Sie überrumpeln die Endothelzelle mit einem Signal, das eigentlich von gesunden Zellen verwendet wird“, beschreibt Mathias Heikenwälder vom Institut für Virologie am Klinikum rechts der Isar den Vorgang.

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Sein Kollege Lubor Borsig von der Universität Zürich fasst zusammen: „CCL2 aktiviert einen Pförtnerrezeptor auf dem Endothel der Blutgefässe und ermöglicht es so der Darmkrebszelle, aus der Blutbahn zu gelangen und in anderen Organen zu metastasieren.“

Neuer Ansatz für die Krebstherapie

Die Chemokine der Tumore haben aber noch eine weitere Funktion: Sie locken spezielle Fresszellen des Immunsystems, sogenannte Makrophagen, an. Deren Rolle bei der Metastasierung lag bis jetzt im Fokus der Forschung, sie standen im Verdacht, den Tumorzellen quasi als Vorhut den Weg durch Gewebe zu bahnen. „Mit der Rolle von Chemokin-Rezeptoren auf Endothelzellen haben wir einen ganz neuen Ansatz für mögliche Krebstherapien gefunden“, sagt Mathias Heikenwälder. Es sei denkbar, die Chemokin-Expression des Tumors zu unterdrücken oder den Pförtner für das Tumor-Chemokin zu blockieren, so dass keine Krebszellen mehr aus der Blutbahn in das gesunde Gewebe gelangen könnten. „ Wenn es gelingt, die Krebszellen am Verlassen der Blutbahnen zu hindern, kann die Metastasierung direkt am Ursprung bekämpft werden“, wagt Lubor Borsig schon mal einen Blick in die Zukunft. Das Ziel der Forscher ist es jetzt, die bisher gewonnenen Erkenntnisse weiter zu vertiefen und die Übertragbarkeit ihres Konzepts auf andere Krebsarten zu überprüfen.

© biotechnologie.de/ss

 

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