Leberkarzinom: Stammzell-Doping für gesunde Zellen
13.06.2012 -
Krebserkrankungen der Leber sind bislang nur mit Hilfe einer Leberresektion oder einer Organtransplantation heilbar. Bei der Leberresektion wird das erkrankte Gewebe entfernt. Sind mehr als drei Viertel der Leber von dem Tumor befallen, dann droht durch die Operation ein akutes Organversagen. Deshalb muss schon im Vorfeld der Operation der gesunde Teil der Leber zum Wachstum angeregt werden. Stammzellen aus dem Knochenmark können diesen Prozess unterstützen. Sie helfen zudem, die Wartezeit bis zum chirurgischen Eingriff zu verkürzen. An der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Leipzig untersuchen in Zusammenarbeit mit dem Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM) der Universität Leipzig nun Kliniker und Wissenschaftler, wie Stammzellen die Leberregeneration anregen, indem sie Entzündungsprozesse beeinflussen.
Krebserkrankungen der Leber treten häufig als Folge einer dauerhaften Leberentzündung auf, also einer chronischen Erkrankung, bei der das Gewebe des Organs zunehmend vernarbt und seine Funktionen, wie die Bildung von Gerinnungsfaktoren und Proteinen sowie das Ausfiltern von Schadstoffen, nicht mehr wahrnehmen kann. Das macht die Behandlung von Leberkrebs sehr kompliziert und ein individuelles Vorgehen nötig.
Schon bevor Moritz Schmelzle an die Chirurgische Klinik gekommen ist, hat er daran geforscht, wie das gesund gebliebene Gewebe der Leber gestärkt werden kann. So gehörte er zu einer Gruppe von Medizinern der Chirurgischen Klinik in Düsseldorf, der es erstmals gelungen ist, mit Stammzellen die Regeneration der Leber zu verbessern und die Wartezeit bis zur Operation zu halbieren. „Wir haben dazu patienteneigene Stammzellen aus dem Knochenmark gewonnen, die eigentlich für die Blutbildung zuständig sind. Unsere Ergebnisse konnten zeigen, dass CD133+ Stammzellen das Wachstum des gesunden Leberanteils unterstützen, ohne zu einem vermehrten Wiederauftreten der Lebertumore zu führen.“ Mechanismen der stammzellvermittelten Leberregenration untersuchte er bis zuletzt als Research Associate an der renommierten Harvard Universität in den USA.
Verknüpfung von Grundlagenforschung und klinischer Anwendung
Vom TRM ist er nun dafür mit dem Exzellenz-Award ausgezeichnet worden, einer Projektförderung in Höhe von knapp einer Million Euro. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Zentrum hat diesen Preis erstmals für herausragende Forschungsvorhaben ausgelobt. Schmelzle und sein Team wollen damit in den nächsten drei Jahren ihre Untersuchungen zur Leberregeneration vertiefen. Angewendet wird dabei ein neues Modell, welches es Schmelzle erlaubt, neben seiner klinischen Tätigkeit genannte Therapieansätze wissenschaftlich weiterzuentwickeln. Unterstützt wird dieses Konzept von Sven Jonas, dem Direktor der Chirurgischen Klinik: „So können wir von Vornherein die Wissenschaft und die klinische Anwendung kombinieren. Das heißt, klinische Fragestellungen werden grundlagenwissenschaftlich untersucht und Ergebnisse im Rahmen kontrollierter Studien überprüft.“
Mehr zum Thema auf biotechnologie.de |
News: Tiefschlaf bei Leberzellen verhindert Krebs News: Spitzenzentren formen Netzwerk für Regenerative Medizin |
Dabei wollen die Forscher die Prozesse unter die Lupe nehmen, wie adulte Stammzellen aus dem Knochenmark die Regeneration der Leber vorantreiben. Sicher ist derzeit nur, dass Stammzellen einen positiven Einfluss auf die Regeneration der Leber haben. Warum, das ist noch nicht abschließend geklärt. Es ist einerseits möglich, dass die Zellen sich mit denen der Leber verbinden, andererseits kann es sein, dass sich die Stammzellen sehr schnell weiterentwickeln und in Leberzellen ausdifferenzieren. Schmelzles aktuelle Studien konnten zeigen, dass bestimmte Stammzellenpopulationen in der Leber Entzündungsprozesse eindämmen und so die Regeneration verbessern. „Das richtige Maß an Entzündung ist für eine optimale Regeneration der Leber essentiell. Es sollte nicht zu viel und nicht zu wenig sein“, erläutert Schmelzle.
Doch bei einer Behandlung mit Stammzellen will Schmelzle es nicht belassen. „Unser Ziel ist herauszufinden, wie wir die stammzellvermittelte Regeneration der Leber einfach und sicher medikamentös unterstützen können.“ Denkbar sei, dass mit pharmazeutischer Hilfe gezielt die relevanten Stammzellpopulationen im Knochenmark vergrößert und dann nach Leberresektion vermehrt mobilisiert werden könnten. Noch besser aber fände er es, einen Wirkstoff zu finden, der die Stammzellentherapie ersetzt und den Aufbau von gesundem Lebergewebe selbst ins Rollen bringt. Getestet werden diese Ansätze sowohl in Zellkulturen, im Mausmodell und in einem weiteren Schritt in klinischen Studien in der Chirurgischen Klinik.
Autorin: Anke Wilde