Mit molekularen Störsendern gegen Biofilme
18.01.2012 -
Niemand ist gerne alleine - auch Bakterien nicht. Deshalb rotten sich Mikroben gerne zu Gemeinschaften zusammen, zu sogenannten Biofilmen. Zum Problem werden Biofilme, wenn sie sich auf medizinischen Geräten, Implantaten oder industriellen Anlagen niederlassen und dichte Beläge bilden. Im Verbund-Projekt ChemBiofilm suchen Forscher aus Hamburg, Tübingen, Kiel und München nach Substanzen, die frühzeitig die Bildung von Biofilmen hemmen können. Das Projekt ist Teil der Förderinitiative GenoMik-Transfer und wird für drei Jahre mit 2,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Für Bakterien gibt es viele Vorteile, sich in Biofilmen zusammenzuschließen: sie können sich stabil in einer nährstoffreichen Nische einrichten, haben kurze Wege für Kommunikation und den Austausch von genetischem Material. Noch dazu sind sie im Biofilm vor äußeren Einflüssen geschützt, wie pH-Wert-Änderungen oder Antibiotika. In Industrie und Krankenhaus erzeugen solche Biofilme enorme Kosten, wenn Implantate ersetzt werden müssen oder Produktionsanlagen ausfallen. „Es gibt zurzeit keine Patentlösung gegen Biofilme, sowohl was die Vorbeugung von Biofilmen angeht als auch, wenn sie schon da sind“, sagt Wolfgang Streit vom Biozentrum Klein Flottbek der Universität Hamburg. Er koordiniert den Forschungsverbund ChemBiofilm, in dem Mikrobiologen neue Strategien im Kampf gegen Biofilme entwickeln wollen.
Mikroben suchen nach Gleichgesinnten
Die Produktion eines Biofilms ist für Mikroben allerdings keine Leichtigkeit: Der Aufbau einer Gemeinschaft ist ziemlich energieaufwendig und lohnt sich für Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa erst, wenn genug gleichartige Zellen in der Umgebung sind, die sich am "Nestbau" beteiligen können. „Wenn Bakterien Biofilme bilden, müssen sie miteinander reden, sie müssen Zell-Zell-Kommunikation betreiben“, erläutert Streit, „diese versuchen wir zu blockieren, damit sie keine Biofilme mehr bauen.“ Bakterien kommunizieren über spezielle Signalmoleküle miteinander, die Biologen als Autoinducer bezeichnen. Diese werden in die Umgebung entlassen und von anderen Bakterien erkannt und aufgenommen. Ist die wahrgenommene Konzentration des Moleküls hoch genug, schalten die Mikroben spezielle Gene an, die für die Bildung von Biofilmen notwendig sind. Der Mechanismus wird Quorum Sensing genannt.
GenoMik-Transfer |
GenoMik-Transfer ist eine vom BMBF geförderte Initiative, die im Herbst 2009 gestartet ist. Schwerpunkt der Initiative ist die anwendungsorientierte Forschung an Mikroorganismen. mehr Infos zum Verbundprojekt ChemBiofilm: hier klicken mehr Infos zu GenoMik-Transfer: hier klicken |
Fahndung nach Störsendern im Metagenom
Ziel des Projekts ist es, schon die frühe Phase der Biofilmbildung zu hemmen. Die Wissenschaftler suchen deshalb nach Störsendern, Moleküle, die Signalmoleküle abbauen und so die Kommunikation zwischen den Bakterien verhindern. Diese weitverbreitete Strategie bezeichnen Mikrobiologen als Quorum Quenching. „In der Natur leben die meisten Mikroorganismen als Biofilme. Deswegen findet man mit Sicherheit in der Natur auch viele Enzyme und andere Moleküle, die an Bildung, Umbau und Auflösung von Biofilmen beteiligt sind“, so Streit. Die Forscher sammeln Proben aus Biofilmen in der Natur und isolieren aus ihnen die gesamte Erbinformation, das so genannte Metagenom. Die DNA wird zerkleinert und jedes Stückchen in eine Bakterienzelle eingebracht. Zusammengenommen formen alle diese Bakterien eine metagenomische Bibliothek, eine Genbank. Der Vorteil: Mit dieser Methode lassen sich auch Mikroben analysieren, die nicht unter Laborbedingungen gedeihen oder die noch völlig unbekannt sind.
Mehrere vielversprechende Kandidaten identifiziert
Die Umweltklone, quasi die einzelnen Bücher der Metagenombibliothek, müssen nun überprüft werden: Können sie Stoffe bilden, die bakterielle Signalmoleküle zerstören? Streit und seine Kieler Kollegin Ruth Schmitz-Streit haben eine Methode entwickelt, mit der sich Klone identifizieren lassen, die die gesuchten Substanzen herstellen können. „In der ersten Projektphase haben wir insbesondere nach hochaktiven Proteinen und Molekülen gesucht, was wir in zwei bis drei Fällen auch erfolgreich hinbekommen haben“, berichtet Streit. Drei Substanzen zu finden und ihre Wirksamkeit gegen Biofilme zu bestätigen, ist nach Ansicht der Forscher ein echter Erfolg, denn wirklich effektive Stoffe mit einem breiten Wirtsspektrum sind selten.
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Die aufgespürten Kandidaten werden in Tübingen von einem Team um Biochemikerin Stephanie Grond mit chemischen Analysemethoden genauer untersucht. Hierbei soll der Abbau- und der Wirkungsmechanismus der Anti-Biofilm-Substanz geklärt werden. An dem Forscherkonsortium beteiligt sind auch Holger Rohde vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, der sich auf Biofilme an Medizinprodukten wie Urinkathetern konzentriert und Kirsten Jung von der Ludwig-Maximilian-Universität München. Ihr Interesse besteht darin, einzelne Zellen bei der Biofilmbildung zu beobachten.
Oberflächen mit Kommunikationsblockern beschichten
Das weitere Ziel des Verbunds ist nun, die identifizierten Substanzen an Oberflächen anzuheften, um diese frei von Biofilmen zu halten. Spezialist hierfür ist Andreas Liese von der Technischen Universität Hamburg. Seine Gruppe hängt kleine molekulare Anker an die Proteine, die mit Oberflächen wie Glas oder Silikon wechselwirlen können und die wirksamen Stoffe so anhaften können. Für einen der aussichtsreichen Kandidaten ist das bereits gelungen. Im nächsten Jahr wollen die Wissenschaftler an diese Erfolge anknüpfen und ihre vielversprechenden Kandidaten in einem natürlicheren System testen. „Wir wollen zeigen, dass die Proteine nicht nur einen Modellbiofilm mit nur einem Organismus verhindern, sondern auch in gemischten Biofilmen funktionieren, wie sie in der Natur und Klinik typisch sind“, so Streit. Wenn einer der Kandidaten diese Anforderung erfüllt, könnten medizinische Geräte und anfällige Produktionsanlage mit diesen Substanzen beschichtet und frei von Biofilmen gehalten werden. Nicht nur für die Industriepartner Thor GmbH, Henkel KGaA und Beiersdorf AG wäre das ein wichtiger Schritt , um eine Patentlösung gegen die störenden Beläge zu entwickeln.
Autorin: Vera Siegler