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Neuer Mausmaki mit Gentest gefunden

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Der neu entdeckte Gerp's Mausmaki gehört mit 68 Gramm Durchschnittsgewicht schon zu den größeren Mausmakis. Quelle: B. Randrianambinina

04.01.2012  - 

Im Jahr 2008 machte sich ein Team deutscher und madagassische Forscher in die Regenwälder Madagaskars auf, um die Lemurenbestände zu untersuchen. Eine ganze Reihe von Tieren gingen ihnen ins Netz, nach der Vermessung und Probenentnahme wurden sie wieder freigelassen. Doch erst jetzt, nach mehr als drei Jahren, können die Wissenschaftler mit Sicherheit sagen, dass sie damals in den Wäldern Ostmadagaskars eine neue Art von Mausmaki gefunden haben: Microcebus gerpi - benannt nach der madagassischen Forschungsvereinigung GERP (Groupe d’Étude et de Recherche sur les Primates de Madagascar). Möglich wurde die eindeutige Bestimmung durch die Auswertung der genetischen Daten am Institut für Zoologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Das genetische Profil ist zum Lackmustest der Tiersystematik geworden.


 

Einen Spatz von einer Amsel zu unterscheiden, das können noch die meisten. Doch die Artenbestimmung kann schnell kompliziert werden. Ein Experte für Makis zum Beispiel muss unterscheiden können zwischen den Familien der Großen Makis und Halbmakis, der Fettschwanzmakis und Mausmakis, der Wieselmakis, Wollmakis, Bärenmakis oder Koboldmakis. Jede dieser Familien weist zudem mehrere Arten auf. Neue Spezies, die in entfernten Gebieten leben und nur selten beobachtet wurden, sind nur schwer eindeutig voneinander abzugrenzen. In den vergangenen Jahren ist die genetische Analyse unter Taxonomen deshalb unverzichtbar geworden.

Erst 2005 wurde der kleine Riesenmausmaki (Mirza zaza) von Forschern des Deutschen Primatenzentrums auf Madagaskar entdeckt.Lightbox-Link
Erst 2005 wurde der kleine Riesenmausmaki (Mirza zaza) von Forschern des Deutschen Primatenzentrums auf Madagaskar entdeckt.Quelle: D. Haring

Ute Radespiel vom Institut für Zoologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover analysierte die von Kollegen aus dem Waldgebiet Sahafina in Ost-Madagaskar mitgebrachten Gewebeproben verschiedener Makis. Die Ergebnisse waren unerwartet. „Wir waren durch diesen Fund sehr überrascht", so Radespiel. "Der Sahafina-Wald ist nur etwa 50 Kilometer von dem Mantadia-Nationalpark in Ost-Madagaskar entfernt, in dem eine andere, viel kleinere, Mausmaki-Art vorkommt, der Goodman’s Mausmaki.“ Der Gerp’s Mausmaki unterscheidet sich jedoch deutlich von seinem Verwandten, mit einem Körpergewicht von durchschnittlich 68 Gramm ist er im Vergleich zum Goodman’s Mausmaki (ca. 44 Gramm Körpergewicht) geradezu ein Riese. Die Forscher aus Hannover und Madagaskar veröffentlichten ihre Entdeckung gemeinsam im Fachjournal Primates (Onlineveröffentlichung, 2011). Endgültig bestimmt werden konnte die neue Makiart demnach durch einen Vergleich von drei bestimmten Genabschnitten in den Mitochondrien. Die mitochondriale DNA wird nur über die Mutter vererbt und ist deshalb sehr beständig. Dadurch können Verwandtschaftsverhältnisse und damit die Artengrenzen gut abgeschätzt werden.

Strichcode für jede Art

Die charakteristische Abfolge der DNA in diesen Abschnitten ergibt einen Strichcode oder englisch "Barcode", der für jede Tierart eindeutig ist. Weltweit arbeiten Biologen daran, eine große genetische Datenbank der Tier- und Pflanzenwelt zu erstellen. Schon 2008 richtete der Zoologe Edward O. Wilson eine Enzyklopädie des Lebens ein, mit der möglichst viele bekannte Tierarten verzeichnet werden sollen, komplett mit Genprofil.

Encyclopedia of Life

Das Ziel der EOL ist es, alle Lebensformen der Erde zu beschreiben und die Daten frei zugänglich zu machen. Zu einem kompletten Datensatz gehört dabei auch das genetische Profil der Pflanze, des Tiers, des Pilzes oder des Bakteriums.

www.eol.org

Untersucht wird beim genetischen Barcoding in der Regel ein Abschnitt der mitochondriellen DNA (mtDNA), die sogenannte Cytochrom-c-Oxidase Untereinheit 1 (CO1). Arten sollen mit dem "Barcoding" in Zukunft quasi gescannt und damit schnell identifiziert werden können. Damit könnte zum Beispiel die Artenverteilung in einem Lebensraum schnell und präzise erfasst werden und so verlässliche Aussagen über Veränderungen gemacht werden, die etwa durch den Wandel des Klimas auftreten.

Nach der erfolgten Bestimmung konnte der Gerp's Maki wieder seiner Wege gehen.Lightbox-Link
Nach der erfolgten Bestimmung konnte der Gerp's Maki wieder seiner Wege gehen.Quelle: B. Randrianambinina

Ein Ei reicht

Derzeit läuft etwa ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, um die Fauna der Nordsee mittels genetischer Barcodes zu inventarisieren. Das Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung am Forschungsinstitut Senckenberg will 600 bis 800 Arten mehrzelliger Tiere, die in der Deutschen Bucht vorkommen, in einer Datenbank erfassen und dokumentieren. „Wir rechnen damit, eine Vielzahl an neuen Arten zu entdecken“, sagt Projektleiter Michael Raupach, „zum einen eingeschleppte und übersehene Tiere, aber auch Arten, die Bestandteil sogenannter kryptischer Artkomplexe sind und sich allein von ihrem Körperbau her kaum unterscheiden lassen und daher bislang übersehen wurden.“ Die molekularbiologische Bestimmung hat einige Vorteile. "Ein Individuum lässt sich auch dann identifizieren, wenn es vom Fischnetz zerdrückt ist oder gar nur ein Beinchen gefunden wird", sagt Raupach. "Selbst aus Laich, bei dem für das bloße Auge ein Ei wie das andere aussieht, lässt sich mittels Barcode eindeutig ablesen, welcher Fisch hier schlüpfen wird."Manchmal sehen sich zwei Tiere auch sehr ähnlich, sind jedoch eigentlich völlig unterschiedliche Arten. Göttinger Wissenschaftler fanden auf Papua Neuguinea etwa zwei Arten von Stabschrecken, die die sich weitgehend gleichen, sich aber völlig unabhängig voneinander entwickelt haben (mehr...).

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Ganz ohne tatsächliche Tiere kommt eine Methode aus, die Philip Francis Thomsen, Jos Kielgast und Eske Willerslev vom Zentrum für GeoGenetik in Kopenhagen entwickelt haben. Sie messen das Vorhandensein von Tierarten in Seen und Teichen, indem sie einfach eine Tasse Wasser herausschöpfen. Die Forscher extrahieren die im Wasser schwebende mitochondriale DNA, die von der Haut der Tiere, ihrem Urin oder ihrem Kot stammen. Die Analyse erlaubt Rückschlüsse auf die Tierarten und sogar ihre Häufigkeit (Molecular Ecology, November 2011).

 Der Gerp-Mausmaki dagegen ist den Forschern tatsächlich ins Netz gegangen. Im Gegensatz zu früheren Expeditionen hat das Tier die Begegnung mit dem menschlichen Wissensdrang unbeschadet überstanden und befindet sich nun nicht ausgestopft in einer Vitrine der Tierärztlichen Hochschule, ein Schicksal, dass untersuchte Tiere früherer Expeditionen erlitten. Für das genetische Profil reichte den Forschern diesmal eine kleine Gewebeprobe. Der Maki wurde nach erfolgter Untersuchung wieder freigelassen.

© biotechnologie.de/cm
 

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