Anthrax und Antikörper: Neue Testsysteme
04.01.2012 -
FZMB steht für Forschungszentrum Medizintechnik und Biotechnologie. Das interdisziplinäre Institut in Bad Langensalza bündelt ganz unterschiedliche Forschungskompetenzen unter einem Dach und unterstützt zudem junge Firmen bei der Ausgründung. Es ist der Geburtsort einer ganzen Reihe biotechnologischer Ideen. Die Spezialität: Testsysteme. Erst jüngst gewann ein Team den Gründerpreis des Landes Thüringen. Die angehenden Unternehmer überzeugten die Jury mit dem diagnostischen Schnelltestsystem CaraCare. In der Entwicklung ist auch ein modularer immunologischer Schnellnachweis. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb der Fördermaßnahme „Mobile Diagnostiksysteme“ mit 3,4 Millionen Euro gefördert. In der Endphase der Entwicklung ist ein ebenfalls vom BMBF gefördertes Projekt zur Entwicklung von Testsystemen, das zur Identifizierung von biologischen Kampfstoffen und Krankheitserregern dient.
In der medizinischen Biotechnologie ist das FZMB schon länger für die Expertise bei der Entwicklung von neuen Diagnostiksystemen bekannt. Jetzt wurde auch die Rolle des Instituts als Entstehungsort zahlreicher junger Unternehmen geehrt. Im Dezember 2011 überreichte Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig einen Gründerpreis an ein Team aus dem FMZB.
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Mit dem zweiten Platz in der Kategorie Businesspläne wurden Sebastian Kellner, Hans Hermann Söffing, Marko Pietraszczyk und Falk Adam ausgezeichnet, und zwar für die Idee des Schnelltestsystems CaraCare. Basis für die Technologie sind Patente aus dem FZMB. Die jungen Forscher vereinigen einen diagnostischen Streifentest mit der Genauigkeit und Treffsicherheit eines aufwändigen Laboranalysesystems – und das zu einem wettbewerbsfähigen Preis. Mögliche Anwender von CaraCare könnten Ärzte und Tierärzte sein, die in ihren Praxen dann mit bisher unerreichter Genauigkeit und Flexibilität diagnostizieren können.
„Mobile Diagnostiksysteme“ mit Filtern und Nanopartikeln
CaraCare könnte bald am Markt sein. In Bad Langensalza in der Nähe von Erfurt wird aber auch an vielerlei Projekten gearbeitet, bei denen noch grundsätzliche Forschungsfragen geklärt werden müssen und die deshalb zum Teil auch vom BMBF unterstützt werden. So koordiniert das FZMB im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme „Mobile Diagnostiksysteme“ einen Verbund aus acht Biotechnologie- und Medizintechnikunternehmen. Bis 2013 wollen die Verbundpartner ein modulares immunologisches Diagnosesystem entwickeln.
Das auf einer Antikörperreaktion beruhende System besteht aus einem Modul zur Entnahme von Blut, Serum oder Speichel, einem Analysechip und einem Auswertegerät. Angestrebt wird die Entwicklung unterschiedlichster Diagnosetests, die direkt in Arztpraxen und Kliniken durchgeführt werden können. Der Vorteil: Bereits 15 Minuten nach Probenentnahme ist das Ergebnis sichtbar. Neben dem Zeitgewinn gegenüber bisherigen Nachweisverfahren kommt es laut FZMB zudem noch mit einer wesentlich geringeren Probenmenge aus. Um dabei die notwendige Empfindlichkeit zu erreichen, wird eine neuartige Detektionsmethode angewandt, die auf Nanopartikeln basiert. Insgesamt sollen bis zu drei Werte auf einmal gemessen werden können. Damit ist das Konzept grundsätzlich auf viele weitere Arten biochemischer Bindungsreaktionen im medizinischen Bereich erweiterbar. Das BMBF unterstützt das Vorhaben mit rund 1,7 Millionen Euro.
Das sensitivste Nachweissystem in Europa für biologische Kampfstoffe
In Zusammenarbeit mit Industriepartnern, dem Bundeskriminalamt und dem Robert-Koch-Institut wird das Projekt „Biologische Gefahrenlagen: Risikobewertung, ultraschnelle Detektion und Identifizierung von bioterroristisch relevanten Agenzien (BiGRUDI) durchgeführt. Hier geht es darum, zwölf als besonders gefährlich eingestufte, biologische Kampfstoffe mittels Schnelltest zu identifizieren. „Es handelt sich dabei um den Nachweis von Giften, Viren und Bakterien, die auch vom Laien leicht herzustellen sind“, so Geschäftsführer Peter Miethe, der Anfang der 1990er Jahre selber eine Firma mit ähnlichem Schwerpunkt gegründet hatte. Zu diesem „Dirty Dozen“, also dem dreckigen Dutzend an biologischen Kampfstoffen gehören unter anderem Botulinustoxin, Pocken und Anthrax. Laut Chemiker Miethe ist es dem Konsortium gelungen, dafür ein auf Bioaffinitätsfiltration basiertes Nachweissystem zu entwickeln, bei dem mit einem einfachen Handgerät Sensitivitäten erreicht werden, wie sie sonst nur im Labor möglich sind. Dies konnte beispielsweise durch Feldstudien der Bundeswehr zum Nachweis von Ebolaviren in Zaire bestätigt werden.
Nah am Markt
Der Geschäftsführer Miethe ist stolz auf die vielfältigen Leistungen seiner 100 Mitarbeiter. „Wir sind Partner der Industrie und agieren nah am Markt.“ Das Institut ist dabei keine öffentliche Forschungseinrichtung, sondern finanziert sich selbst. Die notwendigen Eigenmittel für Forschungsprojekte – üblicherweise sind es 50 Prozent der Gesamtkosten – müssen durch Dienstleistungen und Auftragsforschung selbst erwirtschaftet werden. Der Rest stammt von öffentlichen Geldgebern wie dem BMBF.
Neben der Entwicklung von Diagnostiksystemen beschäftigen sich die Forscher des FZMB mit der matrixfreien Züchtung von Knorpelzellen zur Heilung von Gelenkserkrankungen bei Pferden, der Bioaffinitätsreinigung, beispielweise zur Isolierung von Hormonen aus Pferdeserum sowie der Nahinfrarotspektroskopie, ein Verfahren, welches unter anderem in der Pharmazie und der Lebensmittelindustrie zur Qualitätskontrolle eingesetzt wird. Auch produzieren und vertreiben die Thüringer Nanozellulose für die Kosmetikindustrie und bieten eine neuartige Methode zur Behandlung von Hautkrebs bei Pferden an. „Diese Vielfalt macht unser Forschungszentrum so einzigartig“, sagt Miethe.