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Künstliche Organe aus dem 3-D-Drucker

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Fraunhofer-Forscher wollen künstliche Blutgefäße entwickeln, die auf winzigen Röhrchen basieren. Quelle: Fraunhofer IGB, Stuttgart

26.08.2011  - 

Schon lange arbeiten Zellingenieure an der Züchtung künstlicher Organe. Erste Erfolge bei Haut, Knorpel und Knochen sind bereits gelungen, sie werden zum Teil schon klinisch eingesetzt. Größere Organe wie Herzen stellten Forscher bislang jedoch vor ein Problem: Sie müssen die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen über weit verzweigte, winzige Blutgefäße sicherstellen. Diese im Labor nachzubauen, ist bisher kaum gelungen. In einem interdisziplinären Projekt haben Fraunhofer-Forschern nun offenbar einen Weg gefunden, um biokompatible Röhrchen herzustellen, die dem natürlichen Vorbild sehr nahe kommen. Sie nutzen dabei einen speziellen 3-D-Druck und  setzen damit auf die Kombination aus Maschinenbau, Chemie und Biologie.

Mehr als 11 000 Menschen haben Anfang 2011 allein in Deutschland auf eine Transplantation gewartet. Die Zahl der Spender ist jedoch zu klein, als das alle diese Personen tatsächlich ein Organ erhalten könnten. So hat die Deutsche Stiftung Organspende für das Jahr 2010 ingesamt nur 1.876 potentielle Organspender gezählt,. Dabei handelt es sich um Personen, die am Hirntod gestorben gestorben sind und und bei denen keine medizinischen Ausschlussgründe zur Organspende vorlagen. In nur etwa zwei Drittel der Fälle (1296, 69%) kam es dann auch tatsächlich zur Organentnahme.

Tissue Engineering: Noch junges Forschungsgebiet

Vor diesem Hintergrund suchen Wissenschaftler schon seit vielen Jahren nach Alternativen zur klassischen Organverpflanzung. Die einen verfolgen beispielsweise den Weg, tierisches Gewebe oder ganze tierische Organe für den Menschen zu nutzen. An einer solchen Xenotransplantation forscht beispielsweise Eckhard Wolf von der Ludwig-Maximilians-Universität München (mehr...). Auf der anderen Seite gibt es auch Ansätze, künstliche Organe im Labor zu schaffen. Diese Art der Produktion von menschlichem Gewebe wird in der Kulturschale wird Tissue Engineering genannt, das noch ein vergleichsweise junges Forschungsgebiet ist. Erst 1975 gelang es Forschern, menschliche Hautzellen im Labor künstlich zu vermehren. Seitdem macht die Disziplin jedoch große Fortschritte. Heute wird versucht, möglichst dreidimensionale, organähnliche  Gebilde aus verschiedenen Gewebetypen nachzuahmen. Für einige einfach aufgebaute Ersatzgewebe wie die Oberhaut, Knochen und Knorpel hat die aufwendige Gewebetechnik bereits erste klinische Verfahren hervorgebracht.

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Gerade die im Labor nachgebaute und nachgezüchtete Haut hat zwei bedeutende Anwendungsfelder: In der Medizin ist sie oft die letzte Rettung für Patienten mit schweren Verbrennungen oder chronischen Wunden. In der Kosmetik- und Pharmaindustrie wiederum werden die Hautpartien aus der Kulturschale dafür verwendet, neue Substanzen zu testen. Am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart konnte 2010 eine Gewebefabrik eingeweiht werden, in der dreidimensionale Hautgewebe vollautomatisch produziert werden können (mehr...). Andere Organe als die Haut sind jedoch weitaus anspruchsvoller. Dennoch ist es Forschern um Heike Walles am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik bereits gelungen, ein künstliches Lebersystem zu entwickeln, das ebenfalls als Testsystem dienen soll (mehr...). Und erst kürzlich konnte in Stockholm die erste erfolgreiche Transplantation einer künstlich gezüchteten Luftröhre vermeldet werden (mehr...). 

Große Organe bereiten beim Züchten Probleme

Gerade bei großen Organen stießen die Wissenschaftler aber bisher auf ein ungelöstes Problem. Einen funktionierenden Herzmuskel zu züchten, ist kein Problem: Das kleine Gewebestückchen wird durch die umgebende Nährflüssigkeit mit allem versorgt, was es zum Überleben braucht. Ein ganzes Herz jedoch braucht Blutgefäße, durch die Sauerstoff und Nährstoffe überall hin transportiert werden können. Bisher jedoch erschien es unmöglich, solch kleinen und komplexen Strukturen wie Kapillargefäße im Labor zu bauen. Zu schaffen machten den Forschern insbesondere Verzweigungen und Hohlräume.

Am Fraunhofer IGB in Stuttgart hat ein Team um Günter Tovar nun offenbar eine Lösung dafür gefunden. Im „BioRap“-Projekt – an dem insgesamt fünf Fraunhofer-Institute beteiligt sind – entwickeln sie biokompatible künstliche Blutgefäße und bedienen sich dafür einer Methode, die sonst vor allem im Maschinenbau eingesetzt wird: das Rapid Prototyping.  Mit diesem Verfahren werden in der Automobilindustrie bestimmte Werkstücke nach einem komplexen dreidimensionalen Modell aufgebaut.

BioRap-Projekt

Am BioRap-Projekt sind insgesamt fünf Fraunhofer-Institut beteiligt:

IGB Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, Stuttgart IAP Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung, Potsdam ILT Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, Aachen IPA Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Stuttgart IWM Fraunhofer- Institut für Werkstoffmechanik, Freiburg

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Elastische Biostrukturen: Kombination aus Maschinenbau, Chemie und Tissue Engineering

Wie die Forscher um Tovar nun berichten, konnte diese Methode jetzt auch auf elastische Biomaterialien übertragen werden. Dazu kombinierten sie zwei verschiedene Verfahren: die im Rapid Prototyping etablierte 3-D-Drucktechnik und die in der Polymerwissenschaft entwickelte Multiphotonenpolymerisation. Der 3-D-Druck ist vor allem dafür da, sehr schnell dreidimensionale Materialien in Schichten aufzutragen. Für ihre Zwecke haben die Forscher nun eine spezielle Tinte entwickelt, damit die späteren Blutgefäße flexibel und elastisch genug sind. Hinzukam die Multiphotonenpolymerisation. Nur auf diese Weise – so die Idee der Forscher – können auch die winzigen künstlichen Röhrchen angefertigt werden, die den natürlichen Blutgefäßen so nahe wie möglich kommen. Denn bei dieser Methode treffen kurze, intensive Laserimpulse auf das Material. Sie regen die Moleküle so stark an, dass diese miteinander interagieren und damit letztlich eine sogenannte Polymerisation bewirken  – das Material wird fest, bleibt aber so elastisch wie natürliche Materialien. „Die einzelnen Techniken funktionieren schon und arbeiten momentan in der Testphase.  Der Prototyp für die kombinierte Anlage ist im Aufbau“, sagt Tovar.

Sobald die Röhren gedruckt sind, erfolgt schließlich eine nachträgliche Biofunktionalisierung, damit lebende Körperzellen an ihnen andocken können. Zum Einsatz im Biorap-Projekt kommen dabei unter anderem bestimmte Eiweißmoleküle wie Heparin- oder andere Ankerproteine, die an die Innenwände der Röhrchen integriert werden. Oft werden aber auch Tinten aus Hybridmaterialen verwendet, die von vornherein eine Mischung aus synthetischen und natürlichen Polymeren enthalten.

In einem zweiten Schritt können sich in den Röhrensystemen schließlich sogenannte Endothelzellen anheften. Diese Zellen bilden im Körper die innerste Wandschicht eines jeden Gefäßes. „Die Auskleidung ist wichtig, damit die Bestandteile des Blutes nicht kleben bleiben, sondern weitertransportiert werden“, erläutert Tovar den Grund für die aufwändige Nachbearbeitung der Röhrchen. Nur wenn es gelingt, eine komplette Schicht lebender Zellen anzusiedeln, kann das spätere Blutgefäß so arbeiten wie seine natürlichen Vorbilder und die Nährstoffe an ihr Ziel dirigieren.

Künstliche Organe als Testsystem und Alternative zum Tierversuch

Am Ende – so die Hoffnung der Forscher – ließen sich mit den so erzeugten Blutgefäßen die beim Tissue Engineering gezüchtete Herzen mit Nährstoffen versorgen und an einen Kreislauf anbinden. Diese eignen sich dann zwar noch nicht für eine Transplantation, aber solche Herzen könnten beispielsweise als Testsystem genutzt werden und so Tierversuche ersetzen. Auch die Behandlung von Bypass-Patienten mit künstlichen Gefäßen ist denkbar.

Noch stehen die Forscher allerdings am Anfang ihrer Bemühungen. So müssen sie beispielsweise den Aufbau der Ministrukturen und den Verlauf der Gefäßsysteme genau berechnen, um optimale Fließgeschwindigkeit zu gewährleisten oder einen Stau zu verhindern. Aus der Sicht von Tovar hat die Technik jedoch großes Potenzial. „Wir wenden hier erstmalig Rapid Prototyping auf elastische, organische Biomaterialien an. Die Gefäßsysteme illustrieren sehr schön die Möglichkeiten dieser Technologie, aber das ist noch längst nicht alles, was geht“, gibt er sich zuversichtlich. Denn das System sei nicht auf Herzen beschränkt – auch andere Organe ließen sich mit derartigen Gefäßen versorgen. Bis Organe aus dem 3-D-Drucker mit eigenen Blutgefäßen tatsächlich implantiert werden, wird es allerdings noch einige Zeit dauern.

© biotechnologie.de/sw+bk

 

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