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Glasklarer Blick ins Rückenmark

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Ein Rückenmark wie aus Glas: Mit der neuen Methode können Nervenzellen im intakten Zellverbund dargestellt werden. Quelle: MPI für Neurobiologie/ Ertürk

02.01.2012  - 

Rückenmarksgewebe in 3D: Mit einer neu entwickelten Methode haben Forscher am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried den Verlauf von Nervenzellen im Rückenmarksgewebe sichtbar gemacht, ohne sie dafür zerschneiden zu müssen. Das neue Verfahren, über das die Forscher im Fachjournal Nature Medicine (2011, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, basiert auf der Ultramikroskopie: Das Wasser im Gewebestück wird mit einer lichtdurchlässigen Emulsion ersetzt und die Nervenzellen farbig markiert. Das Ergebnis ist sozusagen ein „Gläsernes Rückenmark“.

Das Verfahren ist besonders für die Erforschung von Rückenmarksverletzungen interessant. Dabei werden oft die langen Zellfortsätze der Nervenzellen durchtrennt, die sogenannten Axone. Die Folge sind Lähmungen – irreversibel, denn im Gegensatz zu anderen Zellen regenerieren sich die Nervenfortsätze im Rückenmark nicht. Wissenschaftler tüfteln seit Jahren daran, wie die Axone wieder zum Auswachsen angeregt werden können. Dafür müssen die Zellen jedoch erst sichtbar gemacht werden.

Hauchdünne Scheiben

Dafür gab es bisher nur ein sehr aufwändige Methode: Das Rückenmark wurde in hauchdünne Scheiben geschnitten und anschließend unter dem Mikroskop betrachtet.  Damit rekonstruierten die Forscher Schritt für Schritt die Lage und den Verlauf einzelner Zellen. In besonderen Fällen konnte auch jedes Scheibchen zunächst digitalisiert und das Gewebe daraufhin am Computer zu einem 3D-Modell zusammengesetzt werden. Mit dieser Methode dauert es Tage bis Wochen, bis die Ergebnisse einer Untersuchung vorliegen.

Außerdem ist dieses Verfahren fehleranfällig: die Fortsätze einzelner Nervenzellen können beim Schneiden der Gewebeprobe gequetscht werden und bereits die kleinste Verschiebung beim Zusammensetzen der  Schnitte  verfälscht das Ergebnis. "Das reicht häufig, um eindeutige Aussagen über die Länge und das Wachstum einzelner Zellen zu verhindern", sagt Frank Bradke, der mit seinem Team am Max-Planck-Institut für Neurobiologie das Auswachsen von Nervenzellen nach Rückenmarksverletzungen untersuchte. "Da es uns gerade um die Veränderungen in diesem kritischen Bereich geht, haben wir so lange herumgetüftelt, bis wir jetzt eine bessere Methode gefunden haben“, sagt der Neurobiologe, der seit Juli 2011am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn arbeitet.

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Wie Honig auf Strukturglas

Das neue Verfahren verzichtet auf das Zerschneiden der Probe und setzt stattdessen auf die an der TU Wien entwickelte Ultramikroskopie. Das Verfahren wurde von den Max-Planck-Forschern weiterentwickelt. Sie ersetzten das Wasser im Rückenmarksgewebe durch eine spezielle Emulsion, welche die gleiche Zusammensetzung hat wie die umgebenden Proteine. Dadurch wird das Gewebe vollständig durchsichtig. „Das ist ähnlich, wie wenn man Honig auf eine Strukturglasscheibe schmiert“, erklärt Ali Ertürk vom MPI. Die sonst undurchsichtige Scheibe wird glasklar, sobald der Honig die Strukturunebenheiten ausgeglichen hat. Im Rückenmarksgewebe sind es Wasser  Wasser und Proteine, die das Licht verschieden brechen. Die Emulsion gleicht den Unterschied aus.

Die einzelnen Nervenzellen werden nun farblich markiert, so dass ihr Verlauf von allen Seiten aus gut verfolgt werden kann. So können die Forscher zweifelsfrei feststellen, ob diese Nervenzellen nach einer Rückenmarksverletzung wieder ausgewachsen sind. Das Verfahren eröffnet auch neue Untersuchungsmethoden für andere Krankheitsbilder. Bradke zufolge kann so auch das System der Blutkapillaren dargestellt und analysiert werden. Auch die Einbettung eines Tumors in umgebendes Gewebe können die Forscher so nachvollziehen.

Schwieriges Forschungsfeld

Die Regeneration verletzter Nervenenden ist seit Jahren Gegenstand intensiver Forschung. Dabei werden verschiedenste Wege beschritten. Die Biotech-Firma Matricel entwickelt mithilfe von Biomaterialien künstliche Nervenleitschienen. Sie sollen den Nerven solange Geleit geben, bis sie wieder korrekt verwachsen sind (mehr...). Vor einem Jahr entdeckten Wissenschaftler um Bradke am MPI für Neurobiologie, dass das Chemotherapeutikum Paclitaxel, ein Gift aus der pazifischen Eibe,  das Nachwachsen verletzter Nervenenden unterstützt (mehr...). Mittlerweile ist klar, dass ganz unterschiedliche Faktoren für den Wachstumstopp der Nervenzellen nach einer Verletzung verantwortlich sind. So fanden die Wissenschaftler verschiedene Stoffe im Umfeld der verletzten Axone, die eine Art Haltesignal für ein erneutes Auswachsen darstellen. Das Zellskelett gerät in den verletzten Zellenden völlig durcheinander. Und nicht zuletzt erschwert das Narbengewebe der verletzten Zellen eine Regeneration.

© biotechnologie.de/ck

 

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