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Querschnittslähmung: Krebsmedikament eröffnet Weg für Nerven

Bei Rückenmarksverletzungen bildet das entstehende Narbengewebe eine Hürde für das erneute Auswachsen der Nervenzellen. Max-Planck-Forscher haben nun einen Weg gefunden, diese Zellmauer zu durchlöchern. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Bei Rückenmarksverletzungen bildet das entstehende Narbengewebe eine Hürde für das erneute Auswachsen der Nervenzellen. Max-Planck-Forscher haben nun einen Weg gefunden, diese Zellmauer zu durchlöchern. Quelle: Bradke/Hellal/MPI

28.01.2011  - 

Taxol wird in der Krebsmedizin eingesetzt, um das Wachstum von Tumorzellen zu stoppen. Doch nun könnte der Naturstoff eine zweite Karriere als Wachstumsermöglicher starten. Wie Münchener Neurobiologen mit Kollegen aus den USA und den Niederlanden entdeckt haben, unterstützt Taxol das Auswachsen von verletzten Nervenzellen im Rückenmark. Wie die Forscher im Fachjournal Science (2011, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, hilft das Chemotherapeutikum auch dabei, Löcher in das Narbengewebe zu treiben, das bislang bei Querschnittslähmungen eine komplette Heilung blockiert. Jetzt wollen die Forscher testen, ob sich das Taxol tatsächlich für den therapeutischen Einsatz bei Rückenmarksverletzungen eignet. 


 

Bisher ist die Diagnose auch ein lebenslanges Urteil: Querschnittslähmung – das ist meist die Folge, wenn Nervenstränge im Rückenmark stark gequetscht oder durchtrennt werden. Denn anders als bei verletzten Nervensträngen in Armen und Beinen wachsen Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark  nach einer Verletzung nicht wieder aus. Es wird intensiv daran geforscht, das zu ändern. Dabei werden verschiedenste Wege beschritten. Die Biotech-Firma Matricel entwickelt mithilfe von Biomaterialien künstliche Nervenleitschienen. Sie sollen den Nerven solange Geleit geben, bis sie wieder korrekt verwachsen sind (mehr...).

Seit vielen Jahren arbeiten Neurowissenschaftler auch daran, den Grund für die unterschiedliche Regenerationsfähigkeit von Nervenzellen zu verstehen. Mittlerweile ist klar, dass ganz unterschiedliche Faktoren für den Wachstumstopp der Nervenzellen verantwortlich sind. So fanden die Wissenschaftler verschiedene Stoffe im Umfeld der verletzten Nervenzellen, die eine Art Stoppsignal für ein erneutes Auswachsen darstellen. Doch auch das Zellskelett, bestehend aus kleinen Proteinröhrchen, den Mikrotubuli, gerät in den verletzten Zellenden völlig durcheinander. Dies verhindert ebenfalls ein erneutes Wachsen der Zellen. Deutlich erschwert wird eine Regeneration auch durch Narbengewebe, das wie eine Mauer zwischen die ehemaligen Anknüpfungsstellen des Nervenfortsatzes legt.

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Nervenzellen sollen Stoppsignale ignorieren

Am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried untersuchen Frank Bradke und sein Team die zellinternen Mechanismen, die für den Wachstumsstopp der Nervenzellen verantwortlich sind: "Wir wollen die Zellen dazu bringen, weiterzuwachsen und die 'Stoppzeichen' in ihrer Umgebung zu ignorieren." Dabei konzentrerten sich die Neurobiologen auf die Rolle der Mikrotubuli. Diese Proteinröhrchen sind an der Spitze einer auswachsenden Nervenzelle parallel angeordnet. Sie stabilisieren die wachsende Zelle und fördern ihr Wachstum, indem sie das Zellende aktiv vorwärts schieben. Ganz anders also als bei verletzten Nervenzellen des Zentralen Nervensystems. Mediziner stehen vor einer Herausforderung: Wie kann die Ordnung der Mikrotubuli in diesen Zellen behalten oder wiederhergestellt werden? Und wenn die Zellen einmal wachsen, wie können sie die Mauer aus Narbengewebe überwinden? Zusammen mit ihren Kollegen vom Kennedy Krieger Institut und der Universität Miami in den USA sowie von der Universität Utrecht in den Niederlanden fanden die Max-Planck-Forscher nun gleich für beide Probleme eine Lösung.

Bewährtes Krebsmedikament stützt Mikrotubuli

Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science (2011, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, fördert das unter dem Handelsnamen Taxol vertriebene Krebsmedikament die Regeneration verletzter ZNS-Nervenzellen auf zwei Arten: Taxol stabilisiert die Mikrotubuli, sodass ihre Ordnung bestehen bleibt und eine verletzte Nervenzelle wieder auswachsen kann. Zudem verhindert Taxol die Bildung eines hemmenden Stoffs im Narbengewebe. Zwar wird das Narbengewebe noch gebildet und kann seine Schutzfunktion übernehmen. Es ist jedoch schwächer ausgeprägt und für wachsende Nervenzellen deutlich einfacher zu überwinden. "Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein kleiner Durchbruch", so Bradke. Taxol ist der Handelsname für Paclitaxel. Die Substanz wird vom amerikanischen Pharmaunternehmen Bristol Myer Squibb im Werk in Deutschland in Pflanzenzellen hergestellt. Bis in die Neunziger Jahre wurde die Substanz aus der Rinde der wilden pazifischen Eibe gewonnen. Deren Rückgang brachte Umweltschützer auf den Plan.

Die neuentdeckte Wirkung von Taxol konnten die Forscher in Versuchen an Ratten bestätigen. Nach einer teilweisen Verletzung von Nervenzellen im Rückenmark wurde mit Hilfe einer kleinen Gewebepumpe die betroffene Stelle mit Taxol versorgt. Bereits nach einigen Wochen zeigten die Tiere eine deutliche Verbesserung in ihrem Laufverhalten. "Bisher haben wir die Wirkung von Taxol direkt nach einer Verletzung getestet", so Farida Hellal, die Erstautorin der Studie. "Als nächstes wollen wir untersuchen, ob Taxol seine Wirkung auf das Narbengewebe auch dann noch entfalten kann, wenn wir es mehrere Monate nach einer Verletzung hinzugeben."

Vielversprechender Weg für eine Regeneration 

Dass ein bereits zugelassenes Medikament diese Wirkung zeigt, hat verschiedene Vorteile, denn es ist bereits viel über das Verhalten von Taxol im menschlichen Körper bekannt. Da für die Behandlung von Rückenmarksverletzungen deutlich niedrigere Taxol-Mengen als bei der Krebstherapie benötigt werden und nur direkt an die Verletzungsstelle gegeben werden, sollten die Nebenwirkungen geringer ausfallen. "Wir befinden uns jedoch noch im Stadium der Grundlagenforschung und es müssen noch verschiedene Hürden und vorklinischen Tests durchlaufen werden", so Bradke. "Ich glaube aber, dass wir hier auf einem vielversprechenden Weg sind."

 

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