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iGEM-Wettbewerb: Drei deutsche Teams im Finale

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Die Herausforderung für Studierende beim iGEM-Wettbewerb: Aus standardisierten biologischen Komponenten funktionierende Systeme bauen. Quelle: iGEM Team TU München / youtube.de

05.10.2011  - 

Der iGEM-Wettbewerb hat sich zum größten Nachwuchstreffen der Synthetischen Biologie entwickelt. Dutzende von Studententeams stellen innovative biologische Konstruktionen vor und messen sich im großen Finale, das auch dieses Jahr wieder in der Nähe von Boston stattfinden wird. Zum Finale vom 5. bis zum 7. November in den USA werden auch drei deutsche Teams anreisen. Die Mannschaften der Universität Bielefeld, der Universität Potsdam und der  Technischen Universität München setzten sich beim europäischen Vorentscheid Anfang Oktober in Amsterdam mit ganz unterschiedlichen Ideen durch. Die Bandbreite der Projekte reicht von künstlichen Kniegelenken aus dem Drucker über einen Detektor für Umweltgifte bis hin zu neuartigen Wirkstoffen aus Meeresbakterien.



 

„Im Augenblick hat hier keiner Zeit für Vorlesungen“, sagt Jonas Aretz, der noch ein wenig heiser ist von einem ereignisreichen Wochenende. Am 1. und 2. Oktober waren Aretz und seine zehn Teamkollegen  nach Amsterdam gereist, um sich mit mehr als 40 anderen Studentenmannschaften aus ganz Europa zu messen. „Die Konkurrenz war ziemlich stark“, sagt Aretz. „Als wir die anderen Vorträge hörten, dachten wir: Oh Mann, ob das mal gut geht. Aber unser Projekt fanden wir natürlich toll.“ Die Jury offenbar auch. Die Bielefelder setzten sich durch und dürfen zusammen mit zwei weiteren Mannschaften aus Deutschland und 17 europäischen Mannschaften im November zum Finale ans Massachusetts Institute of Technology (MIT) im US-amerikanischen Cambridge reisen. Der iGEM-Wettbewerb widmet sich Themenstellungen aus der Synthetischen Biologie und wird seit 2004 jährlich vom MIT ausgerichtet. Im vergangenen Jahr hatten acht deutsche Teams teilgenommen (mehr...). Wegen der großen Zahl an Wettbewerbern wurden in diesem Jahr die Regionalausscheidungen als Vorstufe eingeführt.

Das iGEM-Team 2011 aus Bielefeld stellt sich und das Bisphenol A-Projekt vor.Quelle: iGEM Bielefeld / Youtube
BioBricks werden frei zugänglich zur Verfügung gestellt
Unter dem Dach der jungen Forschungsdisziplin der Synthetischen Biologie versammeln sich  inzwischen eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze. Prinzipiell geht es darum, genetische Bausteine nach ingenieurwissenschaftlichen Prinzipien zu handhaben – also mit ihnen gezielt bestimmte künstliche Biomoleküle, Zellen oder Mikroorganismen mit speziellen Eigenschaften zu konstruieren, die es in der Natur so nicht gibt. Die einzelnen Bauelemente nennen sich in der Sprache des iGEM Wettbewerbs BioBricks. Die Teams stellen die Bauanleitung für ihre BioBricks in einem frei zugänglichen Wiki zur Verfügung. Die BioBricks bilden die Grundlage des Projekts, mit denen die Teams im Wettbewerb antreten.

iGEM

Mehr Informationen zum großen Nachwuchswettbewerb der Synthetischen Biologie gibt es auf der iGEM-Website: hier klicken 


Aber nicht nur die wissenschaftlichen Ergebnisse, auch deren Vermittlung spielen bei der Auswahl des Gewinners eine große Rolle. So hat die Bielefelder Mannschaft einen launigen Videoclip produziert, in dem die einzelnen Mitglieder im Stil der amerikanischen Action-Fernsehserie als „A-Team“ vorgestellt werden.

Das iGEM-Team 2011 der TU München erklärt den Begriff Synthetische Biologie.Quelle: iGEM TU München / Youtube


Knochensubstanz aus dem Drucker
Auch das Team der TU München betont die Vermittlung ganz besonders. "Wir haben uns in diesem Jahr zum Ziel gesetzt, der Öffentlichkeit das Thema Synthetische Biologie nahezubringen", sagt Alexander Hogrebe von der Münchner Mannschaft. Zu diesem Zweck haben die Studenten unter anderem ein Knetfigurenvideo erstellt, das auf anschauliche Weise nicht nur Grundsätzliches zur Biotechnologie, sondern auch das eigene Projekt eines lichtkontrollierten 3D-Protein-Druckers präsentiert. "In einem dreidimensionalen Gelblock sind Bakterien eingeschlossen und werden mit zwei Lasern bestrahlt", so Hogrebe. "Nur dort, wo beide Laser - ein blauer und ein roter - die Zellen treffen, werden Proteine hergestellt." Noch geht es den Studenten darum, das Funktionsprinzip zu beweisen. Später sollen die Bakterien statt Farbmolekülen zum Beispiel Knochensubstanz "ausdrucken", meint Hogrebe. "Dann könnte zum Beispiel ein dreidimensionales Kniegelenk erstellt werden, das in der Medizin Verwendung findet."

In der 87. Folge von biotechnologie.tv geht es unter anderem um neueste Erkenntnisse aus der Synthetischen Biologie.Quelle: biotechnologie.tv

Auch bei den Bielefeldern spielt der Videoclip eine tragende Rolle. Der Buchstabe A ist dabei eine Anspielung auf das Projekt der Bielefelder. Sie wollen einen neuartigen und einfach handhabbaren Biosensor für das Umweltgift Bisphenol A erzeugen. Die Massenchemikalie wird unter anderem bei der industriellen Produktion von Polycarbonaten verwendet, die bei der Herstellung vieler Alltagsgegenstände zum Einsatz kommen Und das, obwohl die Substanz für Störungen in Fortpflanzung, Verhalten und körperlicher sowie geistiger Entwicklung von Säugetieren verantwortlich gemacht wird. Seit Juni 2011 ist der Verkauf von Babyfläschchen, die Bisphenol A enthalten, innerhalb der EU verboten.


Eine Nacht warten und der Bisphenol-Gehalt wird angezeigt

Mit ihrem Projekt wollen die Bielefelder Studenten dem Verbraucher zu mehr Sicherheit verhelfen. Die Idee: Ein einfacher Test soll anzeigen, ob beispielsweise eine Babyflasche Bisphenol A enthält oder nicht. Um das zu bewerkstelligen, haben die Bielefelder Methoden aus der synthetischen Biologie und der zellfreien Biotechnilogie zu einer Art Do-it-Yourself-Nanobiotechnologie verbunden. Ziel: kleinste Kügelchen für eine Testlösung herzustellen, die als Biosensor fungiert. Die Oberfläche der Kügelchen wird dabei mit einer netzartigen Proteinstruktur beschichtet, die von modifizierten Bakterienproduziert wird. Die Proteinschicht wiederum ist mit speziellen Enzymen gekoppelt, die als Biosensor und Chemikalien-Anzeiger dienen: Enthält die Flasche Bisphenol A, verfärben sich die Enzyme. Da im ganzen Herstellungsprozess keine lebenden Zellen verwendet werden, muss das System auch nicht aufwändig unter Laborbedingungen unterhalten werden. Für den Verbraucher wäre eine solche Methode sehr leicht zu bedienen: Man muss die Testlösung einfach in die zu überprüfende Flasche füllen, eine Nacht warten und kann am nächsten Morgen an der Farbe der Lösung mit bloßem Auge erkennen, ob tatsächlich Bisphenol A enthalten ist oder nicht.
Aus Sicht der Studenten könnte das zugrundeliegende System als Basis für die Entwicklung einer ganzen Reihe von weiteren zellfreien Biosensoren dienen. Durch die Kopplung der Kügelchen mit verschiedensten Enzymen sind Anwendungen des Sensors in der Biologie, der Medizin sowie in der Umwelttechnik denkbar. Und um diese Anwendungen geht es derzeit in der letzten Phase des Projekts, so Aretz. „In den drei Wochen, die uns noch bis zum Wettbewerb verbleiben, wollen mir mit unseren Sponsorenunternehmen wie Merck, Evonik, Promega und Bio-Circle über mögliche Anwendungen sprechen.“

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Zyklische Peptide aus dem Meer könnten krankmachende Eiweiße hemmen
Das Team Bioware Potsdam hat es ebenfalls in die Endrunde geschafft. Wie die Kollegen aus München widmen sie sich einem Thema der roten Biotechnologie, wie der Sprecher der Gruppe, Stefan Wahlefeld, informiert:  „Wir möchten kurze zyklische Peptide so modifizieren, dass sie gegen Eiweiße wirksam sind, die für das Auslösen von Krankheiten zuständig sind.“ Ursprünglich stammen die Peptide aus Cyanobakterien, die im Meer vorkommen. Sie wurden erste vor kurzem entdeckt. „Die Anwendungsmöglichkeiten derartiger zyklischer Peptide bleiben noch weitgehend ungenutzt, da passende genetische Systeme nicht hinreichend etabliert sind“, so Wahlefeld. Die Studenten wollen in E.coli-Bakterien verschiedenen Varianten dieser Peptide produzieren und die vielversprechendsten Kandidaten dann für weitere Tests auswählen. Wie seine etablierten Forscherkollegen auch versucht Wahlfeld allzu hohe Erwartungen aber gleich im Vorfeld zu dämpfen. „Dass aus unserer Arbeit einmal eine neuartige Therapie ist zwar denkbar, aber das liegt noch in weiter Ferne.“ Den Studenten geht es bei ihrem Einsatz, der auch immer wieder einmal Nachtschichten erfordert, aber nicht um das große Geld in der Wirtschaft., „Das macht einfach viel Spaß“, sagt Jonas Aretz, der schon 2010 für Bielefeld antrat. „Es ist von Anfang bis Ende unser Ding. Unsere Betreuer unterstützen uns zwar, aber wir sind völlig frei, indem was wir machen.“ Bei den Wettbewerben komme man zudem mit vielen interessanten Studenten aus den verschiedensten Ländern zusammen, die man sonst wohl nie treffen würde: „Wer diese Chance bekommt, sollte sie nutzen.“

Finanzierung der Reisekosten nicht bei allen Teams gesichert
Allerdings herrscht nicht bei allen uneingeschränkte Freude über den Einzug ins Finale. "Wir haben uns immens über die Entscheidung gefreut, aber zugleich gewusst: Jetzt geht die Arbeit erst richtig los - vor allem was die Finanzierung unserer Reisekosten betrifft", berichtet Tobias Neudegger vom Team der TU München. Bislang nämlich weiß von den Studenten niemand, wie die Reisekosten in Höhe von insgesamt 15.000 Euro für 18köpfige Team bezahlt werden soll. "Bis jetzt könnte eigentlich nur einer fahren, was natürlich nicht geht. Vermutlich müssen wir mit einer reduzierten Mannschaft in die USA reisen", befürchtet Neudegger. Noch besteht die Hoffnung, dass die TU München Geld zur Verfügung stellt - und auch unzählige Biotech-Firmen sollen noch einmal angesprochen werden. "Die Resonanz war bisher leider nicht sehr erfolgreich", so der Student. Langfristig soll deshalb ein anderes Modell zum Tragen kommen: Crowdfunding.

Über eine Webseite können sich bei diesem Modell Personen jeder Art per Click-and-Buy-Systeman der Finanzierung von Projekten beteiligen. Die Idee dahinter ist einfach: Selbst wenn nur der einzelne nur kleine Summen spendet, könnte am Ende genügend Geld zusammenkommen. Was auf anderen Gebieten längst üblich ist, trägt inzwischen bereits zur Finanzierung von Forschungsprojekten bei. "In Großbritannien gibt es das bereits, und für die iGEM-Teams wäre das natürlich auch ein gangbarer Weg", sagt Neudegger. Langfristig können sich die Studenten hier eine europaweite Webseite vorstellen, mit der iGEM-Teams für ihre Finanzierung werben können. Für das nächste Jahr wollen sie ein solches Projekt auf die Beine stellen. Was sich kurzfristig für dieses Jahr ergeben wird, das werden die nächsten Tage zeigen.

© biotechnologie.de/cm+sw

 

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