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Jörg Hackermüller: RNA ins Rampenlicht

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Jörg Hackermüller klärt als Bioinformatiker am UFZ in Leipzig die Rolle der RNA bei Tumoren auf. Quelle: Klaus-Dieter Sonntag

31.08.2011  - 

Seit Anfang 2011 leitet der Bioinformatiker Jörg Hackermüller eine Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe in Leipzig. Gemeinsam mit seinem Team untersucht er, welche Rolle die RNA bei der Entstehung umweltbedingter Erkrankungen spielt. Erst in den vergangenen Jahren haben Forscher die Bedeutung der RNA erkannt. Sie dient nicht nur als Blaupause der Gene für die Proteinproduktion. Vielmehr steuert sie auch die Aktivität einzelner Gene und ist so an der Regulierung vieler Zellprozesse beteiligt. Über diese zusätzlichen Aufgaben der RNA ist noch vergleichsweise wenig bekannt. Das wollen Hackermüller und sein Team ändern.

Lange herrschte in der Molekularbiologie die Ansicht: Die RNA ist vornehmlich damit beschäftigt, die in der Doppelhelix der DNA gespeicherten Informationen als Bauplan für die Produktion der Proteine zur Verfügung zu stellen. "Sie galt als kurzlebiges braves Arbeitstier, das in den Zellen Informationen umherschleppt", so Jörg Hackermüller. Doch dieses Bild wird der Rolle der RNA nicht gerecht. Das internationale Projekt „Enzyklopädie der DNA-Elemente“ (ENCODE), an dem auch Hackermüller beteiligt war, lieferte 2007 spannende Ergebnisse: „Gerade einmal 1,5 Prozent des menschlichen Erbguts wird in Proteine umgesetzt. Trotzdem wird mehr als 90 Prozent der DNA in RNA umgeschrieben“, berichtet Hackermüller. Die Presse habe das damals als den „Urknall für Biologen“ beschrieben.

Was aussieht wie ein orientalischer Teppich, ist das Arbeitszeug von Jörg Hackermüller. Jeder Farbfleck im Array repräsentierte eine bestimmte ncRNA. Höhere Konzentrationen werden durch rote Farbflecke dargestellt. Niedrigere durch grüne.Lightbox-Link
Was aussieht wie ein orientalischer Teppich, ist das Arbeitszeug von Jörg Hackermüller. Jeder Farbfleck im Array repräsentierte eine bestimmte ncRNA. Höhere Konzentrationen werden durch rote Farbflecke dargestellt. Niedrigere durch grüne.Quelle: Hackermüller

Wozu aber dienen die ganzen RNA-Moleküle, die nicht am Aufbau von Proteinen beteiligt sind? Eine mögliche Antwort auf diese Frage kristallisierte sich erst in den vergangenen Jahren heraus: „Während die Anzahl proteinkodierender Gene über viele Spezies hinweg etwa gleich bleibt, nimmt der Anteil nicht kodierender Sequenzen in Tiergenomen stark mit der Komplexität des Organismus zu“, so der Helmholtz-Forscher. Das deute auf eine Rolle von nicht kodierenden Elementen in der Evolution von Komplexität hin. Indem die RNA die Aktivität von Genen beeinflusst, kann sie das Verhalten von Zellen steuern. In der Wissenschaft wird der Umstand, dass die Proteine nicht alles steuern können zunehmend anerkannt, berichtet Hackermüller. Und muss dann doch etwas einschränken: „Ein vollständiges Umdenken hat sich aber noch nicht durchgesetzt – auch wenn es immer mehr Gruppen gibt, die sich mit der RNA beschäftigen“.

Eine davon ist die Anfang 2011 gegründete Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ und der Universität Leipzig, deren Leiter Jörg Hackermüller ist. In den nächsten fünf Jahren fördern die Helmholtz-Gemeinschaft und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung die Arbeiten seiner Gruppe mit jährlich 250.000 Euro.

Nach seiner Arbeit als Doktorand an den renommierten Novartis Institutes for Biomedical Research in Wien wechselte Hackermüller nach Leipzig. Zunächst arbeitete er am dortigen Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie. Anfang 2011 übernahm er schließlich die Nachwuchsgruppe. „Für mich war seit jeher klar, dass ich mich naturwissenschaftlich mit Lebewesen auseinandersetzen wollte“, sagt Hackermüller. Dass er schließlich auch einen bioinformatischen Schwerpunkt gewählt hat, ergab sich eher zufällig. „In Wien gab es damals – und gibt es noch heute – eine sehr spannende Arbeitsgruppe  um die Professoren Peter Schuster, Ivo Hofacker und Peter Stadler, die zur Bioinformatik der RNA forscht“, sagt der 35-Jährige.

Österreich und Sachsen: Zwei Sprachwelten

Den Wechsel von Österreich nach Sachsen hat er trotzdem nie bereut. „Das war eine kontinuierliche Entwicklung hin zu einer immer stärker grundlagenorientiertern Forschung“, erklärt Hackermüller. In Leipzig angekommen, musste sich der gebürtige Österreicher trotzdem erst einmal umstellen: „Das fängt bei der Sprache an, wo man es am wenigsten erwarten würde“. Das Vokabular sei einfach anders. Auch wie direkt man sich seinem Gegenüber mitteile, unterscheide sich in den beiden Ländern.

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In Leipzig forscht Hackermüller an den unterschiedlichen Typen von nicht-codierender RNA. Gerade für die längeren nicht-proteinkodierenden RNAs (ncRNAs) erscheint die Lage verzwickt. Im Gegensatz zu ihren kurzen Verwandten, den microRNAs, sind sie in Aufbau und Struktur sehr divers. Deswegen lassen sie sich nicht so einfach analysieren und vorhersagen. „Einen gemeinsamen Nenner, wie es ihn bei den microRNAs gibt, kennen wir für die langen ncRNAs nicht.“ Erste Analysen zeigen jedoch, dass in jeder Zelle zwar rein theoretisch nahezu alle Bereiche des Genoms abgelesen werden könnten. Tatsächlich aber wird in unterschiedlichen Zelltypen jeweils nur ein geringer Anteil des Erbguts gleichzeitig exprimiert. Gerade viele der ncRNAs scheinen dabei je nach Zelltyp unterschiedlich vorzukommen. Offenbar spielen sie für die unterschiedlichsten Regulationsvorgänge eine Rolle. „Es ist wenig überraschend, dass bereits eine beachtliche Anzahl verschiedener krankheits- und insbesondere tumorassoziierter ncRNAs identifiziert werden konnte“, sagt Bioinformatiker Hackermüller.

Zentrale Signalwege des Tumors blockieren

Das Team um Hackermüller hat untersucht, welche RNA-Abschnitte in gesunden und entarteten Prostatazellen gebildet werden. „Wir haben drei microRNAs identifziert, die in gesunden Prostataepithelzellen häufig gebildet werden, die aber in den Tumorzellen verloren gehen.“ Auch die Funktion dieser microRNAs konnten die Forscher aufklären: „Wenn wir die microRNAs in die Tumorzellen wieder zurückbringen, überleben viele dieser Zellen das nicht“, so Hackermüller. Die Anzahl der Zellen im Tumor sinke, weil in vielen Zellen der programmierte Zelltod ausgelöst oder der Zellzyklus angehalten wird. „Letzten Endes konnten wir zeigen, dass das dadurch funktioniert, dass ganz zentrale Signalwege des Karzinoms blockiert werden.“

Ein Grund für die guten Forschungsergebnisse in seiner Gruppe, sieht Hackermüller in der engen Verzahnung von bioinformatischen und experimentellen Arbeiten. „Es gibt nur wenige, die wirklich beides können.“, räumt der Bioinformatiker ein. Um so wichtiger ist ihm die Lehre. So lassen sich Studenten schon früh für die eigene Fachrichtung begeistern. Darüber hinaus habe die Lehrtätigkeit aber auch einen selbstdisziplinierenden Effekt: „Man muss sich immer wieder auf andere Weise über das eigene Fach Gedanken machen.“ Das helfe dabei , auch einmal einen Schritt zurückzutreten und die eigene Forschung in einen größeren Gesamtzusammenhang einzuordnen.


© biotechnologie.de/bk

 

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