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Mit Bakterienbefall den Krebs besiegen

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Die biotechnologisch modifizierten Bakterien lagern sich gezielt im Tumor ab und verdrängen die Krebszellen. Quelle: Manfred Rohde/HZI

10.08.2011  - 

Ein deutsches Forscherteam arbeitet an einer neuen Therapiestrategie für Krebserkrankungen. Indem gezielt modifizierte Krankheitserreger verabreicht werden, soll das Immunsystem wie bei einer Impfung aktiviert werden. Bestimmte Botenstoffe der Erreger sollen dabei Immunzellen gezielt an den Ort des Tumors locken. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt aus der GenoMik-Transfer-Initiative mit etwa 1,2 Millionen Euro.

Da wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben – dieser Eindruck könnte beim Lesen der Projektskizze entstehen. Forscher um Siegfried Weiss, dem Leiter der Arbeitsgruppe Molekularen Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, wollen Krebspatienten durch die Gabe von krankmachenden Keimen heilen. „Es ist seit langem bekannt, dass viele unter Luftabschluss lebende Bakterien Tumoren besiedeln, sich dort vermehren und das Geschwulst zum Absterben bringen“, sagt Weiss im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau.

GenoMik-Transfer

GenoMik-Transfer ist ein vom BMBF gefördertes Forschungsprogramm, das im Herbst 2009 gestartet ist. Schwerpunkt der Initiative ist die anwendungsorientierte Forschung an Mikroorganismen.

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Gemeinsam mit Kollegen von den Universitäten in Dresden und Magdeburg und der hessischen Symbio Gruppe GmbH & Co. KG aus Herborn entwickelt Weiss dazu eine altbekannte Methode weiter. Bereits vor mehr als hundert Jahren hatten Ärzte versucht, Krebserkrankungen mithilfe von Bakterien zu heilen. Bis in die fünfziger Jahre wurde die sogenannte Krebsimmuntherapie immer weiter verfeinert und erzielte eine durchaus beachtliche Heilungsquote von zehn Prozent. Erst als dann nach dem zweiten Weltkrieg die Strahlenbehandlung und die Chemotherapie mit Zellgiften entwickelt wurden, geriet die Methode in Vergessenheit.

Inzwischen wissen die Mediziner recht genau, wie die Krebsimmuntherapie auf molekularer Ebene funktioniert: Weil sich die Krebsgeschwulst nach einiger Zeit von dem umgebenden Gewebe abkapselt, sinkt dort der Sauerstoffgehalt. Für bestimmte Bakterien, die nur unter Luftabschluss gedeihen können, bieten Tumore daher tatsächlich ideale Umgebungsbedingungen. Sie gedeihen ohne Sauerstoffe so gut, dass sie die Krebszellen verdrängen. Die Forscher um Weiss wollen für Ihre Zwecke zunächst Bakterien vom Typ Escherichia coli nutzen. Damit sich aus der Bakterientherapie aber nicht eine lebensgefährliche Infektion entwickelt, müssen die Colibakterien zunächst mittels Biotechnologie entschärft werden. "Unser Ziel ist, mit Hilfe der Gentechnik eine anwendungssichere und schonende Therapie gegen Darmkrebs zu entwickeln", sagt Weiss.

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Die vier Partner haben sich im „Verbundprojekt PROTumor – modifizierte probiotische Bakterien für die Behandlung solider Tumore“ zusammengefunden. Das BMBF unterstützt die Forschungsarbeiten im Rahmen der GenoMik-Initative bis Ende Januar 2013 mit etwa 1,2 Millionen Euro.

Die geplante Herangehensweise der Mediziner: In den Bakterien werden zunächst die Genregionen blockiert, die für die Bildung von Giftstoffen verantwortlich sind. Der Vermehrung der Keime tut dies offenbar keinen Abbruch, sie teilen sich noch immer so schnell, dass die Krebszellen im Tumorgewebe verdrängt werden. „Sie zerstören die Krebszellen zum einen bereits dadurch, indem sie sich im Tumor vermehren“, sagt Weiss. Das allein reiche aber noch nicht aus, um den Krebs besiegen. „Es spricht einiges für die Vermutung, dass die Erreger zudem eine starke Immunreaktion auslösen, so dass die körpereigene Abwehr gegen den Tumor vorgeht.“

 

Bakterien des Typs Escherichia coli könnten helfen, das Immunsystem gegen Tumore in Stellung zu bringen.Lightbox-Link
Bakterien des Typs Escherichia coli könnten helfen, das Immunsystem gegen Tumore in Stellung zu bringen.Quelle: Rocky Mountain Laboratories, NIAID, NIH

Wie genau die Erreger die Immunzellen gegen den Krebs in Stellung bringen, das hat Weiss im Tierversuch getestet. Dafür spritzte er Bakterien des Typs Salmonella typhimurium Mäusen direkt in die Blutbahn. Die Immunabwehr der kleinen Nager reagiert sofort auf die Bedrohung. Aktivierte Freßzellen sondern den Botenstoff Tumornekrosefaktor (TNF) ab. Der sorgt unter anderem dafür, dass Gefäßwände durchlässiger werden. „Der ausgeschüttete Tumornekrosefaktor bewirkt, dass die Abwehrzellen schnell in den Krebsherd eindringen können“, erklärt Weiss. Das hat jedoch seinen Preis: TNF dient dem Körper zugleich als Alarmsignal und löst eine Entzündungsreaktion aus. Fällt die zu stark aus, kann es zu lebensgefährlichen Nebenwirkungen kommen. Deswegen ist es auch so wichtig, die Erreger gentechnisch so zu modifizieren, dass sie keine zusätzlichen Schäden, etwa durch Giftstoffe verursachen. Die am Projekt beteiligte Symbio Gruppe konzentriert sich daher auf die Entwicklung der richtigen Anwendungsprotokolle. Wie müssen Bakterien gelagert, wie verabreicht werden? Welche weiteren Behandlungen braucht der Patient? All diese Fragen gilt es noch zu klären. Bis die Krebsimmuntherapie wieder Einzug in den klinischen Alltag hält, dürften daher noch einige Jahre vergehen.


 

Autor: Bernd Kaltwaßer

 

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