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Bioingenieure basteln Befruchtungskapseln für Kühe

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Bioingenieure von der ETH Zürich haben ein intelligentes System entwickelt, das Bullenspermien genau dann freisetzt, wenn Kühe ihren Eisprung haben. Quelle: Deutsches Hygiene-Museum

12.04.2011  - 

Die öffentliche Diskussion über das Trendfach „Synthetische Biologie“ konzentriert sich meist auf die Schaffung künstlichen Lebens aus der Retorte. Doch das Gros der Forscher treibt etwas anderes um: Sie wollen Zellen genetisch in der Manier von Ingenieuren umbauen, mit neuen genetischen Schaltkreisen ausstatten und sie zu Leistungen bringen, die in der Natur bisher so nicht vorkommen. Bei einer Diskussionsveranstaltung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) am 12. April sprachen Experten darüber, wie weit die Lebenswissenschaften auf dem Weg zu einer Ingenieurswissenschaft derzeit sind. Der Schweizer Forscher Martin Fussenegger stellte vor, wie neuartige Biokonstrukte dabei helfen könnten, künftig Kühe gezielter zu befruchten. Der Bioethiker Friedrich Gethmann hingegen machte deutlich, warum er den Begriff Synthetische Biologie für irreführend hält.

„Wird die Lebenswissenschaft zur Ingenieurskunst ?“ lautete der Untertitel zu der Abendveranstaltung, zu der die BBAW gemeinsam mit dem Berliner Tagesspiegel geladen hatte. Die von dem Wissenschaftsjournalisten Kai Kupferschmidt  moderierte Expertenrunde ging dabei besonders der Frage nach, wie weit Biowissenschaftler bereits jetzt schon dabei sind, die Vision der Synthetischen Biologie auch tatsächlich in nützliche Anwendungen umzusetzen. Etwa 100 Zuhörer verfolgten die Diskussion.

Wie können Zellen umprogrammiert werden und mit neuen Eigenschaften ausgestattet werden? In dieser Kreidezeit erklären wir, was sich hinter dem Begriff "Synthetische Biologie" verbirgt.Quelle: biotechnologie.deDer Biotechnologe Martin Fussenegger von der ETH Zürich stellte in einem Vortrag einen bunten Strauß an Bioingenieursprojekten aus seinem Labor vor. Eingängigstes Beispiel:  Eine Art intelligente Befruchtungskapsel, mit der künftig Kühe im Stall besamt werden sollen. „Bis heute werden Kühe im Stall auf Verdacht besamt, der Zeitpunkt des Eisprungs ist meist unklar“, sagt Fussenegger. Genau hier soll die Hightech-Befruchtungskapsel der Eidgenossen nun Abhilfe schaffen. Sie besteht aus einer Hülle aus Cellulosesulfat, die eine Portion Bullensperma einschließt. Der Clou: In die Kapsel haben die Bioingenieure noch einen genetischen Schaltkreis eingebaut, der die Konzentration des Eisprung-Hormons LH in der Kuh messen kann. Übersteigt das Hormon einen bestimmten Wert, so kurbelt das Genkonstrukt die Produktion von molekularen Scheren (Cellulasen) an, die Löcher in die Kapselhülle reißen. Die Spermien kommen dadurch frei und können die Eizelle zum optimalen Zeitpunkt befruchten.

Befruchtungskapseln werden an Kühen erprobt

Im Reagenzglas hat das System schon gefruchtet. „Hier zeige ich ihnen ein Foto der ersten Kuh-Embryos, die mithilfe von Synthetischer Biologie gezeugt wurden“, so Fussenegger in Berlin. Derzeit erproben die Forscher im Kanton Freiburg ihre Befruchtungskapseln in leibhaftigen Kühen. Fusseneggers Team tüftelt noch an weiteren genetischen Schaltkreisen für medizinische Anwendungen. Sie sollen zum Beispiel für die Feinjustierung von Wirkstoff-Konzentrationen im Körper von Diabetes oder Gicht-Patienten eingesetzt werden.

Die anschließende Podiumsdiskussion in Berlin drehte sich vor allem um die Frage, wie neu das Konzept der Synthetischen Biologie tatsächlich ist.

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Für den Biotechnologen Alfred Pühler von der Universität Bielefeld ist die Disziplin die logische Fortführung der Molekularen Biologie. Auch Martin Fussenegger betonte, dank etablierter Technologien wie der Genomik und der Proteomik sei die Biologie „reif für den Übergang von der Grundlagenforschung in die Ingenieurswissenschaft, und zwar über die Grenzen der Fächer hinaus“. Er machte allerdings auch klar, wie komplex das Neukombinieren biologischer Bausteine sei. „Viele denken, dass es wie beim Bauen eines Autos funktioniert, doch bei der Präzision sind wir noch lange nicht so weit“, so der Schweizer Biotechnologe.

Das größte molekulare Plagiat der Welt

Der Philosophie-Professor Friedrich Gethmann von der Europäischen Akademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler hält den Begriff Synthetische Biologie indes für irreführend. „Er ist der synthetischen Chemie entlehnt, und suggeriert eine falsche Kreativität dieser Disziplin, die bei vielen Menschen Unbehagen auslöst“, sagte er. Gethmann spricht deshalb lieber von „konstruktiver Biologie“, die sich in der Natur bereits vorkommender Bausteine bedient, um sie auf neue Weise zu kombinieren. Viele Forscher, insbesondere aus den USA hätten den Begriff für seinen Geschmack viel zu schnell popularisiert, garniert mit reichlich Science Fiction, um an Fördergelder zu kommen. Gemeint war damit unter anderem der schillernde US-Genpionier Craig Venter, der vor einem Jahr für Schlagzeilen sorgte, nachdem er das natürliche Genom einer Bakterienzelle durch eine künstlich nachgebaute Version ersetzt hatte (mehr...). Die Diskutanten betonten einmütig, es habe sich hier keineswegs um die Erzeugung künstlichen Lebens gehandelt. „Es war vielmehr das größte molekulare Plagiat, das jemals geschaffen wurde“, resümierte Fussenegger.

© biotechnologie.de/pg

 

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