Forscher katalogisieren die Regisseure des Genoms
06.01.2011 -
Auf dem Weg, zu verstehen, wie das Genom funktioniert, haben internationale Forscherteams einen weiteren Meilenstein erreicht. In bisher unerreichtem Detail ist es dem modENCODE- Konsortium gelungen, das Erbgut der Modellorganismen Taufliege Drosophila melanogaster und des Fadenwurms C. elegans nach Steuerelementen abzusuchen. Diese regulatorischen Schalter entscheiden darüber, wann bestimmte Gene im vielstimmigen Konzert der Entwicklung an– oder ausgeschaltet werden. Wie unter anderen auch deutsche Forscher in Science (1,2) und Nature (3,4) berichten, zeichnet die aufwendige Datenanalyse ein genaueres Bild von genetischen und epigenetischen Prozessen im Erbgut. Der Katalog der Steuerelemente gibt Forschern eine Art Grammatik an die Hand, mit der sich auch das menschliche Genom besser deuten lässt.
Einmal mehr haben zwei beliebte Modellorganismen den Molekularbiologen geholfen, neue Maßstäbe in der Genomanalyse zu setzen: Die Taufliege Drosophila melanogaster und der Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Der Wurm war 1998 der erste Vielzeller, dessen Erbgut vollständig entziffert wurde. Schon zwei Jahre später wurde die Genomsequenz der Taufliege veröffentlicht. Als schwieriger hat es sich allerdings erwiesen, die Abfolge der DNA-Bausteine richtig zu deuten. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die komplexen Steuervorgänge, die im Erbgut ablaufen, sind sogenannte funktionale Elemente. Diese Abschnitte sind so etwas wie molekulare Regisseure und sind quer über das Genom verteilt.
modENCODE |
Das Mammutprojekt modENCODE ging 2007 an den Start. Auf der Website des Konsortiums gibt es ausführliche Informationen. |
Es gibt mehrere Arten von funktionalen Elementen. Entweder enthalten sie die Bauanleitung für spezielle RNA-Moleküle, die in verschiedenen Phasen der Entwicklung auf den Plan treten. Oder aber sie bilden Andockstellen für wichtige Proteine oder chemische Anhängsel, die die Genaktivität kontrollieren. Neue Technologien in der Genomforschung und in der Systembiologie haben die Erforschung der Steuerelemente im Erbgut rasant beschleunigt. Das Zusammenführen dieser Daten hat insgesamt den Blick auf das Genom deutlich geschärft.
Deutsche Wurm-Forscher beteiligt
Das internationale Konsortium modENCODE (Model Organism ENCyclopedia Of DNA Elements) war 2007 angetreten, um diese Arbeiten systematisch voranzutreiben. Das Ziel des Mammutvorhabens: Möglichst sämtliche Steuerelemente in den Genomen der Taufliege und des Fadenwurms aufspüren und in einem Katalog zu erfassen. 2007 hatte bereits das „Schwester“-Konsortium namens ENCODE erste Ergebnisse für das menschliche Genom vorgestellt (mehr...). Dem modENCODE-Konsortium gehören auch Forscher aus deutschen Forschungsinstituten an. So waren an der Analyse des C.elegans -Erbguts Molekularbiologen aus Tübingen, Dresden, Heidelberg und Berlin beteiligt. Nun haben die Teams, verteilt auf mehrere Fachartikel in mehreren Magazinen, ihr umfangreiches Katalogwerk vorgelegt. In dem Riesenprojekt haben die Forscher knapp tausend Genaktivitäts-Datensätze von Fliege und Wurm statistisch und experimentell ausgewertet. Um den „regulatorischen Code“ zu knacken, wurden zusätzlich verschiedene chemische Markierungen an DNA und den sie umgebenden Histon-Proteinen vermessen.
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Tausende neue Gene zutage gefördert
Die Suche war ergiebig: Allein im Drosophila-Genom haben die Forscher mehr als 100.000 neue regulatorische Elemente identifiziert. Zudem förderten die Analysen auch jeweils knapp 1000 neue Gene bei Fliege und Wurm zutage. „Das ist eine unheimlich ergiebige Arbeit“, sagte der Wurm-Forscher David Fitch von der New York University dem Fachmagazin The Scientist. „Bisher gab es nur einen groben Plan des Genoms von C.elegans. Nun haben wir eine Genomkarte so detailliert wie Google Maps“, betonte der Entwicklungsbiologe, der nicht an den Studien beteiligt war.
Für Elise Feingold vom National Human Genome Research Institute liefern die neuen Daten den Genomexperten eine verbesserte Grammatik an die Hand: „Die Ergebnisse vom modENCODE ermöglichen es Forschern, Genomsequenzen zu lesen. Wir kommen weg von einer bloßen Abfolge von Buchstaben hin zum Abgrenzen von Wörtern und Satzzeichen.“ Nach Ansicht der Forscher schärft der vorgelegte Steuerelemente-Katalog aus Fliege und Wurm auch den Blick auf die Funktionsweise des menschlichen Genoms. Biomediziner erhoffen sich beispielsweise Erkenntnisse über die Ursache und Vererbung von Krankheiten. Im Zeitalter der "personalisierten Medizin“ helfe das Wissen um die Regisseure des Genoms zudem dabei, präzisere Diagnosen und auf den Patienten maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln.