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Jubiläum: Zehn Jahre Humangenom

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3 Milliarden Basenpaare umfasst das menschliche Erbgut. Vor zehn Jahren wurde eine erste grobe Karte des Humangenoms veröffentlicht. Quelle: Jonathan Bailey/NIHGRI

Der 26. Juni 2000 markiert einen Meilenstein in der Humangenom-Forschung. Vor nunmehr zehn Jahren legte der US-Unternehmer Craig Venter gemeinsam mit seinem staatlich geförderten Konkurrenten Francis Collins eine Rohversion des entschlüsselten menschlichen Genoms vor. Seither hat das menschliche Erbgut die Biomedizin enorm beschleunigt, auch wenn viele der hochgesteckten medizinischen Ziele von damals  bislang nicht erreicht wurden. Durch das Humangenom wurde jedoch die Technik der Sequenzierung in kürzester Zeit revolutioniert. Dieser enorme Fortschritt lässt nun die einstigen Hoffnungen deutlich realistischer erscheinen. Dabei zeichnet sich ein Wandel hin zu individuellen Therapien ab - durch die immer engere Verknüpfung von Diagnostik und Medikament, die für den Patienten maßgeschneiderte Behandlungen ermöglichen.

Das Wettrennen um die erste Genom-Sequenz



Der 26. Juni 2000 markiert ein historisches Datum in der Genomforschung:  US-Präsident Bill Clinton hatte die beiden Forscher Craig Venter und Francis Collins eigens in den East Room des Weißen Hauses geladen. Seite an Seite verkündeten die beiden Rivalen einen Erfolg: Die erste Entzifferung des menschlichen Erbguts war geschafft. Zwar handelte es sich seinerzeit noch um eine grobe und lückenhafte Karte der Abfolge der insgesamt drei Milliarden Bausteine der menschlichen DNA, darüber hinaus erfolgte die offizielle Veröffentlichung der Daten im wissenschaftlichen Fachmagazin erst im Februar 2001. Dennoch frohlockte der US-Präsident: „Ohne Zweifel halten wir hiermit die wichtigste und wundervollste Karte in den Händen, die Menschen jemals erstellt haben. Die Genomwissenschaft wird die Diagnose, Prävention und die Behandlung der meisten, wenn nicht aller menschlichen Krankheiten revolutionieren.“

Konkurrenz von öffentlichen und privaten Teams

Die Welt feierte den vorläufigen Abschluss eines jahrelangen Wettlaufs um die erste komplette Entzifferung der menschlichen Erbinformation, der die Humangenetiker in Atem gehalten hatte und bislang noch bei keinem Wissenschaftsprojekt so ausgeprägt war. Alles begann mit der  Gründung der Humanen Genomorganisation (HUGO) im Jahr 1990 in den USA. Damit hatte das bis dato größte Forschungsprojekt der Welt seinen Anfang genommen. Unter der Leitung des Entdeckers der DNA-Struktur, James Watson – nach Streitigkeiten übernahm später der ebenfalls berühmte Genetiker Francis Collins –, wollte ein öffentlich finanzierter Verbund von 1000 Forschern aus 40 Ländern bis zum Jahr 2005 die Abfolge der drei Milliarden Basen des menschlichen Genoms entziffern und alle Daten innerhalb von 24 Stunden in eine für alle zugängliche Datenbank einspeisen. Schon kurz nach dem Start kam es aber zum Eklat über die Patentierung von Genen. Aus diesem Grund verließ 1992 der US-Genetiker Craig Venter HUGO, gründete sein eigenes Forschungsinstitut, später seine eigene Firma Celera Genomics und sein kommerzielles Sequenzierungsprojekt.

Das Fachmagazin "Nature" widmete der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Februar 2001 eine umfangreiche Sonderausgabe.Lightbox-Link
Das Fachmagazin "Nature" widmete der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Februar 2001 eine umfangreiche Sonderausgabe.Quelle: Nature

Schrottschuss-Methode versus Chromosomenkarte

Damit begann ein noch nie dagewesenes Wettrennen zwischen privater und öffentlicher Forschung. Venter verfolgte bei Celera einen neuen methodischen Ansatz, die sogenannte Schrotschuss-Methode (whole-genome shot-gun sequencing). Dabei wurde das menschliche Genom zunächst wahllos in winzige Bruchstücke zerlegt. Die genetische Buchstabenfolge in diesem Mix kleiner, sich überlappender Abschnitte konnte dann von Sequenziermaschinen abgelesen werden. Leistungsstarke Rechner und Computerprogramme puzzelten die entzifferten Abschnitte danach rasch wieder zu einer sinnvollen Abfolge zusammen. Gleichwohl war man hier zunächst gezwungen, auf die öffentlich zugänglichen Chromosomenkarten des Humangenomprojektes (HGP) zurückgreifen, um die Sequenzdaten zu ordnen. Was Ende der 1990er Jahre noch als umstrittene Pioniertat galt, hat sich jedoch heute längst zum Standardverfahren in der Genomforschung entwickelt.

Das öffentliche Humangenom-Projekt (HGP) hingegen setzte auf die bis dato traditionelle Strategie, das menschliche Erbgut schrittweise in große DNA-Fragmente aufzuteilen. Diese wurden Stück für Stück entschlüsselt, und die herausgelesene Information dann exakt in einer Chromosomen-Karte zusammengetragen (map-based cloning). Diese Informationen wurden umgehend in frei zugänglichen Datenbanken veröffentlicht. Insgesamt war das HGP-Vorgehen ein zeitraubendes und kostspieliges Verfahren, das aber als das Zuverlässigere galt.

Deutschland erst spät an Bord

Jede am öffentlichen Konsortium beteiligte Nation kümmerte sich um einen eigenen Abschnitt des menschlichen Genoms. Die deutschen Erbgut-Analytiker waren allerdings Spätzünder. Erst 1995 stiegen sie mit dem vom Bundesforschungsministerium und der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Deutschen Humangenomprojekt (DHGP) bei HUGO ein – unter ihnen die drei Sequenzierzentren  an der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig (heute Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung), am Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena, sowie am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin.  Die Deutschen  waren dabei an der Sequenzierung der Chromosomen X,7,11 und 21 beteiligt. Beim Chromosom 21 hatte die Forscherin Marie-Laure Yaspo aus Berlin die Leitung inne, Anfang Mai 2000 war es entziffert. Am Ende steuerte Deutschland genau 57,8 Millionen Basen zum internationalen Gentopf bei. Kostenpunkt: 40 Millionen D-Mark.

Der Genetik-Unternehmer Craig Venter verkündete am 26. Juni 2000 zusammen mit seinem Rivalen Francis Collins die Entschlüsselung des menschlichen Genoms.Lightbox-Link
Der Genetik-Unternehmer Craig Venter verkündete am 26. Juni 2000 zusammen mit seinem Rivalen Francis Collins die Entschlüsselung des menschlichen Genoms.Quelle: University of Florida

 Manche Forscher kritisierten seinerzeit mehrfach, dass Deutschland mit einem solchen Budget und zaghaften Engagement den Anschluss an die internationale Genomforschung verpassen könnte. Im Jahr 2001 legt das Bundesforschungsministerium schließlich das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN) auf. Unter dem Dach dieses Verbundes sind inzwischen rund 600 Wissenschaftler organisiert, die nach genetischen Ursachen für Krankheiten suchen. Parallel dazu wurden Initiativen zur Genomforschung an Pflanzen und Mikroorganismen sowie zur Bioinformatik und Proteomforschung gestartet. Am 12. Februar 2001 stellten die deutschen Forscher - parallel zu vielen anderen HGP-Wissenschaftlern in anderen beteiligten Ländern - gemeinsam mit der damaligen Bundesforschungsministerin Edelgard Buhlman auf der Bundespressekonferenz ihre Ergebnisse vor, die damals im Fachmagazin Nature (2001, Band 409, 15. Februar) veröffentlicht wurden. Parallel dazu veröffentlichte Craig Venter die Daten aus seinem kommerziellen Projekt im Wissenschaftsmagazin Science (2001, Band 291, 16. Februar)

2003 ist das Humangenomprojekt abgeschlossen 

Insgesamt hat das Humangenomprojekt etwa drei Milliarden US-Dollar öffentlicher Gelder verschlungen, Analysen und weitere genomische Projekte mit eingeschlossen. Erst im Jahr 2003 schlossen die internationalen Forscherteams die Sequenzierungsarbeiten am menschlichen Erbguts ganz offiziell ab und schlossen damit die Lücken, die in dem groben Entwurf von 2000 noch geblieben waren.

In einem kürzlich veröffentlichten Kommentar zum zehnjährigen Sequenz-Jubiläum vergleicht Francis Collins in der Fachzeitschrift Nature (1. April 2010, Bd. 464, S.674) die Hoffnungen für die Medizin aus dem Jahr 2000 mit den Möglichkeiten von heute. "Das Versprechen einer Revolution für die Gesundheit des Menschen bleibt wahr", so Collins. Doch für die klinische Medizin seien die Konsequenzen bisher noch eher bescheiden. Diejenigen, die dramatische Ergebnisse über Nacht erwarteten, mögen enttäuscht sein, sollten sich aber bewusst machen, dass Genforschung der obersten Regel aller Technologien folgt: Wir überschätzen ausnahmslos den kurzfristigen Einfluss einer neuen Technologie und unterschätzen ihre Langzeiteffekte."

Auch deutsche Beteiligte erinnern sich noch gut an die damalige Zeit: "Verglichen mit den Schritten davor, war das HUGO ein unglaubliches Unternehmen. Wir haben lange diskutiert, wie das möglich sein könnte, die Sequenzen des Humangenoms zu bestimmen, das war unglaublich beeindruckend, dass das gelungen ist. Jetzt sind wir natürlich weit darüber hinaus", so Hans Lehrach, Genetiker am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin.

 

Hintergrund

Start: Den Anstoß zur Entschlüsslung des Humangenoms gab die Gründung der Humanen Genomorganisation, kurz HUGO.
www.hugo-international.de

Die Deutschen: Deutschland stieg Mitte der 90er Jahre in das öffentliche Sequenzierprojekt bei HUGO mit ein. Im Jahr 2001 startete zudem das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN), gefördert vom Bundesforschungsministerium.
www.ngfn.de


Der Polarisierer: Der US-Genetiker Craig Venter gehört zu den schillernsten Figuren der internationalen Genomforschung, der die Szene stark polarisiert. Kurz nach dem Start von HUGO schert er aus, gründet sein eigenes Forschungsinstitut und seine eigene Firma. Damit hat das öffentliche Projekt private Konkurrenz.
www.jcvi.org
www.celera.com

Die Veröffentlichung: Nachdem im Juni 2000 beide Teams den Abschluss der ersten Rohversion des menschlichen Genoms beim amerikanischen Präsidenten verkünden, werden die Daten im Februar 2001 offiziell in den Fachmagazinen Science und Nature veröffentlicht.
Nature (2001, Bd. 409, 15. Februar)
Science (2001, Bd. 291, 16. Februar)

  

Weltkongress: Seit 1899 treffen sich die internationalen Genomforscher alle fünf Jahre zum Weltkongress der Genetik. 2008 fand die berühmte Veranstaltung nach mehr als 80 Jahren wieder in Deutschland statt. biotechnologie.de hat ausführlich darüber berichtet: 

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Genomforschung verstehen: Im Rahmen des NGFN wurden Unterrichtsmaterialien "GENial einfach!" erstellt, mit denen sich die Genomforschung leicht verstehen lässt.

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Sondersendung von biotechnologiel.tv zur Humangenomforschung