Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Oh Tannenbaum: Die Suche nach dem schönsten Kugelträger

In der Natur haben unregelmäßig gewachsene Bäume wie dieser ihren Reiz. An Weihnachten bevorzugen die meisten Menschen aber ein ausgeglicheneres Exemplar. <ic:message key='Bild vergrößern' />
In der Natur haben unregelmäßig gewachsene Bäume wie dieser ihren Reiz. An Weihnachten bevorzugen die meisten Menschen aber ein ausgeglicheneres Exemplar. Quelle: Grey59 / pixelio.de

23.12.2010  - 

Alle Jahre wieder kreist Deutschland um die W-Frage: Welcher Weihnachtsbaum soll es sein, Tanne oder Fichte? Letztere waren einmal der Standard in deutschen Wohnzimmern, mittlerweile sind sie in der Minderheit. Am  beliebtesten sind hierzulande schon längst Tannen. Drei von fünf verkauften Bäumen sind Nordmanntannen. Den Züchtern bereiten die hochgewachsenen Koniferen allerdings Kopfzerbrechen. Mit molekularbiologischen und genetischem Know-How versuchen Forscher in Deutschland, Dänemark und der Schweiz, die Versorgung mit schöngewachsenen Nadelbäumen zu verbessern.



Im Gartenbauzentrum Münster-Wolbeck in Nordrhein-Westfalen ist das ganze Jahr über Weihnachten. Auf 8.000 Quadratmetern Freilandfläche, in Klimahallen und zusätzlichen Laboren versuchen Peter Uehre und seine Kollegen in Deutschlands größter Weihnachtsbaum-Versuchsanstalt, den Weihnachtsbaumzüchtern das Leben leichter zu machen. Denn noch ist die Aufzucht von Bäume ein riskantes Spiel. nicht nur vergehen mehr als zehn Jahre bis zur Ernte, der Züchter kann sich auch nie sicher sein, wie viele der Bäume auch tatsächlich einmal an den Mann gebracht werden können: Nicht wenige Bäume landen schon vorher im Häcksler, weil sie krumm gewachsen sind oder eine zu lichte Krone entwickelt haben.

Bei dem zweitbeliebtesten Weihnachtsbaum der Deutschen, der Blaufichte, ist die Ausfallquote noch relativ gering. Denn Blaufichten lassen sich über Stecklinge leicht vermehren. Das heißt, ein besonders schönes Exemplar kann  auf einfache Weise mehrere Hundert genetisch identische und damit auch ähnlich schöne Nachfahren hervorbringen.

Jeder Samen ist eine Überraschungspackung 

Bei der Nordmanntanne ist das nicht möglich. Jedes Exemplar muss aus einem Samen herangezogen werden. Das Saatgut für Nordmanntannen müssen die Produzenten aus Georgien importieren. Dort ist das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art. Ob sich die Pflanzen im mitteleuropäischen Klima auch wohlfühlen, zeigt erst der Test in der Plantage. Das führt immer wieder zu Ausfällen. Die Weihnachtsbaumforscher aus Münster wollen es den Züchtern nun ermöglichen, die Nordmanntanne so effizient wie die Blaufichte zu vermehren. Uehre und seine Kollegen setzen dazu die die somatische Embryogenese ein. Kurz gesagt: Sie klonen den Baum.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Die etwas anderen Geschenkideen

News: Weihnachtsstern - Der in die Kälte kam

Förderbeispiel: Prächtige Klone aus dem Orchideen-Labor

„Es geht darum, aus einem Samen hoher Qualität unbegrenzt viele Bäume zu gewinnen“, erklärt Peter Uehre. Im Labor entnehmen die Forscher dem Samen den Pflanzenembryo, also einen Verbund aus Zellen, der später zum Baum heranreift. In einem frühen Stadium ist noch jede einzelne dieser "Stammzellen" in der Lage, zu einem eigenen Baum heranzuwachsen. Theoretisch lassen sich so aus einem Samen unendlich viele Pflänzchen mit dem exakt gleichen Aussehen heranziehen. Peter Uehre vergleicht die zwei Zentimeter großen Winzlinge, die in seinen Klimahallen zu Hunderten zu bewundern sind, mit Frühgeburten auf einer Säuglingsstation: „Mein Job ist es nun, die Frühchen fit für das raue Freiland zu machen.“

Hunderte von schön gewachsenen Klontannen

Seit dem Jahr 2005 arbeitet das Gartenbauzentrum Münster-Wolbeck/Essen gemeinsam mit der Humboldt- Universität zu Berlin an dem Modellvorhaben „Vegetative Vermehrung der Nordmanntanne durch somatische Embryogenese“. Das Modellvorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert. Der kommerzielle Erfolg scheint nicht mehr in unerreichbarer Ferne zu sein. Die am weitest gediehenen Klontannen sind mittlerweile zwei Jahre alt und 20 Zentimeter groß. Allesamt Schönheiten. „In zehn Jahren schon könnten die ersten geklonten Nordmanntannen auf den Markt kommen“, schätzt Uehre. Allerdings ist die Methode teuer. „Der Aufwand lohnt nur, wenn ein Produzent über 95 Prozent der so vermehrten Bäume verkauft bekommt.“ 

An der Universität Göttingen untersucht der Forstwissenschaftler Reiner Finkeldey das Erbgut von Nadelbäumen nach Genen, die sie robuster machen. In der Ukraine sammelt der Wissenschaftler Nadeln von Kiefern ein, die die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl überlebten. "Einige Bäume haben die radioaktive Verstrahlung besser weggesteckt als andere", erklärt Finkeldey, "wir wollen herausfinden, woran das liegt." Die Erkenntnisse über die genetische Beschaffenheit könnte eines Tages helfen, schon bei Setzlingen mit einem Gentest erkennen zu können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen krummen Stamm ist. Mit einer Biomarker-gestützten Vorauswahl könnte die Ausfallquote sinken.

Das Riesengenom der Fichte 

Kein Land exportiert mehr Weihnachtsbäume als Dänemark. Mehr als zehn Millionen Christbäume gehen jedes Jahr in die europäischen Nachbarländer. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich auch an der Kopenhagener Universität Wissenschaftler mit dem perfekten Baum beschäftigen. Jens Iver Find ist auf der Suche nach Genen für den perfekten Wuchs, "aber die Bäume sollten auch Frost vertragen und möglichst wenig nadeln", wie er sagt. Mit Hilfe von Gentests wollen die dänischen Forscher auch Tannen identifizieren, deren Nadeln einen hohen Wasseranteil haben: Diese besonderen Exemplare könnten als schwer entflammbare Weihnachtsbäume vermarktet werden. Ganz grundsätzlich geht Pär Ingvarsson an der schwedischen Universität Umeå das weihnachtliche Phänomen an. Seit 2009 arbeitet er daran, das Genom der Gemeinen Fichte und damit die erste genetische Karte eines Nadelbaums überhaupt zu entschlüsseln. Bisher hat das noch niemand versucht, weil Nadelbäume auf ihren 12 Chromosomen eine unglaublich große Anzahl an DNA-Bausteinen vereinen: etwa siebenmal mehr als ein Mensch.

In der Schweiz beschäftigen sich Wissenschaftler mit den wilden Verwandten des Weihnachtsbaums. Forstgenetiker der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft  in Birmensdorf untersuchen das Erbgut von Nadelbaumpopulationen, um herauszufinden, wie sich die Bäume in der Vergangenheit an Klimaschwankungen angepasst haben und wie sie im Zuge einer Eiszeit aufgegebenes Terrain wieder besiedelten. Aufgrund der aus den genetischen Studien gewonnenen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die einzelnen Baumarten deutlich langsamer in neue Gebiete vorstießen als bisher angenommen. Die Wanderungsgeschwindigkeiten der Bäume dürften wahrscheinlich beim bevorstehenden Klimawandel nicht ausreichen, um schnell genug in Gebiete vorzustoßen, die für sie klimatisch geeignet sind. Vielleicht wird der beliebteste Weihnachtsbaum des nächsten Jahrhunderts weder Fichte noch Tanne sein. Lametta lässt sich auch auf Palmzweige drapieren.

Mit dieser Einführung in die Genetik des Weihnachtsbaums verabschiedet sich biotechnologie.de in die Feiertage und wünscht allen Lesern ein frohes Fest, ob nun mit Tanne, Fichte oder unter Palmen!

Am 27. Dezember melden wir uns wieder!

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit