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Asthma und Allergien sind keine genetischen Geschwister

Allergien und Asthma haben unterschiedliche Ursachen. Das ist ein Ergebnis der GABRIEL-Genomstudie, bei der Genvarianten von 26.000 Menschen untersucht wurden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Allergien und Asthma haben unterschiedliche Ursachen. Das ist ein Ergebnis der GABRIEL-Genomstudie, bei der Genvarianten von 26.000 Menschen untersucht wurden. Quelle: Sigrid Roßmann/pixelio.de

29.09.2010  - 

Das EU-Forschungsprojekt GABRIEL trägt seinen Namen nicht umsonst. Mit 164 Wissenschaftlern aus 19 Ländern verfügt es tatsächlich über biblische Ausmaße. Fünf Jahre lang hat das internationale Forscherteam nach genetischen und umweltbedingten Faktoren gesucht, die zu Asthma führen. Die genetische Arbeitsgruppe hat jetzt im New England Journal of Medicine (Online-Veröffentlichung, 23. September 2010) ein erstes Ergebnis veröffentlicht. Demnach spielen Mutationen von sechs Genen - verteilt auf verschiedene Chromosomen - eine Rolle, wenn sich eine Reizung der Atemwege zu einer chronischen Entzündung entwickelt. Überraschend ist, dass die entdeckten Asthma-Gene nicht wie erwartet mit allergierelevanten Genen zusammenhängen. Bisher hatte man vermutet, dass die beiden Erkrankungen ähnliche Ursprünge haben.




 

Ein akuter Asthmaanfall ist ein beängstigendes Erlebnis, für Betroffene und Anwesende. Auch wenn sich derartige Anfälle durch bereitgehaltene Inhalationssprays mittlerweile ganz gut in Schach halten lassen, sterben im Jahr geschätzte 5000 Menschen in Deutschland an den Folgen dieser chronischen Entzündung der Atemwege. Etwa fünf Prozent der Erwachsenen und bis zu zehn Prozent der Kinder sind betroffen. In den letzten beiden Dekaden ist die Zahl der Asthma-Patienten zudem stark angestiegen: In manchen Regionen sind bis zu 35 Prozent der Bevölkerung Asthma-Patienten. Die genauen Ursachen der Erkrankung sind noch unklar. So leiden zum Beispiel vergleichsweise viele Briten an Asthma, ohne dass eine Erklärung dafür zu finden wäre. Mittlerweile gehen Mediziner von einer komplexen Kombination aus umweltbedingten und genetischen Faktoren aus.

In der GABRIEL-Studie, in der 164 Wissenschaftler aus 19 EU-Ländern zusammengearbeitet haben, wurden beide Seiten, die Umwelt und die Gene, auf ihre Rolle bei der Entstehung von Asthma abgeklopft. In den genetischen Untersuchungen wurde das Erbgut von mehr als 10.000 Asthmatikern und 16.000 gesunden Probanden analysiert – fein säuberlich nach Herkunftsland geordnet. GABRIEL ist nicht die erste genetische Analyse der Krankheit. Anfang 2009 konnten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums München in der bislang größten Studie zur Asthmagenetik schon mehrere verdächtige Stellen im Erbgut identifizeren (mehr...).

GABRIEL

Das Projekt, an dem 35 wissenschaftliche Institutionen beteiligt sind, wurde zum größten Teil von der EU gefördert. Ebenfalls beigetragen haben das französische Ministerium für Erziehung und Forschung sowie Asthma UK und der Wellcome Trust. Die Mitglieder und an GABRIEL beteiligten Zentren sind auf der Website aufgeführt.

www.cng.fr/gabriel

15 Milliarden genetische Tests

Bei GABRIEL sind ebenfalls Helmholtz-Forscher aus München dabei. Zusammen mit Kollegen der Ludwig Maximilians-Universität München (LMU) und Wissenschaftlern aus 18 EU-Ländern wurden mehr als 15 Milliarden individuelle genetische Tests durchgeführt, die alle Gene des menschlichen Genoms abdecken. Beinahe alle Untersuchungen fanden dabei in der federführenden Einrichtung statt, dem „Centre National de Genotypage” in der Nähe von Paris. In die Metastudie flossen auch Daten des deutschen Studienzentrums Erfurt des Europäischen Surveys zu Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen (ECRHS), des Helmholtz-Zentrums Münchens sowie der Asthma-Studien an Kindern der LMU und weiterer Forschungsinstitute ein.

„Diese genetische Studie lief über fünf Jahre von der Planung bis zu ihrem Abschluss“, sagt Professor Miriam Moffatt vom Imperial College, London. „Vorausgegangen sind aber Jahre der Vorbereitung, in denen die 26.000 Probanden rekrutiert und genau untersucht wurden. Das war nur möglich, weil alle Mitglieder von GABRIEL ihren Beitrag geleistet haben.“ Das Ergebnis der Forschermühen? „Wir haben sechs genetische Risikovarianten für Asthma bronchiale gefunden“, sagt Joachim Heinrich vom Helmholtz-Zentrum München. Derartige SNPs beziehungsweise „Single Nucleotide Polymorphisms“ sind Stellen auf der DNA, die von Mensch zu Mensch verschieden sein können. Einige der identifizierten Gene helfen dabei, das Immunsystem auf Schäden der Schleimhäute aufmerksam zu machen, die die Atemwege auskleiden. Andere Gene kontrollieren möglicherweise, in welchem Umfang die geschädigten Atemwege repariert werden. „Unsere nächste große Aufgabe wird sein, die Ursachen der Schleimhautdefekte zu entschlüsseln“, sagt Professor Erika von Mutius, Medizinerin an der LMU und Ko-Koordinatorin von GABRIEL. Mutius gilt als international anerkannte Expertin auf dem Gebiet von Asthma bei Kindern (mehr...).

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Bei Kindern spielen Asthma-Gene eine größere Rolle

Zusätzlich untersuchten die Forscher auch Gene, die die Produktion von Allergie erzeugenden Antikörpern regulieren, dem Immunglobulin E (IgE). Anders als erwartet, trugen diese Gene aber nicht zum Asthma bei, und die Asthma-Gene hatten auch kaum Einfluss auf das IgE. Damit sind Allergien, die oft gemeinsam mit Asthma auftreten, wohl eher eine Konsequenz dieser Erkrankung als deren Ursache - eine Erkenntnis, die die Forscher überraschte . Bisher war man davon ausgegangen, dass sowohl Allergien als auch Asthma auf ähnlichen Mechanismen beruhen und deshalb auch genetisch miteinander verknüpft sind.

In einem weiteren Ergebnis zeigte die Studie, dass die genetischen Effekte in Erwachsenen schwächer ausgeprägt sind. So zeigte das für kindliche Asthmatiker wichtigste Gen namens ORMDL3/GSDMB keine Auswirkung bei Patienten, die Asthma erst als Erwachsene entwickelten. Nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen spielen die neu identifizierten Gene nur bei jedem dritten der kindlichen Asthmatiker eine Rolle – besonders ausgeprägt ist dies bei schweren Fällen. Die Forscher vermuten daher, dass sich diese Gene als Zielobjekte für effektivere Therapien eignen. Trotz der neuen Erkenntnisse aber ließe sich mit Hilfe genetischer Tests kaum vorhersagen, welche Kinder später im Leben zu Asthmatikern werden, so die Wissenschaftler.

Umweltbedingte und genetische Faktoren kombinieren

Der recht geringe genetische Anteil unterstreicht, dass umweltbedingte Faktoren ebenfalls maßgeblich zu einer Asthma-Erkrankung beitragen. In einem zweiten Studienteil konzentrieren sich die GABRIEL-Forscher darauf, Umweltfaktoren zu identifizieren, die vor Asthma schützen könnten. „Solche protektiven Effekte beobachten wir besonders stark bei Kindern, die auf Bauernhöfen aufwachsen“, berichtet von Mutius. „Unser Fokus liegt deshalb auf Faktoren, die in dieser Umgebung zum Tragen kommen. Nächstes Jahr wollen wir die Ergebnisse aus den GABRIEL-Studien zu genetischen und umweltbedingten Faktoren zusammenführen und sind sehr gespannt auf die Resultate.“ Einen Hinweis darauf, warum auf dem Land aufwachsende Kinder weniger Allergien haben, kam in diesem Jahr von einer anderen Studie, die im Staub von Kuhställen ein pflanzliches Molekül identifizierte, das offenbar in der Lage ist, das kindliche Immunsystem frühzeitig zu trainieren und damit allergische Überreaktionen zu verhindern (mehr...).

 

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