Wochenrückblick KW 28

19.07.2010

Hamburger Biotech-Firma Evotec übernimmt Develogen

Die Evotec AG kauft das Göttinger Biotech-Unternehmen Develogen AG. Die Hamburger bezahlen dafür 8 Millionen Euro in Aktien und übernehmen zusätzlich noch Schulden in Höhe von 2 Millionen Euro. Im Erfolgsfall können weitere Zahlungen sowie die Ausgabe von 3 Millionen Euro frischer Aktien an die Eigner von Develogen hinzukommen. Werner Lanthaler, Evotecs Vorstandsvorsitzender, kündigte an, den Göttinger Standort "auf absehbare Zeit" zu erhalten und 20 wissenschaftliche Mitarbeiter zu übernehmen. Cord Dohrmann wird vom Chefsessel der Niedersachsen in den Vorstand von Evotec wechseln und hier fortan für die Wissenschaft verantwortlich sein.

Das Göttinger Unternehmen Develogen wird von der Evotec AG gekauft.Lightbox-Link
Das Göttinger Unternehmen Develogen wird von der Evotec AG gekauft.Quelle: Develogen AG

Die Übernahme von Develogen bietet Evotec die Chance, einen Spezialisten für metabolische Krankheiten zu übernehmen, ein Indikationsgebiet, das die Hamburger bisher noch nicht abdecken konnten. Haupttreiber des Deals dürften aber zwei Allianzen sein, die Develogen mit großen Pharmapartnern in Verbindung bringt. Zum einen unterzeichnete der süddeutsche Konzern Boehringer Ingelheim eine Partnerschaft für einen präklinischen Insulin-Sensibilisator mit der Möglichkeit, Meilensteinprämien in Höhe von 237 Millionen Euro zu kassieren. Vereinbarungsgemäß fließt davon allerdings ein Drittel an die abgebenden Aktionäre von Develogen.

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Wochenrückblick: Evotec fastet sich gesund

BioPharma-Wettbewerb: Neue Wirkstoffe gegen neurologische Erkrankungen

Das gilt auch für die zweite Pharmaallianz, die auf Develogens ehemaligem Hoffnungsträger DiaPep277 beruht. Das Mittel zur Therapie von Typ1-Diabetes wurde jahrelang von den Göttingern mit hohem finanziellen Einsatz weiterentwickelt, schließlich aber an die israelische Andromeda Inc. abgegeben. Laut Clinicaltrials.gov laufen derzeit noch verschiedene Phase III-Studien, deren Ergebnisse frühestens im kommenden Jahr erwartet werden. Zuletzt keimte wieder Hoffnung auf, als sich der israelische Generika-Riese Teva in das Programm einkaufte. Nicht mit im Paket ist das Phase II-Programm Somatoprim, das Hauptprojekt von Develogen. "Das hat nichts mit der Qualität des Programms zu tun. Unsere strategische Ausrichtung erlaubt uns allerdings nicht, das finanzielle Risiko eines nicht verpartnerten Phase II-Programms einzugehen", sagte Lanthaler.
Für die Aktionäre von Develogen dürfte die Übernahme kein gutes Geschäft gewesen sein. Jahrelang war die Göttinger Firma eine der bestfinanzierten der Branche und warb mehr als 60 Mio. Euro ein. Größter Anteilseigner des Unternehmens ist TVM Capital.

BMBF: Hightech-Strategie 2020 beschlossen

Das Bundeskabinett hat am 14. Juli in Berlin mit der „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ neue Schwerpunkte für die Forschungs- und Innovationspolitik für die kommenden Jahre beschlossen.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan hatte zuvor im Kabinett das neue Konzept vorgestellt, mit dem die im Jahr 2006 aufgelegte Hightech-Strategie der Bundesregierung fortgeführt werden soll: „Gerade angesichts der Bemühungen um einen konsolidierten Haushalt gilt jetzt erst recht: Wir müssen in Forschung und Entwicklung investieren, um den künftigen Wohlstand unserer Gesellschaft zu sichern“, betonte Schavan. Fragen zu den fünf Schwerpunkten Klima/Energie, Gesundheit/Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation stehen im Mittelpunkt der Hightech-Strategie 2020.

Die Biotechnologie wird dabei als Schlüsseltechnologie gesehen. Dies gilt für das Bedarfsfeld Energie insbesondere für die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Das BMBF erarbeitet hierzu derzeit eine international wettbewerbsfähige Strategie zu einer wissensbasierten Bioökonomie. Beim Thema Gesundheit soll die Biotechnologie unter anderem zur Entwicklung von  individualisierten Behandlungsstrategien beitragen. Wichtige Aktionsfelder wird das neue Gesundheitsforschungsprogramm benennen, das vom BMBF noch in diesem Jahr vorgelegt wird.

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Politik: BMBF-Haushalt 2010: Plus von 750 Millionen Euro

Förderung: GABI-innovativ: 50 Millionen für die Pflanzenbiotechnologie

Dabei geht es unter anderem um die Erforschung von Volkskrankheiten, die Ernährungsforschung, die Genomforschung und die Systembiologie sowie die Alternsforschung. Darüber hinaus will das BMBF mit der Hightech-Strategie auch die Rahmenbedingungen verbessern, um Innovationen voranzutreiben. Das BMBF hat sich zum Ziel gesetzt, dass Gründungsklima zu verbessern und Rahmenbedingungen für einen international wettbewerbsfähigen Wagniskapitalmarkt zu schaffen. Die Forschung in mittelständischen Unternehmen soll durch die Fortsetzung der Förderinitiative KMU-innovativ gestärkt werden.

Vertreter aus der Industrie begrüßten die Neuauflage der Hightech-Strategie. Hans Heinrich Driftmann, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, lobte "dass bei den Zukunftsthemen Forschung und Innovation, trotz berechtigter Haushaltskonsolidierung, nicht am falschen Ende gespart wird". Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) begrüßte, dass die Bundesregierung die Finanzierung von Wagniskapital verbessern wolle, monierte aber, die steuerliche Forschungsförderung finde keinerlei Erwähnung. Die Grünen-Fraktionsexpertin für Forschung, Krista Sager, kritisierte hingegen: "Vier Jahre nach Initiierung der Hightech- Strategie stehen die versprochene Strategiebildung und Fokussierung immer noch aus.“ Auch sie forderte eine gezieltere steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen.

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Fraunhofer-Ausgründung für Kryotechnologie im Saarland

Die BioKryo GmbH hat im saarländischen Sulzbach ihren Geschäftsbetrieb mit der Kryo-Lagerung von therapeutisch wertvollem biologischem Material aufgenommen.

BioKryo ist eine Ausgründung des Fraunhofer- Instituts für Biomedizinische Technik (IBMT) in St. Ingbert, das seit zehn Jahren auf dem Gebiet der Kryotechnologie und der Kryobanken arbeitet.

In Hightech-Stickstoffbehältern bewahrt BioKryo wichtige Gewebeproben oder Stammzellen für die Ewigkeit auf.Lightbox-Link
In Hightech-Stickstoffbehältern bewahrt BioKryo wichtige Gewebeproben oder Stammzellen für die Ewigkeit auf.Quelle: BioKryo GmbH
Bei der Kryo-Lagerung werden biologische Proben im Temperaturbereich von unter -150°C mit Hilfe von flüssigem Stickstoff als Kühlmittel aufbewahrt. Dies ist der Temperaturbereich, in dem lebende Zellen konserviert werden können: Sie stellen dann alle Stoffwechselaktivitäten ein und sind somit faktisch über den Zeitraum eines Menschenlebens für spätere therapeutische Anwendungen verfügbar.Für Kunden aus der Biotechnologie- und der Pharmabranche will BioKryo fortan neben der klassischen Kryolagerung auch die hochspezialisierte Tieftemperaturlagerung anbieten, mit der wertvolle Stammzell-Linien oder wichtige Gewebeproben als Back-up aufbewahrt werden können.

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Menschen: Charli Kruse - Erkundet neue Stammzellquellen

biotechnologie.tv: Folge 18

Bei dieser Hochqualitätslagerung kommt die im IBMT entwickelte Fraunhofer-Cryostorage-Technology (FCT) zum Einsatz: FCT hält die Kühlkette vom Einfrieren der Probe bis zum Lagerort geschlossen. Dadurch lagern Ihre Proben bei jederzeit stabilen Temperaturen, was die Qualität der Lagerung noch weiter verbessert. Um die Identifikation der Proben im Eis sicherzustellen, verknüpft das FCT-Verfahren zudem jede Probe mit allen dazugehörigen Daten. Hierzu wird jedes Kryoröhrchen an einen Chip gekoppelt, der alle Daten der Probe enthält. Zusammen mit weiteren Kooperationspartnern ist die BioKryo GmbH neben der Lagerung des biologisch wertvollen Materials in der Lage, diagnostische und logistische Dienstleistungen wie z. B. die HLA-Typisierung oder die weltweite Versendung von Proben durchzuführen.

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Wie die Sex-Gene der Honigbiene entstanden sind

Düsseldorfer Genetiker haben herausgefunden, wie sich zwei wichtige Gene für die Geschlechtsbestimmung der Honigbiene in der Evolution herausgebildet haben.

Dabei spielte offenbar eine Genverdoppelung eine entscheidende Rolle. Wie die Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Fachjournal PNAS (12. Juli 2010, Online-Vorabveröffentlichung) schreiben, ist das für die Geschlechtsbestimmung bei Honigbienen zuständige Gen namens csd nach einer Duplikation der Erbanlage fem entstanden.

Ob eine Honigbiene männlichen oder weiblichen Geschlechts ist, wird durch zwei spezielle Gene festgelegt.Lightbox-Link
Ob eine Honigbiene männlichen oder weiblichen Geschlechts ist, wird durch zwei spezielle Gene festgelegt.Quelle: UFZ/André Künzelmann
Im weiteren Verlauf der Evolution haben sich die beiden Gene dann gegenseitig stark beeinflusst.

Das Geschlecht von Honigbienen wird nicht wie beim Menschen durch X-Y Chromosomen, sondern  anhand der Kombinationen von Varianten eines einzigen Gens mit dem Namen complementary sex determiner (csd) bestimmt. Vor zwei Jahren gelang den Düsseldorfer Wissenschaftlern der Nachweis, dass das csd-Gen erst vor etwa 10 bis 70 Millionen Jahren aus der Kopie einer weiteren Schlüssel-Gens der Geschlechtsbestimmung, dem Gen feminizer (fem) entstanden ist. Jetzt haben die Forscher um Martin Hasselmann die Evolution des feminizer-Gens genauer unter die Lupe genommen.

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Förderbeispiel: Robuste Hummeln für die Landwirtschaft

News: Gen macht Frauen stark gegen Aids

Wochenrückblick: Ungleiches Gen-Duo lässt Karpfenschuppen verschwinden

Dabei stellte sich heraus, dass die Entstehung von csd und dessen neue Funktion die weitere Evolution des Schwestergens fem beeinflusst hat. Die Forscher verglichen die in der Evolution aufgetauchten Veränderungen im fem-Gen der Honigbiene mit denen anderer Bienen-Arten, die das csd-Gen nicht besitzen. Es zeigte sich, dass in dem fem-Gen der Honigbiene weniger Bauplan-Änderungen mit Auswirkung auf das entstehende Fem-Protein existieren als in fem der anderen Bienen-Arten. Offenbar wurde die Evolution des feminizer-Gens in der Honigbiene durch die neue Funktion des Schwestergens csd eingeschränkt.Die Forscher untersuchten auch die Evolution der Gene, die in unmittelbarer Nachbarschaft der feminizer-Erbanlage liegen. In diesen Genen war ein Einfluss von csd auf die Proteinevolution nicht nachweisbar. Nach Ansicht der Autoren zeigt die Studie, wie nach einer Duplikation und der Entstehung einer neuen Genfunktion die Evolution anderer Gene einschränkt werden kann. Die Ebenen der Interaktionen zwischen Genen im Genom sind somit weitaus komplexer als bislang angenommen.

Sonnenstrahlung justiert die Klimaanlage von Pflanzen

Jülicher Forscher haben zusammen mit Kollegen aus den USA einen neuen Mechanismus gefunden, über den Pflanzen bei Hitze ihren Wasserhaushalt regulieren.

Demnach wird der Öffnungszustand der Spaltöffnungen auf der Blattunterseite direkt über die Energie der Sonneneinstrahlung beeinflusst. Wie die Wissenschaftler um Roland Pieruschka vom Jülicher Institut für Chemie und Dynamik der Geosphäre im Fachjournal PNAS (12. Juli 2010, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, können Pflanzen auch über biophysikalische Prozesse tief im Innern des Blatts den Wasserhaushalt steuern, ohne dass etwa die Photosynthese oder Sensorzellen in den Spaltöffnungen selbst beteiligt sind.

Mikroskopisch kleine Ventile an der Blattunterseite regeln bei Pflanzen den Gas- und Wasseraustausch. Die Schließzellen arbeiten wie winzige Schwimmreifen. Sie werden durch ein Stresshormon und Ionenströme reguliert.Lightbox-Link
Spalttöffnungen regeln bei Pflanzen den Gas- und Wasseraustausch. Auch die Energie der Sonneneinstrahlung beeinflusst, wie stark sie sich öffnen.Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Die Forscher haben in ihren Experimenten erstmals den Austausch von Energie und Wasserdampf an der Blattoberfläche von Sonnenblumen gemessen und mit den Vorgängen im Blattinnern verglichen. Fazit: Fällt Sonnenstrahlung auf eine Pflanze, wird die Energie der Strahlung im Blattinneren absorbiert und auf das Blattwasser übertragen, so dass dieses verdunstet.Der Wasserdampf verteilt sich im hochporösen Blattinneren und kann an der Innenseite der Blatthaut (Epidermis) kondensieren und einen Mechanismus auslösen, der die in der Epidermis befindlichen Poren öffnet und schließt.

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News: Wie sich Pflanzen gegen den Klimawandel rüsten

„Bislang ging man davon aus, dass Wasser vor allem direkt in einem kleinen Bereich unter der Spaltöffnung verdunstet“, erläutert Pieruschka. „Unser Ergebnis zeigt, dass das ganze Blatt die Energie aufnimmt, somit mehr Wasserdampf entsteht und die Spaltöffnungen wirklich nur die Tore nach außen sind.“Im Experiment haben die Forscher die Blätter von Sonnenblumen im Labor untersucht. Dabei untersuchten sie deren Reaktion auf Infrarot-Licht, also Wärmestrahlung, im Vergleich zum sichtbaren Licht, das die Pflanze auch für die Photosynthese nutzt. Für die Funktion der Spaltöffnungen war der Gesamtenergieeintrag des eingestrahlten Lichtes entscheidend und nicht die Lichtfarbe.

Schlüsselmolekül für die Immunzell-Entwicklung aufgespürt

Immunologen der Universität Freiburg haben ein langgesuchtes Schlüssel-Molekül aufgespürt, das für die Entwicklung spezieller Immunzellen wichtig ist.

Die Forscher um Hassan Jumaa vom Centre for Biological Signalling Studies (BIOSS) der Universität Freiburg berichten im Fachjournal Nature Immunology (11. Juli 2010, Online-Vorabveröffentlichung). Die Immunabwehr besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Zelltypen. Dazu zählen die B-Lymphozyten, oder kurz B-Zellen. Sie produzieren Antikörper gegen Krankheitserreger und schützen uns so vor Infektionen. Ausgehend von Blutstammzellen im Knochenmark entstehen jeden Tag in mehreren Entwicklungsschritten Millionen neuer B-Zellen. Bislang war bekannt, dass sich aus den Blutstammzellen Vorläufer-B-Zellen entwickeln, die mit Hilfe eines speziellen Rezeptors, des prä-B-Zellrezeptors vom Immunsystem herausgefiltert und vermehrt werden. Ohne den prä-B-Zellrezeptor können keine funktionierenden Abwehrzellen entstehen und es kommt zu einer schwerwiegenden Immunschwäche.

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Forscher vermuteten seit längerem, dass der prä-B-Zellrezeptors einen Partner, einen sogenannten Liganden, benötigt, um funktionieren zu können. Ligand und der Rezeptor passen wie Schlüssel und Schloß zusammen. Nach dem Liganden fahndeten Forscher seit langem, viele hofften darauf, ihn im Knochenmark zu finden. Doch die Freiburger Forscher haben eine unerwartete Entdeckung gemacht: Der prä-B-Zellrezeptor trägt seinen eigenen Liganden in Form einer speziellen Zuckereinheit unmittelbar mit sich: Er ist direkt an den Rezeptor angeheftet. Wenn diese spezifische Zuckereinheit auf genetischem Wege entfernt wird, verliert der prä-B-Zellrezeptor seine Fähigkeit, die Vermehrung von Vorläufer B-Zellen zu aktivieren. „Den Liganden des prä-B-Zellrezeptors als Teil seiner selbst aufzuspüren, ist so, als würde man einen Schatz im eigenen Vorgarten finden, nach dem jeder in der weiten Welt jagt“, kommentiert  der Erstautor der Studie Rudolf Übelhart. Die Entdeckung von Hassan Jumaa liefert ein komplett neues Bild der Funktion des prä-B-Zellrezeptors und ist medizinisch vor allem zum Verständnis von Immundefizienz und Blutkrebs relevant.