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Auftakt zum Strategieprozess: Ideen zur Biotechnologie der Zukunft gefragt

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Wie sieht die Biotechnologie der Zukunft aus? Beim Auftaktkongress zum Strategieprozess in Berlin diskutierten Experten über ihre Visionen. Hier erläutert Chemiker Volker Sieber (re.) Moderator Karsten Schwanke die Ergebnisse eines Workshops. Quelle: Oli Hein/biotechnologie.de

09.07.2010  - 

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) will die Entwicklung einer nächsten Generation biotechnologischer Verfahren in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren mit bis zu 200 Millionen Euro unterstützen. Das hat BMBF-Staatssekretär Helge Braun am 8. Juli beim Auftaktkongress zum Strategieprozess „Biotechnologie 2020+“ angekündigt. Rund 200 Experten trafen sich  in Berlin, um mögliche Startpunkte für eine Roadmap zu entwickeln, die die wichtigsten Schritte hin zu einer nächsten Generation biotechnologischer Verfahren benennt. Alle vier großen deutschen Forschungsorganisationen und die Hochschulen unterstützen den Prozess und haben sich auf ein gemeinschaftliches Vorgehen verständigt.  Bei den Diskussionen und Workshops wurde deutlich: Bedeutende Fortschritte werden dann gelingen, wenn Bio- und Ingenieurswissenschaften noch stärker zusammenwachsen. Viele Experten sehen dabei die synthetische Biologie sowie - noch einen Schritt weiter gedacht - zellfreie Systeme als wichtige Motoren für die Biotechnologie der Zukunft.

Schon heute trage Biotechnologie auf faszinierende Weise dazu bei, Produktionsverfahren ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu gestalten, sagte BMBF-Staatssekretär Helge Braun bei seiner Eröffnungsrede zum Auftakt des Strategieprozesses in Berlin. „Doch das volle Potential der Biotechnologie wird noch nicht ausgeschöpft", so Braun. Gerade für Herausforderungen wie den Klimawandel, schwindende Rohstoffresourcen, die Gesundheit einer immer älter werdende Bevölkerung brauche es neue Durchbrüche. Mit dem Strategieprozess “Biotechnologie 2020+“ will das BMBF bei Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft einen gemeinsamen Diskussionsprozess anstoßen, der über die nächsten Jahre hinweg angelegt ist. Erstes Ziel ist die Entwicklung einer Forschungs- und Entwicklungsroadmap, die die wichtigsten Etappen auf dem Weg zu einer Biotechnologie der Zukunft identifziert. Auf dieser Basis sollen dann neue Förderinitiativen aufgelegt werden. „Wir werden den Strategieprozess mit 200 Millionen Euro in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren, also nachhaltig, fördern“, kündigte Braun an.

BMBF-Staatsekretär Helge Braun (3.v.l.) und die Vertreter der vier großen Forschungsorganisationen erläuterten vor der Presse den Ablauf des Strategieprozesses "Biotechnologie 2020+"Lightbox-Link
BMBF-Staatsekretär Helge Braun (3.v.l.) und die Vertreter der vier großen Forschungsorganisationen erläuterten vor der Presse den Ablauf des Strategieprozesses "Biotechnologie 2020+"Quelle: Oli Hein /biotechnologie.de

200 Experten trafen sich in Berlin

Die Veranstaltung am 8. Juli in Berlin markierte den offiziellen Auftakt für den Strategieprozess. Mehr als 200 Experten waren im Radialsystem an den Ufern der Spree zusammengekommen, um in Plenardiskussionen und in kleineren Workshops Visionen und Ideen zu formulieren und auszutauschen. Mit dabei waren Vertreter der vier großen außeruniversitären Forschungsnetzwerke Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft. Die Forschungsorganisationen hatten sich zusammen mit Vertretern der Hochschulen schon im Vorfeld in einem Memorandum of Understanding auf ein gemeinschaftliches Vorgehen in dem Strategieprozess verständigt. „Es geht uns darum, viele verschiedene Disziplinen zusammenzuführen“, sagte Ulrich Buller aus dem Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft bei der Vorstellung des Memorandums. Eine Forschungsgesellschaft allein könne bei diesem großem Thema nichts ausrichten, dazu sei eine gemeinsame Zusammenarbeit unerlässlich. „Wir wollen dazu insbesondere das Know-How aus den Ingenieurswissenschaften - etwa die Analytik und die Mikrosystemtechnik - stärker einbringen,“ so Buller. Achim Bachem, Leiter des Forschungszentrums Jülich betonte als Vertreter der Helmholtz-Gemeinschaft, es gehe bei der angestrebten engeren Verzahnung der unterschiedlichen Disziplinen vielfach darum, „komplexe Prozesse und Verfahren zu vereinfachen“. Dies könne inbesondere durch die Bioinformatik und die Systembiologie geschehen. „Die Gesellschaft braucht Lösungen aus der Forschung, die auf neuen Denkansätzen basieren und nur mit modernsten Forschungswerkzeugen erreichbar sind", sagte Bachem.

Biotechnologie.tv hat dem Strategieprozess mit der 46. Folge eine Sondersendung gewidmet.Quelle: biotechnologie.tv

Der Biotechnologe und renommierte Krebsforscher Axel Ullrich wiederum sagte als Vertreter der Max-Planck-Gesellschaft, dass die Grundlagenforschung wichtig sei, um der Biotechnologie neue Türen zu öffnen. Bedeutende Fortschritte erwartet der Max-Planck-Forscher etwa bei Zelltherapien und nanobiotechnologischen Ansätzen zur Bekämpfung von Krebs. Er warnte jedoch vor zu hohen Erwartungen: "Viele Visionen, über die wir heute hier sprechen sind noch sehr futuristisch und gerade in der Krebsforschung sehen wir, wie lange es dauert, effektive Therapien zu entwickeln."

Axel Brakhage von der Leibniz-Gemeinschaft unterstrich, wie wichtig es sei, die „Ingenieurswissenschaften noch näher an die Biowissenschaften heranzuholen“. Wichtige Schnittstellen sieht der Direktor des Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie  aus Jena etwa bei der Wirkstoff-Synthese und in der Synthetischen Biologie. Schon heute gebe es beispielsweise in seinem Forschungsinstitut vielversprechende Ansätze, die Mikrofluidik und die Genomforschung miteinander zu verbinden, um nach neuen Wirkstoffen zu fahnden. Sein Plädoyer: Dies müsse künftig noch viel mehr geschehen.

Strategieprozess Biotechnologie 2020+
Wie sieht die Biotechnologie der Zukunft aus? Um diese Fragen geht es im Strategieprozess „Nächste Generation biotechnologischer Verfahren – Biotechnologie 2020+“, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit Forschungsorganisationen und Hochschulen gestartet hat.

www.biotechnologie2020plus.de

Diskussionspapier und Workshops

Der Auftaktkongress diente jedoch nicht nur dem Zuhören. In einer Plenardiskussion, moderiert vom ZDF-Wissenschaftsjournalisten Karsten Schwanke, konnten die Kongress-Teilnehmer selbst das Wort ergreifen und entlang der auf der Veranstaltung vorgestellten Streitschrift eigene Visionen für die eine Biotechnologie der Zukunft vorstellen. „Wir wollen online in die Zelle reinschauen und in der Lage sein, ihr Verhalten von außen zu steuern“, sagte etwa der Biochemiker Bernd Müller-Röber von der Universität Potsdam. Dazu brauche es ein viel besseres Verständnis des Systems Zelle. Volker Sieber von der TU München wünschte sich „Reaktionsmodule, die eine zellfreie Produktion von Chemikalien ermöglichen“ - idealerweise direkt auf dem Bauernhof, um die Wertschöpfung wieder näher an die Landwirte heranzuholen. "Man stellt sich vor, man hat jetzt die Kuh, die frisst Gras, Milch kommt raus und die wird abgeholt.

Die Biophysikerin Petra Schwille von der TU Dresden eröffnete den Auftaktkongress mit einem Vortrag über das Potenzial der Synthetischen BiologieLightbox-Link
Die Biophysikerin Petra Schwille von der TU Dresden eröffnete den Auftaktkongress mit einem Vortrag über das Potenzial der Synthetischen Biologie.Quelle: Oli Hein/biotechnologie.de

In 20 Jahren hat man dort eine Anlage stehen, ein modulares System: das Gras kommt rein, die Chemikalie kommt raus und der Chemikalienlaster kommt vorbei." Jan Stallkamp vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik wiederum hat eine ganz eigene Vision, stellvertretend für viele Maschinenbauer, für die ihn viele Biologen, wie er selbst sagt, oft belächeln würden: "Im Grunde würden wir gern jedes Molekül anfassen können und so wie es ist, als eines vereinzeln können, um dann die Reaktion sehr gezielt kontrollieren zu können. Und das alles im Hochdurchsatz."

Experten aus der Industrie wiederum liebäugelten mit der beschleunigten Weiterentwicklung von Produktionsorganismen, um etwa den Schritt der Herstellung eines Produkts direkt mit dem der Aufarbeitung zu koppeln. Andere Experten sahen Bedarf an neuen Verfahren, mit denen sich der zelluläre Energieträger ATP in technischen Milieus herstellen lässt.

In anschließenden Workshops ging es dann darum zu klären, wie  grundlegende funktionale Bestandteile der Zelle künftig einmal technisch nachgeamt werden könnten. Etwa die Herstellung funktionaler Moleküle, die Bereitstellung von Energie, die Bildung geeigneter Reaktionskompartimente sowie standardisierter Mikroreaktionsmodule, die Entwicklung biomimetischer Pumpensysteme und die Etablierung einer biomolekularen Systemsteuerung. Als Ergebnis der Workshops wurden am Ende der Veranstaltung die wichtigsten Forschungslücken zu den jeweiligen Themen benannt und dem Publikum noch einmal kurz vorgestellt.

Symposium zur Synthetischen Biologie

Nach Ansicht vieler Konferenzteilnehmer war dabei die „Synthetische Biologie“ ein wichtiges Element für die Biotechnologie der Zukunft. So verdeutlichte die Biophysikerin Petra Schwille von der Technischen Universität Dresden im Eröffnungsvortrag der Veranstaltung, dass es sich hierbei um einen tatsächlich neuen Ansatz handelt, bei der Biologen die Zelle wie Ingenieure verstehen: Nämlich als ein System, das aus Modulen aufgebaut ist und sich dadurch völlig neu  kombinieren lässt. „Unsere persönliche Vision ist es, ein minimales System für eine Zelle zu bauen. Das heißt eine Einheit zu schaffen, die sich selbst teilen und Informationen weitergeben kann. Die dabei aber auch aus sehr wenigen Untereinheiten besteht, die kontrollierbar und quantitativ verstehbar sind“, sagte Schwille.

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Dem Gebiet der Synthetischen Biologie war bei dem Kongress in Berlin ein Vortragssymposium gewidmet, das parallel zu den Workshops lief. Die Vortragenden betonten, Synthetische Biologie sei zu einem erheblichen Teil auch Grundlagenforschung, um Prinzipien des Lebens zu verstehen. Dennoch präsentierten einige Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft erste Ansätze, wie neue designte Zellen oder Mikroben zur Herstellung neuer Wirkstoffe oder für die Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt werden können.

Um die Entwicklung von Visionen auch wirklich langfristig voranzutreiben, betonte BMBF-Staatssekretär die Bedeutung der interdisziplinären Nachwuchsförderung. So sei ab dem kommenden Jahr die Ausschreibung von Nachwuchspreisen geplant. Den Preisträgern will das BMBF eine Nachwuchsgruppe finanzieren.

Dem Auftaktkongress zum Strategieprozess sollen im Herbst nun Fachgespräche in kleinerem Kreise folgen, ab 2011 werden jährliche Highlight-Kongresse die Fortschritte markieren. Insgesamt hofft das BMBF, damit eine Selbstorganisation der Forscher zu initiieren, um den Standort Deutschland in einem Zukunftsfeld früh zu positionieren.

 

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