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Volker Sieber: Grüne Chemie aus Stroh

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Als Inhaber des Lehrstuhls für die "Chemie Biogener Rohstoffe" an der Technischen Universität München sucht Volker Sieber nach neuen Enzymen für die Industrie. Quelle: TU München

24.08.2009  - 

Volker Sieber ist grüner Chemiker: Er arbeitet daran, seine Zunft weniger abhängig vom Erdöl zu machen. Dazu entwickelt der 38-jährige Professor Verfahren, mit denen sich aus nachwachsenden Rohstoffen wichtige chemische Bausteine für Kunststoffe und Biosprit gewinnen lassen. An seinem frisch eingerichteten Lehrstuhl für die „Chemie Biogener Rohstoffe“ der TU München am Wissenschaftszentrum in Straubing tüftelt er an verschiedensten Wegen, wie sich Biomasse zu Chemikalien umsetzen lässt. Dabei setzt Sieber besonders auf die Arbeitspferde der Weißen Biotechnologie: Enzyme in neuen Varianten, die auf ihren Einsatz in Bioraffinerien hin getrimmt werden.




 

„Immer noch mehr als achtzig Prozent der heutigen Chemieproduktion nutzt Erdöl als Rohstoff“, sagt Volker Sieber. „Für ein nachhaltiges Wirtschaften müssen wir die Grundchemikalien zunehmend aus Biomasse gewinnen.“ Solche Verfahren noch dazu möglichst energieeffizient und umweltschonend zu gestalten, das sind die Ziele der „Grünen Chemie“, denen sich Volker Sieber verschrieben hat. Seit 2001 beschäftigt er sich mit der Verwertung nachwachsender Rohstoffe: Zunächst für sechs Jahre als Laborleiter bei der Degussa AG (heute Evonik) in Freising, danach als Projektmanager bei der Südchemie in München. Letzten Herbst wurde der 38-Jährige auf den Lehrstuhl für die „Chemie Biogener Rohstoffe“ berufen, den die TU München am Wissenschaftszentrum in Straubing geschaffen hat. 

Am Anfang eines Enzyms steht seine Produktion. Dazu dienen Bakterien oder wie hier im Glaskolben zu sehen, filamentöse Pilze.Lightbox-Link
Am Anfang eines Enzyms steht seine Produktion. Dazu dienen Bakterien oder wie hier im Glaskolben zu sehen, filamentöse Pilze.Quelle: TU München

Vom kruden Heuaufguss zur Feinchemie 

Die Gegend um den Straubinger Institutsneubau ist reich an Äckern und Wäldern. Hier fällt für Sieber und sein 12-köpfiges Mitarbeiterteam massenhaft Forschungsmaterial wie Stroh, Spelzen und andere Pflanzenreste an: Biomasse mit ihren drei typischen Hauptinhaltsstoffen – die Kohlenhydrate Zellulose und Hemizellulose sowie die Holzsubstanz Lignin. Diese Stoffe sind in großen Mengen verfügbar und lassen sich zu Lösungsmitteln, Alkoholen oder organischen Säuren umbauen. Sie bilden chemische Vorstufen, aus denen sich dann in weiteren Schritten Kunststoffmoleküle oder Treibstoffe synthetisieren lassen.

Doch wie kommt man vom kruden Heuaufguss zur gewünschten Chemikalie? „Als Werkzeuge setzen wir auf eine Kombination aus klassischen Metall-Katalysatoren und neu entwickelten Enzymen“, sagt Sieber.  Gerade die Proteinchemie hat es Volker Sieber angetan. Nach dem Chemie-Studium in Bayreuth machte er seinen Master an der US-Universität in Delaware. Zurück in Bayreuth beschäftigte er sich bei Doktorvater Franz X. Schmid erstmals mit dem molekularen Design von Enzymen.

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Hierbei wird durch zufällig ausgelöste Mutationen in der Erbgutsequenz eine riesige Bibliothek an Enzymvarianten hergestellt - nur die besten und stabilsten der entstandenen Eiweiße werden nach ausgeklügelten Prozeduren ausgewählt. Auch als Postdoc am California Institute of Technology (Caltech) hat Sieber an der Optimierung von Enzymen getüftelt. Logisch, dass die Methoden jetzt auch am neuen Lehrstuhl zum Zuge kommen. Um die Biomasse gezielt zu verwerten, entsteht dort derzeit eine ganze Palette an verschiedenartigen Designer-Enzymen.

Getrimmte Enzyme als Wasserabspalter

Im Visier hat Sieber den Prozess der Wasserabspaltung: Um Kohlenhydrate aus Pflanzen in bestimmte Basischemikalien umzuwandeln, muss ihnen schrittweise Wasser entzogen werden. Gängigerweise badet man dazu die Fasern in heißer Schwefelsäure. „Doch die Ausbeuten sind sehr gering und es gibt wahnsinnig viele unerwünschte Nebenprodukte“, sagt Sieber. Mikroben besitzen Enzyme, die ebenfalls Wasser aus Zuckern abspalten können, die sogenannten Dehydratasen. „Doch sie sind nicht sehr stabil und werden schnell inaktiv“, sagt Sieber. Hier will der Biotechnologe Abhilfe schaffen: Seine Mitarbeiter entwerfen mithilfe ihrer molekularen Trickkiste neue Versionen der Enzyme, die robuster und langlebiger sind und vielleicht sogar effektiver arbeiten.

Die automatisierte Chromatografie (Fast protein liquid chromatography) FPLC kommt dann zum Einsatz, wenn Enzyme isoliert oder aufgereinigt werden müssen.Lightbox-Link
Die automatisierte Chromatografie (Fast protein liquid chromatography) FPLC kommt dann zum Einsatz, wenn Enzyme isoliert oder aufgereinigt werden müssen.Quelle: TU München

Der industrieerfahrene Biotechnologe genießt, dass er nun an seinem neuen Lehrstuhl für einen Akademiker sehr viel angewandte Forschung betreiben kann. „Bei der Verwertung nachwachsender Rohstoffe ist noch viel Grundlagenarbeit zu leisten, aber dabei darf man nicht stehen bleiben, denn am Ende soll eine industrielle Anwendung stehen.“

Die Holzsubstanz Lignin klein kriegen

Neben seinem Team in Straubing betreut Volker Sieber ein Labor und Mitarbeiter am TU München-Campus in Garching. Seit Anfang August leitet er auch eine neue Fraunhofer-Projektgruppe. Sie will sich unter anderem des kniffligen Themas „Ligninabbau“ annehmen. Chemiker mühen sich schon seit mehr als 30 Jahren eher erfolglos an der effizienten Umsetzung der Holzsubstanz in sogenannte chemische Aromaten ab. Sieber hofft dem Lignin wiederum mit einem Methoden-Mix beizukommen. „Nur durch die Kombination von optimierten Enzymen mit chemischen Katalysatoren, die auf Übergangsmetallen basieren, kann das Lignin sinnvoll in seine Untereinheiten zerlegt werden“, erläutert er.

Auch in seiner Freizeit hat Volker Sieber gerne mehrere Optionen auf der Hand: Der zweifache Vater ist leidenschaftlicher Kartenspieler, auch Bridge mag er gern. In Bayern fühlt sich der gebürtige Dresdner bereits seit seiner Studienzeit sehr wohl. Gern ist er mit dem Rad unterwegs oder geht mit der Familie in den Bergen auf Wandertour und genießt so die „nachwachsenden Rohstoffe“ in ihrer natürlichen Umgebung.


Autor: Philipp Graf

 

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