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Systembiologie-Konferenz: Jung, dynamisch und mit dem Blick für das Ganze

Die Preisverleihung für Nachwuchsforscher in der medizinischen Systembiologie: Jens Timmer (Hepatosys), Preisträger Stefan Lengewie, BMBF-Staatsekretär Helge Braun, Preisträgerin Edda Schulz und das Stifter-Ehepaar Monika und Thomas Zimmermann (MTZ-Stiftung), auf der Leinwand von Boston zugeschaltet: Preisträger Thomas Maiwald. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Preisverleihung für Nachwuchsforscher in der medizinischen Systembiologie: Jens Timmer (Hepatosys), Preisträger Stefan Lengewie, BMBF-Staatsekretär Helge Braun, Preisträgerin Edda Schulz und das Stifter-Ehepaar Monika und Thomas Zimmermann (MTZ-Stiftung), auf der Leinwand von Boston zugeschaltet: Preisträger Thomas Maiwald. Quelle: SBMC

04.06.2010  - 

Jung, dynamisch, mit dem Blick fürs Ganze. So charakterisieren Systembiologen die Merkmale ihrer boomenden Forschungsdisziplin. Bei der Fachkonferenz „Systems Biology of Mammalian Cells (SBMC)“ in Freiburg vom 3. bis 5. Juni treffen sich mehr als 300 Forscher aus der medizinisch orientierten Systembiologie. Sie wollen komplexe biologische Prozesse in Formeln gießen und sie damit im Computer virtuell neu zum Leben zu erwecken. So wollen sie Krankheitsmechanismen besser verstehen und neue Therapieansätze entwickeln. In Freiburg wurde nun ein weltweit einzigartiges  Verbundprojekt vorgestellt, das erst kürzlich gestartet ist: In der ehrgeizigen Initiative „Virtuelle Leber“ soll das Stoffwechsel-Organ des Körpers in nie dagewesener Tiefe modelliert werden. Das BMBF fördert das Kompetenznetz in den nächsten fünf Jahren mit 43 Millionen Euro. Bei der SMBC-Konferenz  wurden zudem die drei besten Doktorarbeiten der letzten Jahre mit einem gestifteten Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Gerade für die Medizin der Zukunft gilt die Systembiologie als Hoffnungsträger. Sie erfasst komplexe Krankheitsmechanismen in ihrer Gesamtheit und Dynamik und erlaubt so, ganz gezielt neue, wirkungsvolle Ansätze für die Therapie zu finden. Mathematische Modelle, gespeist aus experimentellen Daten, können zeigen, wie sich ein Wirkstoff im Körper verteilt, wie schnell er abgebaut wird und wie man ihn dosieren muss, damit Nebenwirkungen minimiert werden.

Molekularbiologie und Mathematik  

Conference on Systems Biology in Mammalian Cells

www.sbmc2010.de

"Systembiologische Forschung schafft durch die Verknüpfung molekularbiologischer Ansätze mit mathematischen Computermodellen neue Lösungswege für eine individualisierte Medizin, von der jeder Patient profitieren kann", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Dr. Helge Braun, zur Eröffnung der SBMC-Konferenz am 3. Juni im Konzerthaus ins Freiburg. Die Systembiologie sei daher entscheidender Impulsgeber für Innovationen in der Medizin in der nächsten Dekade. Tatsächlich hat die Systembiologie in Deutschland innerhalb weniger Jahre einen Boom erlebt. Seit 2004 hat das BMBF die junge Disziplin als eine innovative Schlüsseltechnologie mit 300 Millionen Euro gefördert und in diesem Rahmen eine Reihe an Systembiologie-Inititativen gestartet, erst kürzlich bescheinigte eine unabhängige Jury von internationalen Experten der Forschungslandschaft in Deutschland Weltklasse-Format (mehr…).

Auf der Konferenz trafen sich 300 Forscher, um sich über neueste Forschungsergebnisse der medizinischen Systembiologie auszutauschen. Lightbox-Link
Auf der Konferenz trafen sich 300 Forscher, um sich über neueste Forschungsergebnisse der medizinischen Systembiologie auszutauschen. Quelle: Philipp Graf/biotechnologie.de
 

Als erste Systembiologie-Inititiative wurde 2004 das Kompetenznetzwerk HepatoSys aus der Taufe gehoben. In dem deutschlandweiten Verbundprojekt mit anfänglich 27 Arbeitgruppen hatten sich die Partner das ehrgeizige Ziel gesetzt, das biologische System Leberzelle zu erforschen und mathematisch zu modellieren. (Mehr Infos: www.hepatosys.de) Von 2007 an wurde der Verbund erneut für drei weitere Jahre vom BMBF gefördert, diesmal mit mehr als 40 Partnern. Insgesamt sind inzwischen 36 Millionen Euro in das Hepatosys-Netzwerk geflossen. 2008 wurde dann die zweijährige Konferenz „Systembiologie der Säugetierzelle (SBMC)“ gestartet, um moderne experimentelle und computergestützte Ansätze zur Entschlüsselung von regulatorischen Prozessen in Säugetierzellen zu diskutieren. 

Systembiologie

Die Systembiologie will ein Gesamtbild von den dynamischen Vorgängen des Lebens unter Einbeziehung sämtlicher Ebenen schaffen – vom Genom über das Proteom bis hin zur kompletten Zelle oder gar einem vollständigen Organismus. Das BMBF hat ein Informationsportal zur Systembiologie eingerichtet.

www.systembiologie.de

Von der modellierten Zelle zur virtuellen Leber

Das Forschungsnetzwerk Hepatosys läuft in diesem Jahr aus, doch nahezu übergangslos ist  im April ein großes Nachfolgeprojekt gestartet: Das Netzwerk „Virtuelle Leber“ (Virtual Liver Network“). Die Veranstalter nutzten die Konferenz in Freiburg, um erstmals die ambitionierten Ziele des Mega-Projekts vorzustellen. „Wir wollen nun unser Wissen über die Prozesse der  Leberzelle auf eine höhere Ebene heben und die Leber als ganzes Organ modellieren“, sagte der Brite Adriano Henney, neu installierter Programmdirektor des Netzwerks. Henney lenkt fortan das Großvorhaben, in dem  bundesweit 70 Arbeitgruppen miteinander vernetzt sind. Das BMBF fördert die Initiative bis 2015 mit 43 Millionen Euro. Vorbild der deutschen Forscher ist das „Virtual Heart“, das seinerzeit von dem britischen Forscher John Noble modelliert wurde. Die Leber als Stoffwechselzentrale des Körpers funktioniert jedoch wesentlich komplexer und stellt die Forscher vor besondere Herausforderungen. Einzelne Arbeitsgruppe wollen sich dabei auf bestimmte Stoffwechselfunktionen konzentrieren, weitere Schwerpunkte sind die Entzündungen und die Regenerationsfähigkeit des Organs. Gemeinsam ist allen Arbeitsgruppen: Sie verknüpfen Laborexperimente mit der Modellierung im Computer. “Wir wollen Erkenntnisse aus der Ebene der Moleküle, Zellen, Gewebe integrieren. Das ermöglicht uns einen dynamischen Blick auf die Leber“, so Henney. Dabei wollen die Forscher auch die Brücke zur klinischen Forschung schlagen. So ist geplant, dass die gewonnen Erkenntnisse der „virtuellen Leber“ ins Design von klinischen Studien einfließen. Aus der Sicht von Henney steht fest: das „Netzwerk Virtuelle Leber“ ist ein Vorzeigeprojekt der deutschen Systembiologie.

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Drei Preise an herausragende Nachwuchsforscher vergeben

Angesichts der vielen jungen Wissenschaflterin, die sich im boomenden Fach der Systembiologie tummeln, werden Talente inzwischen gezielt unterstützt. Ein Förderer ist beispielsweise die private MTZ-Stiftung, gegründet von Monika und Thomas Zimmermann aus Erkrath. In Zusammenarbeit mit dem BMBF wurde am 4. Juni daher an drei Nachwuchsforscher Preise für herausragende Doktorarbeiten in der medizinisch orientierten Systembiologie verliehen. Eine nationale Expertenjury hatte dazu bereits drei herausragende Kandidaten gekürt. Doch die endgültige Platzierung mussten sich die Nominierten noch erarbeiten.  Erst nach einer Kurzpräsentation im Plenum sollte die Reihenfolge von einer Fachjury  festgelegt werden. Um es spannend zu machen, hatten die Veranstalter keine Kosten und Mühen gescheut: Nachwuchsforscher Thomas Maiwald wurde gar per Video-Schalte aus der Harvard Medical School in Boston auf die riesige Leinwand des Konzerthauses projeziert. Am Ende kamen die drei Vorträge so gut an, dass die Jury letztlich drei erste Preise vergab. Die Jungforscher teilen damit die 5200 Euro unter sich auf.

 


Die drei Preisträger im Überblick:

 

  • Edda G. Schulz:  Die Biochemikerin hat in ihrer Doktorarbeit am Deutschen Rheumaforschungszentrum (DRFZ) Prozesse aufgeklärt, die bei rheumatischen Erkrankungen dazu führen, das die körpereigene Immunabwehr fehlgeleitet wird (mehr...). Durch eine Kombination von Experimenten und mathematischen Modellen entdeckte die Nachwuchswissenschaftlerin in ihrer Doktorarbeit, dass ein von Helferzellen gebildetes Eiweißmolekül namens T-bet, das für die Entzündungsreaktion verantwortlich zeichnet, in zwei Wellen ausgeschüttet wird – wobei erst die zweite die zerstörerische Gelenkentzündung verursacht. "Je besser wir verstehen, wie diese Abwehrzellen am Rheumaprozess mitwirken, umso näher kommen wir dem Ziel, sie daran zu hindern, körpereigenes Gewebe anzugreifen", sagt Schulz. Derzeit forscht sie am Institut Curie in Paris.

  • Stefan Legewie: Der Biochemiker befasste sich im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Humboldt Universität in Berlin mit der Simulation von Rückkopplungsschleifen in biologischen Regelkreisen. Sie sind essentiell dafür, dass ein biologisches System stabil funktioniert und im Gleichgewicht bleibt. Geraten diese Rückkopplungen aus dem Takt, können schwere Krankheiten wie Krebs die Folge sein. In Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen in Heidelberg und Freiburg untersuchte Legewie die Bedeutung solcher Feedbackmechanismen für die Leberregeneration nach einer Vergiftung. Durch Experimente mit kultivierten primären Leberzellen und Computersimulationen identifizierte der Nachwuchsforscher den zentralen Regulator in diesem Prozess, ein Eiweißmolekül namens SnoN. Derzeit arbeitet Legewie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ).

  • Thomas Maiwald: Der Physiker tüftelte als Doktorand an der Universität Freiburg neue statistische Methoden aus, mit denen sich die Messqualität verbessern und die Zahl der notwendigen Experimente zu reduzieren lässt. Außerdem entwickelte er die Software PottersWheel. Sie unterstützt Systembiologen dabei, experimentelle Daten in mathematische Modelle zu übersetzen. „Es erlaubt zu berechnen, ob sich die Vorstellung über einen bestimmten Signalweg oder einen Regulationskreislauf überhaupt mit den Messergebnissen vereinbaren lässt“, erläuterte Maiwald. PottersWheel wurde bereits zum Erfolg: Das Programm nutzen mittlerweile Systembiologen aus aller Welt bei ihrer Arbeit. Um die Entwicklung des Programms voranzutreiben hat Maiwald gemeinsam mit einer Kollegin 2009 das Unternehmen Tikanis in Freiburg gegründet, das er neben seiner Forschungsarbeit betreibt. Derzeit forscht Maiwald am Department of Systems Biology an der Harvard Medical School in Boston.
 

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