Neues Werkzeug für die Biomarkerforschung
07.04.2010 -
Die Proteomik beschäftigt sich mit der systematischen Erforschung der Eiweißstoffe in biologischen Systemen. Besonderes Augenmerk liegt dabei derzeit auf der quantitativen Analyse, der Mengenbestimmung mithilfe der Massenspektrometrie. Dieses Verfahren wird immer wichtiger, um etwa krankhafte Veränderungen in Körperflüssigkeiten nachzuweisen. Doch um überhaupt absolute Konzentrationen bestimmen zu können, braucht es im Massenspektrometer Vergleichsproben, was die Messung bisher aufwendig und teuer macht. Die Regensburger Biotech-Firma Entelechon hat nun ein schnelleres Verfahren entwickelt: Mit einem Griff in die Trickkiste der Synthetischen Biologie werden darin in einem Schritt viele unterschiedliche Referenz-Abschnitte am Stück hergestellt.Die Entwicklung des Verfahrens wurde vom BMBF in der Förderinitiative „KMU innovativ“ unterstützt und hat zur Gründung einer eigenen Firma geführt.
Die Proteomik bedient sich der Massenspektrometrie, um Proteine anhand charakteristischer Zerfallsmuster zu identifizieren. Dabei werden Protein-Bruchstücke im Massenspektrometer nach ihrem Verhältnis von Masse zu Ladung aufgetrennt und eindeutig identifiziert. Eigentlich ist die Massenspektrometrie daher eher ein qualitatives Analysewerkzeug.
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Zur absoluten Mengenbestimmung eignet sie sich erst dann, wenn Vergleichs-Proben mitgemessen werden, deren Menge und Zusammensetzung genau bekannt sind. Solche Mischungen aus markierten Referenz-Peptiden in exakt gewünschter Zusammensetzung herzustellen, war bisher ein teures und zeitintensives Unterfangen. Deswegen hat sich die Forschung zumeist mit der relativen Proteinbestimmung begnügt. Doch sie eignet sich nicht für Langzeitstudien oder Vergleichsuntersuchungen.
Um diesen Engpass zu beheben, hat sich die Regensburger Biotechnologie-Firma Entelechon GmbH daran gemacht, ein neues Verfahren zu entwickeln, mit dem sich Dutzende Proteine auf einmal im Massenspektrometer vermessen lassen - und zwar in absoluten Mengen. Das Entwicklungsprojekt namens „QconCAT“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Förderinitiative „KMU innovativ“ von 2006 bis 2009 mit 360 000 Euro unterstützt.
Ein Kunstgen aus vielen Referenz-Abschnitten
In ihrem Projekt haben die beiden Entelechon-Geschäftsführer Werner Deininger und Markus Fischer Methoden aus der Bioinformatik und der künstlichen Gensynthese miteinander kombiniert. Damit entwickelten sie im Auftrag ein Konzept weiter, das vor Jahren erstmals von britischen Forschern aus Liverpool und Manchester entworfen wurde.
Der Ablauf des Verfahrens beschreibt sich am besten an einem praktischen Beispiel: Bei Krebserkrankungen, zum Beispiel in der Blase, erlaubt das Wissen um die genauen Mengen an bestimmten Eiweißstoffen im Urin eine Aussage über den Verlauf der Erkrankung. „Wenn wir beispielsweise 40 solcher Biomarker im Urin messen wollen, suchen wir für jedes dieser Proteine einen kleinen, charakteristischen Abschnitt in der Aminosäureabfolge“, erläutert Markus Fischer. Der Bioinformatiker hat Computerprogramme darauf ausgerichtet, dass die dabei ausgewählten „Referenz-Peptidabschnitte“ nicht zu lang sind und sich dazu noch im Massenspektrometer möglichst einfach messen lassen. Nun folgt der Kunst-Griff: „Die 40 Referenzabschnitten der verschiedenen Eiweißmoleküle hängen wir nun hintereinander“, sagt Fischer, „wir basteln daraus ein synthetisches Gen“. Das Kunstgen (auch Konkatamer genannt) schleusen die Biotechnologen nun in Bakterien ein. Die Mikroben stellen anhand der künstlichen Bauanleitung eine lange Eiweißkette her.
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„Mit dem Enzym Trypsin zerlegen wir danach die entstandene Polypetidkette in seine 40 Einzelbestandteile“. Gleichzeitig werden die Fragmente noch mit schweren, nicht radioaktiven Isotopen versehen und dann mit der zu messenden Protein-Probe vermischt. Durch die Anhängsel fliegen die hergestellten Referenz-Stückchen einen Hauch langsamer durch den Massenspektrometer als ihre natürlichen Pendants. „Genau diesen Shift können wir messen und damit auf die absolute Menge schließen“, sagt Entelechon-Chef Werner Deininger.
Günstiger als gängige Testverfahren
Mit der Qconcat-Technik (Quantification Concatemer) lässt sich als also gleich ein Mix aus Referenz-Peptiden herstellen, Dutzende von Proteinen lassen sich so in einer Probe exakt vermessen. „Natürlich hat die Markierung mit schweren Isotopen auch ihren Preis“, sagt Fischer, „aber unser Verfahren ist relativ günstig für das, was es kann“. Ein sogenannter ELISA-Test, das gängige Protein-Nachweisverfahren, sei im Verhältnis wesentlich teurer, da für jedes zu messende Eiweiß in monatelanger Arbeit ein Antikörper hergestellt werden müsse.
Entelechon GmbH |
Das Biotechnolgie-Unternehmen aus Regensburg bezeichnet sich als Entwicklungslabor für DNA- und Protein-basierte Synthese und Analytik. Neben Dienstleistungen im Bereich Gen- und Proteinengineering bildet die Bioinformatik einen weiteren Schwerpunkt. Die Polyquant GmbH ist eine Tochterfirma von Entelechon. |
Gerade für die Biomarkerforschung, also dem Fahnden nach aussagekräftigen Krankheitsanzeigern im Körper, sieht Fischer für die neue entwickelte Messmethode eine wichtige Rolle zur Vorauswahl. „Qconcat hilft, wesentlich präziser aus 50 Kandidatenproteinen die entscheidenden Biomarker auszuwählen“, so der Entelechon-Mann.
Biomarker: Raster-Fahndung im Urin
Mit der Suche nach Biomarkern ist das Unternehmen sowohl in Projekten im Kundenauftrag als auch in Forschungsprojekten im Rahmen des 7. EU-Rahmenprogramms beschäftigt: Das Forscherkonsortium namens „DeCanBio“ fahndet im Urin nach verräterischen Spuren von Blasenkrebserkrankungen. Neben der Biomarkerforschung eignet sich das Verfahren aber auch für die Suche nach neuen Wirkstoffen oder etwa für Medikamententests. Auch Grundlagenforscher dürften sich dafür interessieren, etwa um Signalwege mit vielen Proteinkomponenten in der Zelle exakt zu vermessen. Um das Verfahren nach der Entwicklung zu kommerzialisieren, haben Deininger und Fischer 2007 die Firma Polyquant GmbH als Tochter-Unternehmen von Entelechon gegründet.