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Schaf auf dem Sequenziertisch der Forscher

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Die Proben für das jetzt gestartete Genomprojekt stammen vom Texelschaf, dessen züchterischer Ursprung auf der niederländischen Nordseeinsel Texel liegt. Quelle: rs-foto

26.02.2010  - 

Erst kam die Kuh, dann das Schwein, vor kurzem war das Pferd dran. Nach und nach entschlüsseln Forscher weltweit das Erbgut der wichtigsten Nutztierrassen. Nun geraten die 1,3 Milliarden Schafe ins Visier eines internationalen Wissenschaftlerteams. Forscher des Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf wollen zusammen mit Kollegen aus USA, Australien, Neuseeland, Großbritannien die DNA-Sequenz des Fleisch- und Wolllieferanten komplett aufklären. Wie die beteiligte Arbeitsgruppe um Tom Goldammer jetzt ankündigt, wird das bis Ende 2012 laufende internationale Forschungsprojekt vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium finanziert.


 

Nur wenige Tiere sind für den Menschen so wichtig wie Schafe. Sie liefern nicht nur Wolle, sondern auch Fleisch. Auch wenn umherziehende Schäfer mit ihren Herden in Deutschland zum seltenen Anblick geworden sind, gibt es hierzulande immerhin 2,6 Millionen Tiere. Weltweit gesehen ist das zwar vernachlässigbar. So sollen in China mittlerweile 170 Millionen Tiere auf den Weiden herumlaufen, womit das Land den bisherigen Spitzenreiter Australien abgelöst hat. Dort werden nur 103 Millionen Exemplare gezählt. Doch mit 89 Rassen, die hier beheimatet sind, befindet sich in Deutschland eine der international bedeutendsten Genpools. Die rechtzeitige Sequenzierung des Erbguts der verschiedenen Rassen könnte eine Möglichkeit sein, den genetischen Reichtum dieser zum Teil jahrtausendealten Zuchtlinien zu bewahren.

Die Forscher des FNB haben in dem Projekt die Aufgabe, problematische DNA-Abschnitte auf den Chromosomen zuzuordnen.Lightbox-Link
Die Forscher des FNB haben in dem Projekt die Aufgabe, problematische DNA-Abschnitte auf den Chromosomen zuzuordnen.Quelle: FNB

Ein Texelschaf macht den Anfang

Das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf ist eines der Zentren der Genomforschung an Nutztieren in Deutschland. Forscher des Instituts waren schon an der Sequenzierung des Rindergenoms beteiligt. Jetzt ist die Expertise aus Mecklenburg-Vorpommern wieder gefragt. Unter der Führung des College of Agriculture der Universität Utah haben sich neben den Leibniz-Forschern auch Wissenschaftler aus Neuseeland, Australien, Großbritannien und dem amerikanischen Houston zusammengetan, um die DNA-Anordnung des gesamten Schaf-Erbguts zu analysieren. Die Proben entstammen dabei von einem Exemplar des Texelschafs, das zum ersten Mal auf der gleichnamigen niederländischen Nordseeinsel gezüchtet wurde.

Institut für Nutztierbiologie

Das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf in Mecklenburg-Vorpommern wurde 1993 gegründet. Es steht in der historischen Tradition des 1939 in Dummerstorf und Rostock entstandenen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Tierzuchtforschung, aus dem 1952 das „Institut für Tierzuchtforschung“ der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR hervorging. Derzeit arbeiten 60 Forscher im Institut.

Zur Website des Instituts: hier klicken

Die Gesamtanalyse eines Genoms besteht nicht nur darin, alle Buchstaben des Erbguts zu kennen. Ebenso wichtig ist es, das Genmaterial in der richtigen Reihenfolge auf den einzelnen Chromosomen anzuordnen. Dabei können die Forscher auf die großen Genomprojekte der Vergangenheit aufbauen. "Anhand der schon entschlüsselten Genome von Mensch, Hund, und Rind konnten wir ein sogenanntes virtuelles Genom erstellen", erklärt Tom Goldammer gegenüber biotechnologie.de. Das ist möglich, weil sich die Genome höherer Säugetiere in vielen Teilen überschneiden. Mit Hilfe dieses Grobgenoms setzen die amerikanischen Projektpartner am Baylor College of Medicine in Houston mit Methoden der Bioinformatik das Genom des Schafs so gut es geht zusammen. Dabei werden die einzelnen kurzen DNA-Schnipsel, die ausgelesen werden, vom Computer abgeglichen, passende Stücke nach und nach zu längeren Strängen zusammengefügt und schließlich an die Stellen gesetzt, die nach dem Vorbild anderer Genome wahrscheinlich sind. "Doch irgendwann weiß der Computer nicht mehr weiter", sagt Goldammer. Dann schlägt die Stunde der Forscher aus Dummerstorf. Sie kümmern sich innerhalb des Projekts um die Problemfälle bei den DNA-Fragmenten. Bei sogenannten evolutionären Bruchpunkten auf den Chromosomen unterscheiden sich die Säugetiere nämlich deutlich. Hier muss per Handarbeit nachgebessert werden.

Die Arbeitsgruppe um Tom Goldammer aus dem Forschungsbereich Molekularbiologie am Institut für Nutztierbiologie ist dabei weltweit eine der wenigen Gruppen, die sich mit der hierfür notwendigen Methode der physikalischen Genkartierung beim Schaf auskennt. Schon seit 2005 arbeiten die Wissenschaftler um Goldammer mit der Universität von Utah im internationalen Schaf-Genom-Konsortium zusammen. Innerhalb dieser Kooperation konnten schon einige Regionen der Genkarte erschlossen werden. Jetzt wird zum ersten Mal Vollständigkeit angestrebt. Oder jedenfalls fast. "Bis zum Projektende 2012 wollen wir 95% des Genoms entschlüsselt haben", sagt Goldammer. Vollständigkeit ist nämlich immer relativ. Auch beim Humangenom, das spätestens 2003 als entschlüsselt galt, gibt es noch einige Tausend DNA-Abschnitte, die als unklar gelten und jetzt nach und nach abgearbeitet werden. Übrigens mit der gleichen Methode wie es die Dummerstorfer Forschern nun beim Schaf anwenden. Der allergrößte Teil der 54 Schafchromosomen wird aber in drei Jahren bekannt sein, so die Hoffnung der Forscher.

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Die Erkenntnisse aus dem Projekt, in die das US-Landwirtschaftsministerium insgesamt rund eine Million Dollar steckt, dürften in vielfacher Hinsicht nützlich sein. Zum einen für die Schafe selbst, vor allem für die vom Aussterben bedrohten Rassen. Sie könnten durch weitere Analysen eventuell einmal wieder nachgezüchtet werden. Die enorme Rassenvielfalt macht das Schaft aber auch für die Wissenschaft interessant. So gilt das Schaf aufgrund seiner Rassenvielfalt als ideales Modell zur Gewinnung von Erkenntnissen zu Genomvariationen. Das entschlüsselte Erbgut von Rind und Schaf soll künftig das Rückgrat für die Analyse der Genstruktur anderer Wiederkäuer, beispielsweise von einer Ziege oder einer Giraffe, bilden. Es wird dann für Wissenschaftler und Forscher frei zugänglich sein, kündigen die Wissenschaftler an.

Die genaue Kenntnis der Unterschiede im Erbgut verschiedener Schafsrassen könnte vielleicht auch einmal zu neuen Zuchtfortschritten führen, sagt Goldammer. So könnten beispielsweise langfristig moderne umweltangepasste Schafsrassen entwickelt werden, die mit den lokalen Gegebenheiten einer Region optimal zu Recht kommen und sehr gute Erträge wie Wolle, Fleisch und Milch liefern. Zudem mache die relativ hohe genetische Ähnlichkeit und damit enge Beziehung zum Menschen das Schaf zu einem nützlichen Modell für grundsätzliche biomedizinische Fragestellungen. Für die Wissenschaftler sei die Beteiligung an einem internationalen Genomprojekt dieser Größenordnung jenseits aller Erkenntnisse auch eine Bestätigung für die geleistete Arbeit, so Goldammer. "Wir empfinden es als eine Ehre, von den Kollegen dafür angefragt worden zu sein."

 

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