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Dem Menschen so nah: Pferdegenom entschlüsselt

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Ein internationales Forscherteam hat das Genom der Vollblut-Stute "Twilight" der Cornell University in Ithaca sequenziert und mit dem Menschengenom verglichen. Quelle: Cornell University

11.11.2009  - 

Ein internationales Forscherteam hat in dreijähriger Arbeit das Erbgut des Hauspferdes Equus ferus caballus vollständig entschlüsselt und dabei bemerkenswerte Ähnlichkeiten zum menschlichen Genom entdeckt. Das globale Projekt wurde  von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover angestoßen, die sich als ersten Partner das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig mit ins Boot holte. Die Ergebnisse, die im Fachmagazin Science  (6. November, Ausg. 5954, S. 865 - 867) veröffentlicht wurden, sollen nach Hoffnung der Wissenschaftler die Grundlage bilden, die Entstehung von Krankheiten und die Evolution der Pferde besser zu verstehen.



 

"Twilight" führt ein Leben im Dienste der Wissenschaft. Die Vollblut-Stute, die auf den Weiden der Cornell University in Ithaca zu Hause herumgaloppiert, ist sich ihrer Bedeutung wohl nicht bewusst. Dabei ist sie weltweit der erste Vertreter der Familie der Pferde, dessen Erbgut nun vollständig vorliegt. Es dauerte drei Jahre, um die rund 2,7 Milliarden Basenpaare des Pferdegenoms zu entschlüsseln. Damit reiht sich das Pferd in eine stetig wachsende Liste von rund zwei Dutzend Säugetierarten ein, deren Genom sequenziert wurde - darunter Hund, Schimpanse, Schwein, Ratte, Maus und Kuh.

Das gewaltige Unterfangen keimte auf eher unüblichem Terrain, in der Berliner Vertretung Niedersachsens. Am 28. August 2006 hielt Ministerpräsident Christian Wulff dort eine Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Pferdeland Niedersachsen". Er sprach von der großen Bedeutung der Vierbeiner für  Hannover und Umgebung: das Bundesland ist immerhin der weltweit führende Züchter von Sportpferden. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre die Rede Wulffs folgenlos geblieben, wäre nicht der Präsident der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover, Gerhard Greif, unter den Zuhörern in Berlin gewesen. Er fühlte sich von Wulffs Worten so animiert, dass er gleich in den nächsten Tagen das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im benachbarten Brausnchweig kontaktierte und den Kollegen vorschlug, die vereinzelten Untersuchungen, die an der TiHo schon zum Erbgut von Pferden liefen, zu einer kompletten und systematischen Entschlüsselung des Pferdegenoms auszubauen. Die HZI-Forscher sagten zu, und nach und nach konnten weitere Forscher aus Australien, Frankreich, Irland, Italien, Norwegen, Schweden, der Schweiz und den USA für das Projekt gewonnen werden.

HZI-Arbeitsgruppenleiter Helmut Blöcker und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff mit Pferd in Berlin. Die Landesregierung unterstützte das Projekt mit 1,5 Millionen Euro.Lightbox-Link
HZI-Arbeitsgruppenleiter Helmut Blöcker und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff mit Pferd in Berlin. Die Landesregierung unterstützte das Projekt mit 1,5 Millionen Euro.Quelle: Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig

Unterschiede zwischen Andalusiern und Isländern verglichen

Schon im Frühjahr 2007 hatte die Forschergruppe bereits einen ersten Entwurf der Pferdegenomsequenz veröffentlicht und die Sequenz in einer frei zugänglichen Datenbank im Internet veröffentlicht. Die jetzige Arbeit stellt eine starke Verfeinerung und verbesserte Anordnung der Informationen mit einer ungleich größeren Datenmenge dar. Um diese sogenannte hoch auflösende Genomsequenz zu erstellen, haben die Forscher nicht nur die komplette DNA von "Twilight" durch die Gensequenzierer laufen lassen. Zusätzlich haben sie größere Bereiche des Genoms anderer Pferderassen verglichen, wie Hannoveraner, Araber, Andalusier, American Quarter Horse, Belgische Kaltblüter und Isländer, um genetische Varianten - zwischen den Rassen genauso wie innerhalb einer Rasse - aufzuspüren. Daraus ist eine Datenbank mit über einer Million Varianten einzelner Basenpaare, sogenannter single nucleotide polymorphisms, SNPs, entstanden.

Dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig kam in dem Projekt die Aufgabe zu, aus den Hunderttausenden von entschlüsselten DNA-Fragmenten, die aus der ganzen Welt in Braunschweig eintrafen, eine zusammenhängende Landkarte des Pferdegenoms zu erstellen. Welche Gensequenzen sind wo verankert? Dabei hat die HZI-Gruppe nicht die DNA-Fragmente in ihrer vollen Länge analysiert, sondern nur die Enden. Es ging den Forschern darum, herauszubekommen, welche Bruchstücke an den Enden die gleiche Sequenz von DNA-Bausteinen aufweisen. Gleiche Sequenzen bedeuten, dass die jeweiligen DNA-Bruchstücke zusammen gehören. "Man kann sich das ähnlich wie mit zwei Reihen von Ziegelsteinen vorstellen. Nur wenn sie in bestimmter Weise aneinander gelegt werden, passen sie auch lückenlos zusammen", erklärt Helmut Blöcker, Leiter der Abteilung: Genomanalyse am HZI. "So verhält es sich auch mit unseren DNA-Fragmenten."

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Erbkrankheiten beim Menschen besser verstehen

Jetzt haben die Forscher die nötige Grundlage, um erblich bedingte Krankheiten bei Pferden besser zu verstehen. Das spielt nicht nur in Niedersachsen eine Rolle, dem weltweit führenden Standort in der Zucht von Sportpferden. Durch den Vergleich der gesammelten genetischen Daten haben die Forscher bereits Mutationen für Farbvarianten, Gelenkerkrankungen und eine verminderte Fruchtbarkeit gefunden. "Die Osteochondrose ist eine bei Pferden häufige Erkrankung der Gelenke, die bereits im Fohlenalter auftritt. Mit Hilfe der Erkenntnisse über die Entstehung dieser Erkrankung werden wir neue Diagnose- und Behandlungsformen entwickeln können", sagt Ottmar Distl, Direktor des Instituts für Tierzucht und Vererbungsforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Die Veterinärmediziner wollen ihre Ergebnisse aber nicht nur verwenden, um erkrankte Pferde besser behandeln zu können. Es geht auch und vor allem um den Menschen. "Wenn wir die genetischen Übeltäter bei Pferden identifizieren, können wir daraus auch Rückschlüsse auf Erkrankungen beim Menschen ziehen", so Distl. Zudem seien Pferde zu ganz außergewöhnlichen sportlichen Leistungen fähig. "Wenn wir diese genetisch verankerten Eigenschaften studieren, können wir neue Erkenntnisse für den Muskelaufbau und die Knochenstabilität und somit auch zur Osteoporose des Menschen erhalten."

Mehr als die Hälfte der Pferdechromosomen zeigen menschenähnliche Anordnung

Die Ähnlichkeiten im Genom zwischen Mensch und Pferd sind frappierend. Das Erbgut des Pferdes ist nicht nur fast so groß wie das von Homo sapiens, sondern auch bemerkenswert ähnlich angeordnet. Mehr als die Hälfte der Pferdechromosomen haben eine mit dem menschlichen Genom vergleichbare Reihenfolge der Gene, die Zahl der sogenannten Rearrangements, des Austauschs von Genen, sind gering. Damit ist das Pferd dem Menschen im Innersten ähnlicher als dessen bester Freund, der Hund. Immerhin rund 90 Erbkrankheiten, unter denen Pferde leiden können, sind mehr oder weniger mit menschlichen Erkrankungen vergleichbar.

Den Forschern der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung wurde für ihre Arbeiten am Pferdegenom aus dem "Niedersächsischen Vorab" der VolkswagenStiftung 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Mittel werden auf Vorschlag der Niedersächsischen Landesregierung, vertreten durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, vergeben.

 

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