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Ralf Takors: Ingenieur des Lebens

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Seit Juli 2009 leitet Ralf Takors das Institut für Bioverfahrenstechnik (IBVT) an der Universität Stuttgart. Quelle: Lehmann / BioRegio STERN

17.12.2009  - 

Die moderne Biotechnologie ist eine Querschnittsdisziplin. Davon profitieren Wissenschaftler, die nicht nur über den Tellerrand blicken, sondern ihn auch zu überschreiten wagen. Ralf Takors hat die Fachgrenzen nie als Hürden angesehen. Nach seinem Studium als Maschinenbau-Ingenieur mit dem Schwerpunkt Verfahrenstechnik wandte sich der 1966 geborene Forscher der Biologie zu. "Biotechnologie war für mich damals noch etwas Neues, hatte aber auch den Reiz des Unbekannten", sagt er im Rückblick. Unbekannt ist ihm das Feld heute nicht mehr. Seit Juli 2009 leitet Ralf Takors das Institut für Bioverfahrenstechnik (IBVT) an der Universität Stuttgart.


 

Die Grenzüberschreitung fand im Jahr 1993 statt. Sie glückte auch, weil der frischdiplomierte Verfahrenstechniker Ralf Takors im Institut für Biotechnologie am Forschungszentrum Jülich auf Christian Wandrey stieß. Der renommierte Biotechnologe unterstützte den Quereinsteiger und entwickelte sich nicht nur wissenschaftlich zum Vorbild und Mentor. „Wandrey hat seinen Forschern große Freiheiten gelassen und gab damit ein positives Beispiel. Außerdem hat er sehr danach geschaut, dass die Technologien auch Anwendung finden in der Industrie“, sagt Takors.

Im dynamischen Grenzbereich zwischen verschiedenen Fächern fühlt sich der in Koblenz geborene Takors wohl. "Ich fand es es spannend, meiner Arbeit noch einen Freiheitsgrad hinzuzufügen, weil die Systeme leben, mit denen man sich in der Biotechnologie auseinandersetzt", erinnert sich Takors. „In den biologischen Bereich musste ich mich natürlich erst einarbeiten. Man muss als Ingenieur viel dazu lernen, etwa im Bereich Stoffwechselmechanismen", so der Forscher weiter. In Jülich befasste er sich mit der Entwicklung und dem Einsatz einer experimentellen Versuchsplanungstechnik für mikrobielle Bioprozesse. Dieses Thema führte ihn über die Promotion in den Bereich der Bioverfahrenstechnik - also der technischen Entwicklung von Bioprozessen. In der Folgezeit blieb er dem Themengebiet treu, was 2004 zur Habilitation am Forschungszentrum Jülich beziehungsweise der RWTH Aachen führte.

Ralf Takors ist auch deshalb in die Hochschule zurückgekehrt, weil er noch gerne selbst Hand anlegt - wie hier bei der Kontrolle der Schlauchverbindungen eines Bioreaktors am IBVT. Lightbox-Link
Ralf Takors ist auch deshalb in die Hochschule zurückgekehrt, weil er noch gerne selbst Hand anlegt - wie hier bei der Kontrolle der Schlauchverbindungen eines Bioreaktors am IBVT. Quelle: Lehmann / BioRegio STERN

Fruchtbare Symbiose der Disziplinen

Das Thema „Metabolic and Bioprocess Engineering – a fruitful symbiosis“ verdeutlicht Takors multidisziplinäre Herangehensweise. Seiner Erklärung nach ist das Bioprozess-Engineering die eigentlich ältere Technologie, die dann durch das metabolische Engineering ergänzt wurde. Die neue Schnittstellenwissenschaft führte ihn zu quantitativen Betrachtungen, was genetisch an mikrobiellen Produktionsstämmen geändert werden muss, um zum Beispiel höhere Ausbeuten zu erhalten und damit Produktionsprozesse zu optimieren. In dieser Zeit entwickelte Takors seinen grundlegenden Forschungsansatz, dem er auch heute noch folgt. „Aus meiner Sicht geht es immer um den Dreiklang aus Methodenentwicklung, Methodenverfeinerung und Anwendung. Auch in der Praxis sollte man jeden Schritt als Teil dieses Dreiklangs verstehen“, erklärt Takors. Die Praxisorientierung half ihm 2004 bei seinem Abstecher in die Industrie. Ihn lockte eine Position bei der heutigen Evonik Degussa GmbH, damals Degussa AG. „Auch als forschender Ingenieur sollte man mal die reale Welt gesehen haben“, sagt Takors mit einem Schmunzeln. Die reale Welt, das bedeutet nah an der Anwendung zu arbeiten. Am Forschungszentrum Jülich stoßen die Wissenschaftler hier an bestimmte Grenzen: „Es kommt in der Forschung immer der Punkt, an dem die Industrie nicht weiterredet - natürlich, um ihre Produkte und Technologien zu schützen", erzählt Takors. "Ich wollte jedoch unbedingt die Arbeitsweise der Industrie kennen lernen.“

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Einmal Industrie und zurück

Diese Chance nutze er bis Sommer 2009 intensiv. Takors wurde leitender Forscher bei „Feed Additives", dem Geschäftsbereich, der bei Evonik fast die gesamte Biotechnologie des Konzern umfasst. Als Gruppenleiter war Takors verantwortlich für die Bioprozessentwicklung und -optimierung, wobei er eng mit den Molekularbiologen zusammenarbeitete, die die Stammentwicklung betrieben. Gleichzeitig baute Takors Schnittstellen mit Partnern aus der Systembiologie auf. Darüber kam er in Kontakt mit seinem Stuttgarter Vorgänger Matthias Reuss, der heute dort das Zentrum für Systembiologie leitet. Die Systembiologie ist für Takors eine wichtige Quelle für neue Erkenntnisse: „Man braucht heute ein Ganzzellverständnis, um optimale Produzenten zu entwickeln, und die Systembiologie liefert eine quantitative Beschreibung der Zelle als gesamtes System." Das zweite Bein für Takors Forschung ist die synthetische Biologie. „Wir nutzen die synthetische Biologie nicht zur Herstellung grundlegend neuer, künstlicher Zellen oder Organismen, sondern zum Beispiel um neue Stoffwechselwege einzubauen, die uns einen Zugang zu neuen Produkten verschaffen", sagt Takors.

Institut für Bioverfahrenstechnik

Das 1988 gegründete Institut für Bioverfahrenstechnik (IBVT) an der Universität
Stuttgart befasst sich mit ingenieur- und systemwissenschaftlichen Fragestellungen
im Rahmen der Entwicklung und technischen Realisierung biotechnologischer Ver-
fahren.

www.ibvt.uni-stuttgart.de

Der Wechsel an das Institut für Bioverfahrenstechnik und die damit verbundene Rückkehr an die Hochschule sieht der zweifache Vater als logische Weiterentwicklung. „Ich stand wieder an einem Scheideweg. In der Industrie ist man irgendwann auf der Management-Schiene, ich setze mich jedoch gerne intensiv und auch langfristig mit Forschungsthemen auseinander“, so Takors. Die Stuttgarter Stelle war für ihn besonders attraktiv: „Das Stuttgarter Zentrum für Bioverfahrenstechnik ist zurzeit noch eine der wenigen Einrichtungen dieser Art mit einer einmaligen räumlichen und personellen Struktur. Das bietet ein enormes Potenzial zur Weiterentwicklung, die ich gerne mit vorantreiben möchte.“

Als Vision seiner zukünftigen Forschungsarbeit hat Takors die Kombination zwischen weißer und roter Biotechnologie im Sinn. Wenn die Projekte aus den Bereichen Systembiologie und synthetische Biologie zufriedenstellende Modellierungen für die Bioprozesse mit Mikroorganismen liefern, will er die Systeme inhaltlich erweitern. Takors möchte auch Zellen höherer Systeme betrachten, um zum Beispiel tierische Zelllinien für die Pharmaproduktion zu entwickeln. „Wir haben bereits damit angefangen, CHO-Zellen, also Zellen aus den Ovarien von Hamstern, auf ihr Potenzial zu testen. Zunächst stehen jedoch die Werkzeugentwicklung und die Verbesserung existierender mikrobieller Stämme im Fokus“, unterstreicht Takors.

Die guten Industriekontakte sind auf der akademischen Seite der Entwicklungsarbeit  recht nützlich. Neben seinem ehemaligen Arbeitgeber hat Takors auch Verbindungen zu vielen anderen Unternehmen geknüpft, die sich in der Bioverfahrenstechnik engagieren. Das wird auch seinem wissenschaftlichen Nachwuchs zugute kommen, der darüber auch Chancen erhält, Industrieluft zu schnuppern - sei es durch Praktika, in Studien- oder Abschlussarbeiten. Die Fachgesellschaft Dechema verlieh ihm den Hochschullehrer-Nachwuchs-Preis 2001, eine Auszeichnung, die für besondere pädagogische Qualität bei der Präsentation wissenschaftlicher Arbeiten verliehen wird. Sein Engagement für die Lehre will Takors auch in einen neuen Masterstudiengang „Systembiologie“ einbringen, an dessen Planung er mitwirkt, über den allerdings noch nicht viel verraten wird. „Im Moment sind wir noch in der Vorbereitungsphase“, so der Professor mit aller Zurückhaltung.

Autorin: Heike Lehmann

Beitrag von BioREgio STERN mit BIOPRO Baden Württemberg GmbH

 

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