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Amsilks Spinnenseide überzeugt Investoren

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Ein zwei Zentimeter dickes Seil aus Spinnenseide könnte einen landenden Jumbo abbremsen. Quelle: Karl-Heinz Liebisch

12.03.2009  - 

Wie man Spinnenseide biotechnologisch herstellen kann, das ist Thomas Scheibel schon länger klar. Die Bakterien zur Produktion des seidenen Fadens zu überreden, war nicht einfach. Eine beinahe ebenso große Herausforderung war es für den Wissenchaftler aber, auf dieser Idee seine eigene Firma aufzubauen. Jetzt ist es geschafft: Wie bekannt wurde, ist das Projekt Amsilk durch zwei Wagniskapitalgeber nun zum Unternehmen Amsilk gereift. Personal wird eingestellt, die Produktion aufgebaut, und das erste Produkt in etwa fünf Jahren anvisiert. So lange reicht das eingeworbene Geld. Große Pläne am seidenen Faden.

 

Spinnenseide ist ein wunderbarer Stoff. Bezogen auf ihr Gewicht ist sie vier mal belastbarer als Stahl und trotzdem elastischer als Gummi. Ein Faden reißt noch nicht einmal, wenn er auf das Dreifache seiner Länge auseinandergezogen wurde. Würde man sie zu einem zwei Zentimeter dicken Tau verflechten, könnte man damit einen Jumbo bei der Landung bremsen. Mit diesen Eigenschaften kann kein synthetisches Produkt mithalten. Wasser macht Spinnenseide ebensowenig aus wie Attacken von Bakterien und Pilzen. Biologisch abbaubar ist sie trotzdem. Bisher hatte Spinnenseide allerdings einen Nachteil: Nur Spinnen können sie herstellen. Deshalb ist es kein Wunder, dass Wissenschaftler seit mehr als dreißig Jahren an einem biotechnologischen Ersatz forschen.

Lehrstuhl für Biomaterialien
 Die Arbeitsgruppe von Thomas Scheibel an der Universität Bayreuth beschäftigt sich nicht nur mit Spinnenseide, sondern allgemeiner mit Biofasern, die sich aus der Natur ableiten.
Zur Website des Fiberlabs: hier klicken

Für die nächsten fünf Jahre ist Amsilk finanziert

So wie es aussieht, gibt es im Rennen um den silbrigen Faden nun einen Sieger. Bionik-Forscher Thomas Scheibel kann mit seiner Firma Amsilk das Protein als einziger im Kilogramm-Maßstab herstellen. Wie jetzt bekannt wurde, hat Amsilk-Geschäftsführer Axel Leimer seit Ende 2008 das notwendige Kapital zusammen, um gezielt an technischen Anwendungen zu arbeiten. Neben der AT Newtec GmbH, einem Investitionsvehikel der in der Biotechnologie-Branche bekannten Investoren  Andreas und Thomas Strüngmann, beteiligt sich der Wagniskapitalgeber MIG-Fonds mit 1,6 Millionen Euro an Amsilk. Weitere 5 Millionen Euro kann Amsilk bei Bedarf in den nächsten Monaten abrufen. "Zusammen mit den Optionen sind wir in den kommenden vier bis fünf Jahren finanziert", sagte Leimer dem Biotechnologie-Nachrichtenmagazin |transkript.

Biokompatible Nähfäden für Chirurgen

Mit dem Geld konnten die Amsilk-Gründer der TU München zuerst einmal das Patent für die Spinnenseide abkaufen. Die TU, die bei Amsilk auch als Gesellschafter beteiligt ist, hatte sich Scheibels Entdeckungen seit 2004 insgesamt neun mal schützen lassen. Inzwischen sind weltweit mehr als 60 Patente eingetragen. Der Großteil des Startkapitals wird für den Aufbau der Seidenproduktion verwandt. Sie soll am Firmenstandort in München stattfinden. Zudem soll das Personal auf zehn Mitarbeiter aufgestockt werden. Sie werden in den nächsten Jahren an ersten Anwendungen arbeiten. Zunächst will sich Amsilk auf die Beschichtung von medizinischen Oberflächen konzentrieren. Ziel ist es, Implantate herzustellen, die dank ihrer seidigen und organischen Oberfläche nicht vom menschlichen Körper abgestoßen werden.

Amsilk

Das Unternehmen mit Sitz in München kündigt auf seiner Website die Entwicklung von Hightech-Materialien in der Medizintechnik, der Kosmetik und in technischen Bereichen wie z.B. der Faserindustrie an.

Zur Website: hier klicken

"In vier bis fünf Jahren könnte das erste Produkt am Markt sein", schätzt Leimer. Auf der Unternehmens-Website lassen die Amsilk-Macher ihre Gedanken aber auch schon ein wenig weiter schweifen: von extrem belastbaren Seilen über medizinische Nanopartikel bis hin zu biokompatiblen Nähfäden für Chirurgen, um Wunden zu verschließen oder Nervenstränge wieder zu verbinden. Sogar Shampoos, Airbags, Fallschirme oder kugelsichere Westen aus Spinnenseide könnte sich Leimer vorstellen.

Versuche mit Ziegen scheiterten

Mit ihrer Entdeckung und der darauf basierenden Firmengründung haben sich Scheibel und sein Forscherkollege Lin Römer, der ebenfalls an Amsilk beteiligt ist, gegen eine weltweite Konkurrenz durchgesetzt. Andere Ansätze, die Fasern in Ziegen herstellen zu lassen, waren an der zu geringen Ausbeute gescheitert. Auch die Idee, mit einem Spinnengen versehene Zellen der Seidenraupe zur Produktion zu rekrutieren, funktionierte nicht. Der Faden brachte die Zellen zum Platzen, wie Scheibel selbst in Tests erfahren musste. Seit acht Jahren denkt der Biochemiker, der mittlerweile den Lehrstuhl für Biomaterialien der Universität Bayreuth innehat,  über Spinnenseide nach.

Die Gartenkreuzspinne kann sieben verschiedene Fädensorten herstellen. Ihre Gene bringen nun Bakterien dazu,  Spinnenseide im Fermenter herzustellen.Lightbox-Link
Die Gartenkreuzspinne kann sieben verschiedene Fädensorten herstellen. Ihre Gene bringen nun Bakterien dazu, Spinnenseide im Fermenter herzustellen.Quelle: Kurt F. Domnik / pixelio.de

2001 begann Scheibels Arbeitsgruppe „Fiberlab“ daran zu forschen, wie man das begehrte Spinnseidenprotein für technische Anwendungen nutzbar machen könnte. Spinnenseide besteht aus langkettigen Eiweißmolekülen. Durch die spezielle molekulare Anordnung der beteiligten Aminosäuren sind die Fäden sehr zugfest und gleichzeitig hochelastisch. Nach einigen Fehlversuchen brachte das Biotechnologen gut bekannte Bakterium Escherichia coli die Lösung. Scheibel schaffte es, in E. coli die Gene für die Proteinherstellung einer Seidenart der Kreuz- oder Gartenspinne einzupflanzen – und zwar jener Fäden, die sie herstellt, um sich blitzschnell zum Erdboden abzuseilen, wenn ihr Gefahr droht. Insgesamt kann die Kreuzspinne nämlich sieben verschiedene Netzfäden – teils extrem elastisch, teils extrem reißfest – in ihrem Körperinnern herstellen, die sie an ihren Beinen herauszieht und im Netz verwebt.

Science4Life

Im Jahr 2006 wurde der businessplan von Amsilk in der Gründerinitiative Science4Life ausgezeichnet. Thomas cheibel beschreibt auf der seite in einem Gründertagebuch die Abenteuer eines jungen Entrepeneurs.

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In winzigen Plexiglasröhren wird die Seide zum Faden

Der Münchner Biomaterial-Experte entschied sich für den Abseil-Faden. Zwei Proteine, eADF3 (engineered Araneus Diadematus Fibroin) und eADF4, sind laut Scheibel unverzichtbar für Zugfestigkeit und Elastizität des Fadens. Die beiden Proteine werden nun biotechnologisch von e.coli-Bakterien hergestellt. Mit Spinnenseide hat die klebrige Melasse, die aus den Fermentern abgezapft wird, aber noch wenig zu tun. Dazu müssen die einzelnen Proteine erst zu einem Faden versponnen werden.

Dazu bildet Scheibel den Spinnkanal im Labor nach. Aus den winzigen Plexiglasröhren mit mehreren hundert Mikrometer (ein Menschenhaar ist 60 bis 80 Mikrometer dick) breiten Öffnungen, die die physikalischen und chemischen Bedingungen der natürlichen Spinnenseidenherstellung exakt kopieren, gelang es, mehrere Arten Spinnenseide als Fäden zu ziehen beziehungsweise als Folie herzustellen.

Sieger beim Bionik-Wettbewerb des BMBF

Als dieser Durchbruch bekannt wurde (mehr...), konnte sich der Biochemiker vor Anfragen aus der Industrie kaum noch retten. Deshalb entschloss er sich, die neuartige Technologie als eigenständiger Unternehmer zu vermarkten. Scheibels Forscherkollege Lin Römer, der als Doktorand in der Forschergruppe angefangen hatte, übernahm dabei den operativen Part und entwickelte das Gründungskonzept für die künftige Firma.

Der Geschäftsplan überzeugte auch die Jury des Science4Life Awards, die Amsilk 2006 auszeichnete. Seit 1998 fördert die vom Land Hessen und Sanofi Aventis ins Leben gerufene Gründerinitiative Science4Life junge Unternehmer aus den Lebenswissenschaften und der Chemie auf ihrem Weg in die  Selbstständigkeit. Schon im nächsten Jahr gab es die nächste Anerkennung. Im Sommer 2007 gehörte Scheibel zu den Siegern des Bionik-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (mehr...).

 

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