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Vorbild Natur: Wenn Bakterien Spinnenseide herstellen

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Natürliche Spinnenseide im Blick durch ein Elektronenmikroskop. Quelle: AMSilk

20.06.2007  - 

Spinnenseide ist ein wahres Wunder der Natur – zehnmal dünner als menschliches Haar, doch zwanzigmal stärker als Stahl und gleichzeitig elastischer als Gummi. Für eine ganze Reihe von medizinischen und technischen Anwendungen wäre dieser Naturstoff daher ideal. Ein Einsatz in der Praxis scheiterte jedoch bisher daran, dass sich Spinnenseide nicht im industriellen Maßstab herstellen lässt. Diesem Problem ist Thomas Scheibel von der Technischen Universität München seit Jahren auf der Spur: Mithilfe biotechnologischer Tricks will der Wissenschaftler Bakterien dazu bringen, die Spinnenseide künstlich herzustellen – und zwar in Mengen, die sich wirtschaftlich lohnen. Jetzt hat sich Scheibel im BMBF-Ideenwettbewerb "Bionik - Innovationen aus der Natur" mit seinem Projekt durchgesetzt: Am 20. Juni wurde er für eine weitere Förderung ausgewählt.

Für die Wissenschaft ist die Natur eine wahre Fundgrube, schließlich bietet sie sich für eine Vielzahl von Anwendungen als ideales Vorbild an. Alle Forschungen auf diesem Gebiet werden unter dem Begriff „Bionik“ zusammengefasst und können die unterschiedlichsten Bereiche wie Maschinenbau, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik oder Textilien betreffen. Thomas Scheibel von der TU München arbeitet bereits seit 2001 auf diesem Gebiet und hat sich der Spinne und ihrer Seide gewidmet. Alle Bemühungen, diesen Naturstoff industriell zu nutzen, scheiterten bisher daran, dass sich Spinnenseide nicht einfach nachbauen lässt. Wildspinnen in Gefangenschaft als Produktionsorganismen im großen Maßstab einzuspannen, ist ebenfalls nicht möglich, weil sie kannibalische Verhaltensweise zeigen.

Scheibel hat sich deshalb in den Kopf gesetzt, dieses Problem mithilfe biotechnologischer Verfahren anzugehen. Seit 2001 ist der genetische Aufbau der Spinnenseide theoretisch bekannt, aber erst dem Deutschen gelang es, dieses Wissen gezielt einzusetzen. Im Jahr 2004 brachte er Schmetterlingszellen dazu, Spinnenseiden-Eiweiße künstlich herzustellen. Dafür schleuste er die entsprechenden Gene in die Zellen ein. Dieses Verfahren übertrug er schließlich auf Bakterien, die sich für eine industrielle Herstellung besser eignen. Der Forscher schaffte es, die Mikroorganismen so gentechnisch zu verändern, dass sie Seidenfasern im Kilogramm-Maßstab produzieren können. Allerdings entsteht die Seide zunächst als konzentrierte Eiweißbrühe. Um den Übergang von einer Lösung zu einem Faden einzuleiten, muss dabei für geringfügige Veränderungen im chemischen Milieu gesorgt werden. Wie Scheibel Anfang April im Fachmagazin Angewandte Chemie (4. April 2007, Band 119, Heft 19) berichtet, spielt dabei offenbar neben dem pH-Wert der Wechsel zwischen wasserfreundlichen und fettfreundlichen Eigenschaften der Seidenproteine beim Spinnprozess eine wesentliche Rolle. „Unsere Erkenntnisse bilden eine Grundlage, um einen effektiven Spinnprozess für gentechnisch erzeugte Spinnenseide zu etablieren“, hofft Scheibel.

Um die Forschungsergebnisse von der Universtiät in die Praxis zu bringen, hat der Wissenschaflter inzwischen das Unternehmen AMSilk aus der TU ausgegründet – unter anderem mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Scheibel gehört nicht nur zum Bionik-Netzwerk BIOKON, das mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums aufgebaut wurde, sondern konnte sich Anfang 2006 als einer von 20 Wissenschaftlern in der zweiten Runde des BMBF-Ideenwettbewerbs „Bionik-Innovationen in der Natur“ durchsetzen. Dieses Programm ist Teil einer Förderstrategie, bei der das Ministerium bis zum Jahr 2010 rund 50 Millionen Euro in Bionik-Projekte investiert, um deren Umsetzung im Markt den Weg zu erleichern. Der Ideenwettbewerb soll Forschern dabei die Möglichkeit geben, ihre wissenschaftlichen Ideen auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie konnte Scheibel nun auch den zweiten Schritt seiner Spinnenseiden-.Produktion optimieren: Nach der Herstellung der Eiweißmasse durch die Bakterien muss nämlich noch das Spinnen erfolgen. Gemeinsam mit Ingenieuren hat Scheibel das Problem jedoch gelöst - ebenfalls nach dem Vorbild der Natur, der Spinnendrüse. Dies hat auch die Jury des Ideenwettbewerbs überzeugt und den Forscher für die zweite Förderrunde ausgewählt. Mit dem Geld soll nun eine Demonstrationsanlage gebaut werden, um die Spinnenseide im Industriemaßstab zu produzieren.

Scheibel ist auch bei anderen Wettbewerben gut im Rennen und kommt seinem Ziel damit Stück für Stück näher: Beim bundesweiten Businessplanwettbewerb Science4Life Venture Cup heimste sein Unternehmen im Jahr 2006 den zweiten Preis in Höhe von 15.000 Euro ein und erste Kooperationen mit Partnern aus der Wirtschaft sind ebenfalls auf den Weg gebracht. Ziel der Firma ist die Entwicklung industrietauglicher Produktionsprozesse für gentechnisch hergestellte Spinnseide, die dann in der Kosmetikindustrie, als kugelsichere Weste, in Airbags oder als antientzündlicher Wundverband eingesetzt werden könnte. In etwa fünf Jahren, also 2011, soll der Spinnapparat industrietauglich und marktreif sein.

 

Bionik

Die Wasserspinnen ist ein Beispiel für ein natürliches Vorbild, das in der Bionik erforscht wird. Der Film "Innovationen der Natur" stellt drei Forschungsprojekte näher vor, die vom BMBF in der ersten Runde des Ideenwettbewerbes gefördert wurden.

Im Bionik-Kompetenznetzwerk BIOKON e.V. sind eine Vielzahl von Forschungsgruppen vertreten, die sich mit dem Potenzial der Natur in den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten beschäftigen:  www.biokon.net


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