Wochenrückblick KW 28

13.07.2009

Angriffspunkt für neue Antibiotika entdeckt

Das IspH-Protein von Bakterien verfügt über einen ungewöhnlichen Eisen-Schwefel-Cluster (lila/gelb), der die Bildung lebenswichtiger Bausteine katalysiert. Dieses Zentrum könnte der ideale Angriffspunkt für neue Antibiotika werden.Lightbox-Link
Das IspH-Protein von Bakterien verfügt über einen ungewöhnlichen Eisen-Schwefel-Cluster (lila/gelb), der die Bildung lebenswichtiger Bausteine katalysiert. Dieses Zentrum könnte der ideale Angriffspunkt für neue Antibiotika werden.Quelle: Michael Groll / TUM
Münchner Forscher haben bei Erregern eine Schwachstelle entdeckt. Das könnte für neue Antibiotika sorgen.

 Antibiotika sind die wichtigsten Verbündeten der Ärzte, um viele gefährliche Infektionskrankheiten wie Malaria oder Tuberkulose zu bekämpfen. Doch die Bakterien werden zunehmend resistent gegen die althergebrachten Medikamente. Daher suchen Wissenschaftler auf der ganzen Welt fieberhaft nach Reaktionsschritten, die für die zu bekämpfenden Mikroorganismen lebenswichtig sind, beim Menschen aber keine oder keine relevante Funktion haben. Ein Team um Michael Groll, Jörg Eppinger und Tobias Gräwert, allesamt Biochemiker an der TU München, haben nun einen Stoffwechselschritt beschrieben, den nur Mikroorganismen aufweisen. Das könnte ein Angriffspunkt für eine neue Klasse an hochspezifischen Antibiotika sein, melden die Forscher in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie (Juni 2009, Vol. 121, Ausgabe 18, S. 12165-12177) .

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News: Insekten helfen im Kampf gegen Krankheitserreger

News: Neuartige Antibiotika überlisten Resistenz

Säugetierzellen nutzen eine ganz bestimmte Abfolge von Schritten, den sogenannten Mevalonat-Weg, um aus Isoprenbausteinen für sie lebenswichtige Stoffe herzustellen. Krankmachende Bakterien dagegen brauchen fast alle eine alternative Herstellungsmethode. Sie benutzen dazu ein spezielles Enzym, das wie ein dreiblättriges Kleeblatt aussieht. Diese ungewöhnliche Struktur könnte sich als wirksamer Angriffspunkt für neue, spezifisch wirkende Antibiotika erweisen. Wenn es gelänge, gezielt Substanzen zu entwickeln, die den letzten Schritt der bakteriellen Synthese von Isoprenbausteinen blockieren, würde das die Erreger zuverlässig abtöten. Da Enzym und Reaktion in Säugetieren nicht vorkommen, sollten diese Verbindungen für Menschen keine oder nur geringe Nebenwirkungen besitzen, hoffen die Wissenschaftler.

Wein mit eingebautem Virenschutz entwickeln

Das linke Exemplar von Nicotiana benthamiana ist unverändert und damit anfällig für Virusinfektionen. Die mittlere und rechte Pflanze wurden verändert - die mittlere ist zu 59 Prozent resistent gegen das Virus, die rechte zu 100 Prozent.Lightbox-Link
Das linke Exemplar von Nicotiana benthamiana ist unverändert und damit anfällig für Virusinfektionen. Die mittlere und rechte Pflanze wurden verändert - die mittlere ist zu 59 Prozent resistent gegen das Virus, die rechte zu 100 Prozent.Quelle: Fraunhofer IME
In Aachen versuchen Wissenschaftler Weinreben gegen Viren zu impfen.

Viren verursachen nicht nur beim Menschen Krankheiten, sondern schädigen auch den Weinbau. Neben Bakterien und Pilzen gehören sie zu den größten Feinden der Winzer. Bei einer Infektion mit Erregern wie dem "Grapevine fanleave virus" (GFLV) helfen oft auch Pestizide nichts mehr. Dieses Virus infiziert die Weinrebe und löst die Reisigkrankheit aus. Deformierte und stark vergilbte Blätter, kleinere Trauben und Ernteverluste sind die Folgen.

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News: Pflanzen gegen Krankheiten impfen
Förderbeispiel
: Kleine Helfer für den guten Weingeschmack
Förderbeispiel: In vino fungus est
News: Forscher überführen Genschmuggler

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen arbeiten daran, bestimmte Rebsorten gegen GFLV resistent zu machen. Dabei nutzen die Wissenschaftler gentechnische Verfahren. "Die von uns veränderten Pflanzen produzieren Antikörper", erklärt Dr. Stefan Schillberg, Abteilungsleiter am IME. Damit das Gewächs die Antikörper produziert, schleusen die Forscher die genetische Information für die Antikörper mit Hilfe von Agrobakterien in die Pflanze ein.
Noch laufen die Versuche der Wissenschaftler mit der Modellpflanze Nicotiana benthamiana. Erste Tests haben jedoch bereits gezeigt, dass die veränderten Pflanzen bis zu hundert Prozent resistent gegenüber dem Virus sind. Als nächstes stehen nun Laborversuche mit Weinreben auf dem Plan, später dann auch Feldversuche." Langfristig haben die Forscher das Ziel, den Einsatz von Pestiziden zu drosseln. Vor allem Länder wie Chile, die stark auf den Weinanbau angewiesen sind, könnten nach Ansicht der Aachener Wissenschaftler von den pathogenresistenten Weinreben profitieren und ihre Ernteerträge verbessern.

Zum Fraunhofer-IME in Aachen: hier klicken

Stammzellen folgen Ultraschall-Lockruf ins Herz

Stammzellen müssen nicht mehr direkt ins Herz gespritzt werden, um nach einem Schlaganfall zu heilen. Deutsche Forscher locken sie mit Ultraschall zum Einsatzort.

Eine der vielen Herausforderungen der Stammzelltherapie liegt in der Verabreichung: Wie lassen sich die Zellen dorthin bringen, wo sie benötigt werden? Im Falle des Herzens wollen nun Mediziner der Universitäten Bonn und Münster sowie der Sporthochschule Köln eine Methode gefunden haben, wie sich Stammzellen, die etwa in die Blutbahn gespritzt wurden, gezielt dorthin führen lassen, wo durch einen Herzinfarkt Zellen gestorben sind. Wie die Wissenschaftler im Journal of Molecular and Cellular Cardiology (Online-Veröffentlichung, 21. Juni 2009) beschreiben, lassen sich die Stammzellen von Ultraschall leiten. "Wir haben in den Blutkreislauf von Ratten mikroskopisch kleine gasgefüllte Bläschen injiziert", erklärt Alexander Ghanem vom Uniklinikum Bonn. Sobald man diese Bläschen einem geeigneten Ultraschall-Puls aussetze, beginnen sie zu schwingen. Dadurch wird das umliegende Gewebe gereizt, so dass es Entzündungsbotenstoffe ausschüttet. Diese Botenstoffe locken unter anderem auch Stammzellen an.

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News: Rostock eröffnet Zentrum für Stammzelltherapie im Herz
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"Indem wir punktuell die vitale Randzone der Infarktnarbe beschallen, lassen sich die Stammzellen ganz gezielt dorthin dirigieren", bestätigt Klaus Tiemann von der Universität Münster. Tatsächlich ließ sich laut Studie die Anzahl der Stammzellen, die sich nach einer Stunde im Herzen wiederfanden,  durch die Beschallung um fast 40 Prozent erhöhen. Dort verließen sie die Blutgefäße und wanderten in das geschädigte Gewebe ein. Es sei das erste Mal, so die Forscher, dass ein solcher Vorgang nachgewiesen werden konnte. Im geschädigten Herzen sollen die Stammzellen die Pumpfunktion verbessern, die Gefahr von Herzrhythmusstörungen reduzieren und die Infarktnarbe verkleinern. Noch sind diese Effekte beim Menschen allerdings nicht eindeutig nachgewiesen.

Millionen für die Biotechnologie in Hessen und Hamburg

Die Bundesländer Hessen und Hamburg setzen in ihren Landesinitiativen zur Förderung exzellenter Forschung auf Biotechnologie.

So hat Hessen vor einem Jahr die "Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz" (LOEWE) gestartet und nun in der zweiten Auflage 54,4 Millionen Euro verteilt. Unter den sechs Projekten, die von 2010 bis 2012 unterstützt werden, finden sich auch drei Vorhaben aus dem Bereich der Biotechnologie. Dabei erhalten die Philipps-Universität Marburg und das Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg 21,3 Millionen Euro, um ein Zentrum für Synthetische Mikrobiologie auf den Weg zu bringen. 15,1 Millionen Euro gehen an die Justus-Liebig-Universität in Gießen, die Philipps-Universität in Marburg und das Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, um molekulare Signalpfade von Lungen- und Atemwegserkrankungen in einem neuen Zentrum zu erforschen. Die Goethe-Universität Frankfurt am Main und das Chemotherapeutische Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus in Frankfurt erhalten wiederum 4,5 Millionen Euro, um molekulare Mechanismen von Tumorerkrankungen zu entschlüsseln.
In Hamburg hat sich die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH)  erfolgreich um Mittel aus dem Landeswettbewerb zur Förderung exzellenter Grundlagenforschung beworben. Eines der insgesamt mit sieben Millionen Euro geförderten zwei Vorhaben ist der Cluster „Fundamentals for synthetic biological systems (SynBio).  Hier wollen die Forscher die Optimierung vorhandener und die gezielte Entwicklung neuer, synthetischer Stoffwechselprozesse für die biotechnologische Produktion vorantreiben - zum Beispiel von neuartigen Medikamenten oder regenerativen Energieträgern. So hoffen die Forscher auf diesem Wege einen Durchbruch bei der Wasserstoff-Synthese aus Biomasse für den Antrieb von Autos zu erreichen.

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Regenerative Medizin: Von Arthro Kinetics zu Amedrix

Die bislang in Esslingen ansässige Arthro Kinetics plc zieht sich aus Deutschland zurück. Der ehemalige Gründer der Firma, Thomas Graeve, übernimmt die alten Räume und Anlage für sein neues Unternehmen Amedrix GmbH.

Thomas Greve ist Gründer der Amedrix GmbH.Lightbox-Link
Thomas Greve ist Gründer der Amedrix GmbH.Quelle: privat

Graeve war bislang Vorstand und Forschungsleiter der Arthro Kinetics plc, die 2006 aus der Fusion der Ars Arthro AG mit der britischen Endospine Ltd in Manchester hervorging und seitdem an der britischen Börse AIM gelistet ist. Die Ars Arthro AG wurde 1999 mit dem Ziel gegründet, Forschungsergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart in vielversprechende Technologien umzusetzen. Zur Kerntechnologie der Arthro Kinetics gehören eine 3D-Kollagen-Biomatrix sowie das patentgeschützte Verfahren zur Herstellung von biologischen Transplantaten zur Regeneration hyalinen Knorpels. Mit dem aktuellen Schritt hat sich Arthro Kinetics aus Deutschland zurückgezogen und unterhält neben dem Produktionsstandort im österreichischen Krems noch Vertretungen in Großbritannien, den USA und Australien.

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Thomas Grave, der bei Ars Arthro von Anfang an mit dabei war, bleibt dagegen in Esslingen und will sich mit seiner neuen Firma Amedrix zunächst auf die Regeneration der Haut fokussieren. Ziel ist es, Membranen, Vliese und Schäume bzw. Schwämme aus Kollagen zur Substitution von Wundgewebe sowie Trägermaterialien für Zellen der oberen Hautschicht herzustellen. Da die neu entwickelten Kollagentransplantate zellfrei sind, können sie den Patienten direkt eingepflanzt werden; körpereigene Zellen sollen das Transplantat dann besiedeln. „Wir haben im Tierversuch nachgewiesen, dass unsere azellulären Produkte keinen Nachteil gegenüber den bisher auf dem Markt erhältlichen zellbesiedelten Produkten haben", sagt Graeve. Er ist optimistisch, dass er gemeinsam mit Kooperationspartnern bereits im kommenden Jahr die ersten Produkte auf den Markt bringen kann.

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Den Plattwürmern als Meister der Regeneration auf der Spur

Berliner Forscher vom Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC) haben kleine RNA-Moleküle als Steuerelemente der Regeneration von Plattwürmern entdeckt.

Plattwürmer sind Meister der Regeneration und für Forscher ideal, um Stammzellen und deren Steuerung zu untersuchen.Lightbox-Link
Plattwürmer sind Meister der Regeneration und für Forscher ideal, um Stammzellen und deren Steuerung zu untersuchen.Quelle: A. Sánchez Alvarado/HHMI

Plattwürmer sind leicht zu übersehen. Die meisten Arten werden nur einige Millimeter groß. In der Wissenschaft aber stehen sie seit einigen Jahren im Scheinwerferlicht, und das wegen einer ganz besonderen Eigenschaft: Ähnlich wie Salamander (mehr...) sind sie Meister der Regeneration. Was man ihnen auch abschneidet, es wächst wieder nach. Bislang war bereits bekannt, dass kleine Moleküle aus Ribonukleinsäure (RNA) auf genetischer Ebene an der Steuerung dieser Prozesse beteiligt sind. In den vergangenen Jahren stellte sich heraus, dass beispielsweise eine einzige microRNA hunderte Eiweiße steuern kann (mehr...). Jetzt haben Forscher des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch mit Forschern in den USA und Kanada im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS, 2009, 29. Juni)  erstmals einen Katalog mit allen kleinen RNAs des Plattwurms vorgelegt, die für Regenerationsmechanismen verantwortlich sind.

Die MDC-Wissenschaftler um Nikolaus Rajewsky (zu seinem Porträt: hier klicken) und ihre internationalen Kollegen nahmen sich für ihre Forschungen aus tausenden unterschiedlichen Plattwurm-Arten die Art Schmidtea mediterranea vor. Die Entscheidung fiel auf Schmidtea, weil fast jede dritte Zelle dieses Tiers eine Stammzelle ist. Darüber hinaus ähneln viele Plattwurm-Gene denen des Menschen und auch viele Gene, die im Zusammenhang mit den Stammzellen und den Selbstheilungskräften der Plattwürmer stehen, sind beim Menschen konserviert. Die Forscher erhoffen sich deshalb von der Erforschung der Plattwürmer Einblicke in die Regenerationsmechanismen und die Stammzellbiologie des Menschen. Bei ihrer Analyse entdeckten die Forscher nun insgesamt 61 neue microRNA-Gene und konnten damit die Zahl bekannter microRNAs bei Plattwürmern verdoppeln. Die Wissenschaftler zeigten zudem, dass gut zehn dieser microRNAs spezifisch mit der Stammzellbiologie verknüpft sind und daher wahrscheinlich in der Regeneration eine Rolle spielen. Einige dieser microRNAs gibt es auch beim Menschen.

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Weiter fand das Forscherteam auch Millionen sogenannter Piwi-interacting RNAs (piRNA). Das ist eine erst kürzlich entdeckte neue Sorte kleiner RNA-Moleküle, die wichtig für die Stabilität des genetischen Materials sind. Bei Fliegen und Mäusen legen piRNAs sogenannte springende Gene still. Diese beweglichen Genabschnitte - von Experten auch Transposons genannt - können ihren Ort im Genom wechseln und dadurch unerwünschte Mutationen auslösen. Beim Menschen  besteht knapp die Hälfte des Genoms aus solchen beweglichen Abschnitten. Ein andere MDC-Arbeitsgruppe um Zoltán Ivics arbeitet daran, die Transposons gezielt als Werkezuge in der Zellforschung einzusetzen (mehr...). Ob piRNAs beim Plattwurm und vielleicht auch beim Menschen auf die gleiche Weise wirken, sollen nun weitere Forschungen zeigen.

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