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Forscher überführen Genschmuggler

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Mit Kärtchen gekennzeichnete Ackerschmalwand-Pflanzen, wie sie in großer Zahl in vielen Forschungslaboren der Welt zu Testzwecken wachsen. Quelle: Universität Bielefeld

12.09.2008  - 

Die Gentechnik hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert rasant entwickelt. Einen großen Anteil am Aufblühen der Disziplin hat ein Helfer, der mit bloßem Auge gar nicht zu erkennen ist. Agrobacterium tumefaciens ist ein Bakterium mit besonderen Fähigkeiten: Es hat einen Weg gefunden, eigenes Erbgut in Pflanzenzellen einzuschmuggeln. Vor fünfundzwanzig Jahren entdeckte die Wissenschaft, wie sie das Bakterium als Trojanisches Pferd benutzen kann, um fremde Gene in Pflanzen zu transportieren. Jetzt haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln und der Universität Bielefeld entdeckt, dass ihr Gehilfe klammheimlich noch mehr tat als beabsichtigt. Das Agrobakterium schleust offenbar auch Teile seines Hauptgenoms in die Pflanzenzelle, wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature Biotechnology berichten (2008, Band 26, Ausgabe 9, Online-Ausgabe).

Agrobacterium tumefaciens ist ein Bodenbakterium, das angelockt wird, wenn Pflanzen verletzt wurden. Durch die Wunden dringt der Mikroorganismus in die Pflanzen ein und ruft krebsartige Wucherungen hervor, bei Landwirten als Wurzelhalsgalle bekannt. Das unkontrollierte Wachstum der Wurzelpartien ist das Ergebnis einer feindlichen genetischen Übernahme. Dem Bakterium gelingt es nämlich, genetische Befehle in den Zellkern der Pflanze einzuschleusen. Diese Befehle veranlassen die Zelle, sich nicht nur unkontrolliert zu teilen, sondern auch spezielle Nährstoffe herzustellen, die ausschließlich das Bakterium verwerten kann.

Agrobakterien sammeln sich an Pflanzenzellen. Der DNA-Transfer kann beginnen.Lightbox-Link
Agrobakterien sammeln sich an Pflanzenzellen. Der DNA-Transfer kann beginnen.Quelle: Martha Hawes/University of Arizona

Die Bakteriengene reisen im Trojanischen Pferd

Die genetischen Befehle für die Übernahmeaktion lagert das Bakterium auf einer sogenannten Transfer-DNA. Diese befindet sich nicht auf dem Bakterien-Chromosom, sondern auf einer ringförmigen, mobilen Einheit, dem Plasmid. Das Plasmid dient dem Bakterium als Trojanisches Pferd. Auf ihm gelangt die T-DNA ungehindert in den Zellkern der Pflanzenzelle und wird dort in die Pflanzen-DNA eingebaut. Daraufhin beginnt die Pflanzenzelle, Nährstoffe für das Bakterium zu produzieren. Dieser erstaunliche Vorgang ist eines der wenigen bekannten Beispiele für einen Gentransfer von einem Prokaryonten in einen Eukaryonten.

Dass Agrobakterien die Wurzelhalsgalle verursachen, weiß man schon seit 1907. Erst im Jahr 1983 aber gelang es zwei Forschergruppen, den zugrunde liegenden Mechanismus für die Wissenschaft nutzbar zu machen. Marc Van Montagu und Jeff Schell im belgischen Gent und Robert Fraley von Monsanto im amerikanischen St. Louis gelang es unabhängig voneinander, die Plasmide mit der T-DNA des Agrobakteriums mit Fremdgenen zu bestücken. Gleichzeitig wurden die Bakteriengene entfernt, die für die Wucherungen der Wurzelhalsgalle verantwortlich waren. Damit stand ein Transporter (Vektor) bereit, um auf elegantem Wege fremde Gene in Pflanzen einzuschleusen und die Reaktionen darauf zu studieren.

Mehr Informationen
"Ein Bodenbakterium als Gen-Fähre": Ausführlicher Artikel auf biosicherheit.de
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Kostbare Einblicke in grundlegende biologische Prozesse

Die Methode hat sich zu einem wichtigen Instrument der Grundlagenforschung und der angewandten Pflanzenbiotechnologie auf der ganzen Welt entwickelt. Die gesammelten Daten bilden die Grundlage für viele genetische Untersuchungen und geben kostbare Einblicke in grundlegende biologische Prozesse.Das MPI für Züchtungsforschung in Köln untersucht auch, wie der Mehltau die Verteidigungslinien der Gerste überwinden kann. Dieses Video ist Teil der kostenlosen DVD "Biotechnologie mit Pflanzen", die über unseren Bestellservice angefordert werden kann.Quelle: Fraunhofer IAIS/BMBF
Imre Somssich vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln und Bernd Weisshaar vom Institut für Genomforschung und Systembiologie in Bielefeld arbeiten schon seit Jahren auf dem Gebiet des Gentransfers durch Agrobakterien. Obwohl der Mechanismus schon so ausgiebig erforscht wurde, kann bisher allerdings noch niemand vorhersagen, an welcher Stelle des Pflanzengenoms sich die T-DNA des Bakteriums nach der Übertragung eingenistet hat. Als Somssich und Weisshaar auf dem Genom einer Ackerschmalwand-Testpflanze nach einem kurz zuvor übertragenen T-DNA-Schnipsel suchten, fielen ihnen ein paar Genabschnitte auf, die weder zur Pflanze noch zur T-DNA des Bakteriums gehörten. Hier waren Teile des Hauptgenoms von Agrobakterium tumefaciens zu sehen, fest eingebaut in die Gene der Pflanze. Von dieser Entdeckung angespornt, untersuchten die Wissenschaftler Hunderte von modifizierten Ackerschmalwand-Pflanzen darauf, ob auch dort Bakterien-DNA versteckt war.

Genaustausch als Triebfeder der Evolution

Sie wurden im Schnitt bei einer von 250 Pflanzen fündig. Neben der T-DNA hatten diese Pflanzenzellen auch Teile des Hauptgenoms des Bakteriums eingelagert. Ein derartiger Gentransfer passiert also nicht allzu häufig, aber dennoch weitaus öfter als die Forscher vermuteten. Die neuen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass der Austausch von Genen zwischen Bakterien und Pflanzen weitaus häufiger vorkommt als bisher angenommen. Da solche Prozesse für die Evolution und die Entwicklung von Arten eine besondere Bedeutung haben, soll der Austausch von Genen zwischen verschiedenen Arten nun weiter untersucht werden. Die Wissenschaftler könnten damit einen wichtigen Prozess spontaner Mutation entdeckt haben.

 

Pflanzenforschung

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Biosicherheit

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