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Wochenrückblick KW 17

27.04.2009

Rote Biotechnologie wächst und wächst

Die in Deutschland installierten Fermenter für die biopharmazeutische Produktion hatten laut dem Bericht im Jahr 2008 eine Gesamtkapazität von 675.000 Litern. Lightbox-Link
Die in Deutschland installierten Fermenter für die biopharmazeutische Produktion hatten laut dem Bericht im Jahr 2008 eine Gesamtkapazität von 675.000 Litern. Quelle: VfA

Die "rote" Biotechnologie wächst trotz Krise. Das ist das Ergebnis des Branchenports "Medizinische Biotechnologie 2009", der von der Unternehmensberatung "The Boston Consulting Group" (BCG) für VfA bio, die Interessengruppe Biotechnologie im Verband Forschender Arzneimittelhersteller, erstellt wurde. Die Biopharmazeutika-Umsätze in Deutschland sind 2008 laut dem am Montag, 27. April, vorgestellten Bericht um neun Prozent gewachsen, doppelt so stark wie der Gesamtpharmamarkt. Etwa jeder sechste Euro im deutschen Arzneimittelmarkt wurde 2008 mit Biopharmazeutika, also gentechnisch hergestellten Präparaten erzielt, insgesamt 4,4 Milliarden Euro. Als Wachstumstreiber identifizierten die Autoren des Berichts  insbesondere Medikamente gegen ZNS-Krankheiten wie Multiple Sklerose (+25 %), Krebs (+20 %) und immunologische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis (+17 %). Bei letzterem Krankheitsgebiet erzielten Biopharmazeutika mittlerweile einen Marktanteil von 53 %, bei Infektionskrankheiten 28 %. Die Zahl neuer Präparate in der klinischen Erprobung, die Pipeline, sei 2008 um 18 % auf 419 Präparate angewachsen.
Ein Umsatzbringer sind monoklonale Antikörper. Das sind biotechnologisch hergestellte Proteine, die Erreger abfangen sollen. 19 solcher Präparate wurden in Deutschland bis Ende 2008 zugelassen (bis April 2009 waren es 21). Der deutsche Umsatz mit dieser Medikamentengruppe hat sich in den letzten fünf Jahren von 273 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro fast verfünffacht, und ihr Anteil am Biopharmazeutika-Umsatz im gleichen Zeitraum von 11 auf 28 % gesteigert.
Mit 675.000 Litern ist Deutschland bei der Fermenterkapazität für die bipopharmazeutische Produktion in der internationalen Spitzengruppe. "Deutschland behauptet in Europa unangefochten Platz eins und ist weltweit nach den USA auf Position zwei",  sagte Frank Mathias, Vorsitzender von VfA bio und Vorstandsmitglied der MediGene AG in Martinsried, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.

Kurzfassung des Reports: pdf-Download

Die wichtigsten Nachrichten aus der Biotech-Branche

 

Probiotische Nahrung stoppt Darmentzündung

Immer mehr Menschen in den Industriestaaten leiden unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Effizient therapieren kann man diese Leiden bisher nicht, doch weiß man seit einigen Jahren, dass der Verzehr von probiotischen Lebensmitteln, die lebende Mikroorganismen enthalten, die Entzündung hemmen kann. Ein Team aus deutschen und schottischen Wissenschaftlern berichtet jetzt in der Fachzeitschrift Plos One (Online-Veröffentlichung, 6. Februar 2009), wie die Bakterien das anstellen.

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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sind die Folge einer Überreaktion des Immunsystems auf Bakterien der normalen Darmflora. Ebenso wie Allergien und Autoimmunerkrankungen zählen sie zu den typischen Wohlstandskrankheiten industrialisierter Länder.

Nahaufnahme der entzündeten Darmwand einer Maus.Lightbox-Link
Nahaufnahme der entzündeten Darmwand einer Maus.Quelle: Gabriele Hörmannsperger / TUM

Forscher der Technischen Universität München, des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung, des Helmholtz-Zentrums und der schottischen Aberdeen University haben den molekularen Wirkmechanismus des Bakterienstammes Lactobacillus casei (kurz: L. casei) entschlüsselt. Dieser Bakterienstamm ist in verwandter Form auch den meisten handelsüblichen Probiotika-Joghurts oder -Drinks als Wirkstoff zugesetzt.
L. casei hemmt offenbar die Bildung des so genannten "IP-10" in den Epithelzellen der Darmschleimhaut. Dieses entzündungsverursachende Signalprotein sorgt bei CED-Kranken für eine übermäßige Rekrutierung von Immunzellen, die die chronische Darmentzündung fördern und am Laufen halten. Mit dem Wissen über die Wirkung von L. casei wollen die Forscher nun nach bisher unbekannten und möglicherweise noch wirksameren Probiotika suchen.

Die wichtigsten Nachrichten aus der Biotech-Branche

 

HPV-Impfung wird nochmals überprüft

Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs wird erneut in Frage gestellt. Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, will der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), erneut darüber entscheiden, ob die Impfung gegen das Humane Papillom-Virus (HPV) für Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren weiter von den Krankenkassen übernommen werden soll.

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"Wenn der Nutzen womöglich so gering ist, muss man natürlich fragen, ob die Kosten noch in einem sinnvollen Verhältnis stehen“, sagte der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess dem Blatt. Nach einer noch ausstehenden Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts wolle man erneut über die Impfung gegen HPV beraten. Hess räumte laut Spiegel ein, 2007 "unter enormem Druck" gestanden zu haben, die Impfung einzuführen. Die Entwicklung des Impfstoffs wurde ermöglicht durch die Arbeit des deutschen Krebsforschers Harald zur Hausen. Er wurde 2008 für die Entdeckung von HPV mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Der Forscher hatte sich dafür ausgesprochen, Mädchen bereits ab neun Jahren zu impfen. Den Sinn einer Impfung hatten unter anderem 13 prominente Wissenschaftler in einem offenen Brief (pdf-Download) angezweifelt (mehr...).

Die wichtigsten Nachrichten aus der Biotech-Branche

 

Erbgut der Kuh vollständig entziffert

Mit der DNA des Hereford-Bullen "L1 Domino 99375" begann die Rinder-Genomenzifferung: Sein in kurze Abschnitte zerhacktes Erbgut wurde in Bakterien eingebaut und dort entziffert. Lightbox-Link
Mit der DNA des Hereford-Bullen "L1 Domino 99375" begann die Rinder-Genomenzifferung: Sein in kurze Abschnitte zerhacktes Erbgut wurde in Bakterien eingebaut und dort entziffert. Quelle: USDA-ARS / Michael MacNeil

Ein internationales Forscherteam unter deutscher Beteiligung hat das gesamte Erbgut der Kuh entziffert. Von der Analyse des Genoms erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse über die Evolution der Säugetiere ebenso wie Fortschritte in der Fleisch- und Milchproduktion. An der sechsjährigen Forschungsarbeit beteiligten sich Rosemarie Weikard und Annette Eberlein aus der Arbeitsgruppe um Christa Kühn im Forschungsbereich Molekularbiologie des Forschungsinstituts für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere in Dummerstorf.

Die Kuh hat demnach mindestens 22 000 Gene. Ein erster Vergleich zeige, dass Kühe näher mit dem Menschen als mit Mäusen und Ratten verwandt sind, berichtet das Team um Richard Gibbs vom Baylor College of Medicine in Texas im Fachmagazin Science (Ausg. 324, Nr. 5926, 2009, S. 522-528). Schon vor vier Jahren hatten die Forscher eine erste Fassung des Erbgutes eines Hereford-Rindes entziffert. Diese Sequenzen wurden seitdem mit der DNA von 497 weiteren Zuchtrindern aus 19 unterschiedlichen Region der Welt verglichen.

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Von den mindestens 22 000 Genen, die im Kuhgenom die Herstellung verschiedener Proteine regeln, sind 14 345 von anderen Säugetierarten bekannt. Diese könnten für die medizinische Forschung besonders interessant sein, erklären Gibbs und seine Kollegen. Das Kuhgenom scheint sich seit der Abspaltung von den anderen Säugern deutlich umgebildet zu haben, berichten die Wissenschaftler. Es verfüge über auffallend viele Regionen mit Wiederholungen und Dopplungen, die auf vielfältige Anpassungen an die besondere Lebensform der Wiederkäuer hindeuten. Gibbs und seine Kollegen hoffen, dass die Besonderheiten im Genom der Kühe auch dem Verständnis von Erkrankungen beim Menschen und deren möglicher Behandlung zuträglich sind.

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Weniger Förderung für Biokraftstoffe

Kraftstoffe aus Pflanzen und Pflanzenresten werden in Deutschland nicht mehr so stark gefördert wie bislang vorgesehen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag, 23. April, mit knapper Mehrheit dafür, klassischem Benzin weniger Biokraftstoff beizumischen und reine Biokraftstoffe steuerlich weniger stark zu fördern.

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Die Beimischungsanteile von Biosprit zu fossilem Diesel und Benzin werden 2009 rückwirkend verringert: von 6,25 auf 5,25 Prozent. Von 2010 bis 2014 gilt eine Obergrenze von 6,25 Prozent. Damit machte der Bundestag den Beschluss rückgängig, klassischem Benzin zehn Prozent Biokraftstoff beizumischen. Diese umstrittene Regelung hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schon im April vergangenen Jahres gekippt, nachdem Untersuchungen gezeigt hatten, dass viele alte Wagen das sogenannte E-10 nicht vertragen würden. Für reinen Bio-Diesel wird die Steuer für dieses Jahr im Gegenzug nicht so stark erhöht wie bisher angekündigt, sondern nur um 3 Cent auf 18 Cent pro Liter. 

Das Parlament forderte die Bundesregierung zudem auf, klare Nachhaltigkeitskriterien zu definieren. Sichergestellt werden soll vor allem, dass durch den Anbau von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen nicht Regenwälder und andere gefährdete Ökosysteme zerstört und soziale Konflikte geschürt werden. Auch soll ihr Anbau nicht mit dem von Lebensmitteln konkurrieren.

Junges Mädchen hält Pflanze in den HändenLightbox-Link
Sie wollen mehr über den Rohstoff Pflanze erfahren? Dann sollten Sie die BMBF-Broschüre zum Thema lesen
Broschüre als pdf: hier klicken

Schon Ende 2008 gab es den Versuch, mit einer nationalen Nachhaltigkeitsverordnung dafür zu sorgen, dass aus Asien und Südamerika importierte Biokraftstoffe nicht in die Tanks gelangen. Doch die EU hatte das Vorhaben gestoppt und stattdessen eine europäische Verordnung angekündigt, die jedoch noch nicht vorliegt.

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Merkel und Schavan für offene Diskussion über Grüne Gentechnik

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Anbauverbot für gv-Mais als Einzelfall bezeichnet und dafür geworben, die "Möglichkeiten" der Grünen Gentechnik nicht von vornherein auszuschließen. "Mit einem einfachen ‘Nein’ zur Grünen Gentechnologie werden wir die Zukunft nicht bestehen", sagte Merkel am 24. April bei einer CDU-Kreisvorsitzendenkonferenz in Berlin. Dennoch dürfe man auch vor den "unendlich vielen Bedenken" der Menschen nicht die Augen verschließen. Die von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) getroffene Entscheidung gegen den Anbau von Genmais sei eine "Einzelfallentscheidung", die man "nicht mit einer grundsätzlichen Abkehr von der Grünen Gentechnik" verbinden dürfe. Deutschland müsse auch "verlässlich für Investoren bleiben", unterstrich die Kanzlerin.

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Sie sei für eine "offene Diskussion", sagte Merkel, entschieden werde müsse von Fall zu Fall. Zudem werde sie mit CSU-Chef Horst Seehofer reden, "wie wir diese schwierigen Sachen zusammenbringen". Seehofer hatte sich in den vergangenen Wochen als Gentechnik-Kritiker positioniert.
Merkels Parteikollegin, Forschungsministerin Annette Schavan, hat derweil den Termin für den Runden Tisch zur Grünen Gentechnik bekanntgegeben. Demnach sollen am 20. Mai alle relevanten Akteure zusammenkommen, darunter Verbände, Unternehmen, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen und Kirchen. Nach Angaben des Ministeriums soll die Veranstaltung den Auftakt für einen Dialogprozess bilden, der lange dauern könne. "Es geht bei Zukunftstechnologien wie der Grünen Gentechnik nicht nur um forschungspolitische Fragen, sondern um eine Wertedebatte mit weit reichenden Folgen", wird Schavan in einer Pressemitteilung des BMBF zitiert.

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