Deutsche Biotech-Erfinderaktivität stark regional konzentriert
06.03.2007 -
Die Erfinderaktivität in der deutschen Biotech-Branche hat in den vergangenen Jahren offenbar deutlich zugenommen. Das jedenfalls geht aus den Angaben im neuesten Patentatlas hervor, den das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) Mitte Februar in München vorgestellt hat. Die Statistik enthält eine regionale Übersicht über alle Patentanmeldungen von Erfindern mit deutschem Wohnsitz, die in den Jahren 2000 bis 2005 beim Deutschen Patentamt und beim Europäischen Patentamt eingegangen sind. Für die Biotechnologie wurde dabei allerdings nur ein Ausschnitt von Patenten mitgezählt, insbesondere solche, die sich auf Mikroorganismen und Enzyme beziehen. In diesen Bereichen hat sich die Zahl der Anmeldungen zwischen 1995 und 2005 mehr als verdoppelt. Ein Blick auf die Wohnsitze der Erfinder zeigt dabei eine deutliche regionale Konzentration: Etwa jedes zehnte dieser Biotech-Patente wurde in München, jedes achte in Berlin angemeldet.
Alle vier Jahre gibt das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) einen statistischen Überblick über die Erfinderaktivitäten in Deutschland. Die Patentanmeldungen werden dabei bis auf die Land- und Stadtkreisebene sowie nach den unterschiedlichsten technischen Fachbereichen (Patentklassen) und Anmelderkategorien (Wirtschaft, Wissenschaft, natürliche Person) aufgeschlüsselt. Die Angaben zur Biotechnologie konzentrieren sich dabei auf eine Patentklasse (C12, die insbesondere die Bereiche Mikroorganismen und Enzyme umfasst und mit rund zwei Drittel den größten Anteil der Patente darstellen, die in der biotechnologischen Forschung angemeldet werden. Da es darüber hinaus noch weitere Klassen gibt – die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat beispielsweise ingesamt 30 Patentklassen identifiziert, die in der Biotechnologie eine Rolle spielen und auf dieser Basis beruht auch die Patentdatenbank auf biotechnologie.de – zeigt die Auswahl im Patentatlas also lediglich einen Ausschnitt.
Anzahl der Biotech-Patentanmeldungen im Jahr 2005 im Bundesländervergleich
Bundesland | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 |
Schleswig-Holstein | 5,9 | 9,3 | 10.0 | 16,2 | 11,7 | 14,1 |
Hamburg | 11,1 | 6,9 | 18,4 | 16,5 | 13,0 | 16,8 |
Niedersachsen | 31,3 | 29,8 | 39.7 | 39,9 | 34,2 | 28,1 |
Bremen | 0,3 | 1,8 | 3,5 | 3,6 | 4,7 | 2,3 |
Nordrhein-Westfalen | 87,6 | 116,1 | 177,5 | 150,7 | 120,8 | 118,9 |
Hessen | 42,2 | 48,5 | 79,1 | 86,8 | 52,3 | 52,9 |
Rheinland-Pfalz | 15,8 | 22,7 | 25,1 | 45,1 | 23,2 | 21,7 |
Baden-Württemberg | 73,2 | 100,3 | 99,0 | 98,0 | 97,8 | 72,6 |
Bayern | 100,7 | 113,5 | 133,4 | 139,0 | 125,3 | 105,7 |
Saarland | 2,3 | 2,4 | 4,5 | 2,4 | 5,7 | 3,3 |
Berlin | 48,2 | 56,3 | 61,2 | 63,5 | 50,7 | 42,3 |
Brandenburg | 8,3 | 16,0 | 19,7 | 15,8 | 13,0 | 11,1 |
Mecklenburg-Vorpommern | 5,5 | 5,9 | 10,1 | 4,1 | 2,8 | 21,9 |
Sachsen | 15,4 | 20,2 | 15,1 | 15,8 | 23,5 | 9,4 |
Sachsen-Anhalt | 14,7 | 21,4 | 20,8 | 18,7 | 20,6 | 20,1 |
Thüringen | 9,1 | 8,6 | 8,6 | 12,4 | 16,8 | 17,6 |
Deutschland Gesamt | 471,6 | 579,6 | 725,4 | 728,4 | 616,1 | 558,7 |
Quelle, DPMA, Patentatlas 2006
So verdeutlicht ein Vergleich der Patentanmeldungen in der ausgewählten Biotech-Patentklasse zwischen den Jahren 1995 und 2005, dass sich die Erfinderaktivität innerhalb dieser Zeit mehr als verdoppelt hat. Wurden im Jahr 1995 nur rund 200 Patentanmeldungen gezählt, waren es im Jahr 2000 schon 472 und im Jahr 2005 bereits 559. Die höchsten Anmeldungen gingen dabei in den Jahren 2002 bis 2003 ein: Hier verzeichnet der Patentatlas 725 bzw. 728 Patentanmeldungen.
Aus den Zahlen geht darüber hinaus hervor, dass die Unternehmen hierbei den größten Beitrag liefern und im Jahr 2005 für insgesamt 384 Anmeldungen verantwortlich waren, Wissenschaftler aus öffentlichen Forschungseinrichtungen hingegen nur für 113. Ein Vergleich mit anderen Technologiefeldern zeigt jedoch, dass dies ein vergleichsweise hoher Forscheranteil ist: Nach den technischen Gebieten „Messen, Prüfen, Optik, Photographie“ und „Elektrotechnik“ sind in der erwähnten Haupt-Biotech-Patentklasse die meisten Anmeldungen aus der Wissenschaft zu verzeichnen.
Biotech-Patentanmeldungen für das Jahr 2005 nach Anmelderkategorien*
Bundesland | Wirtschaft | Wissenschaft |
Schleswig-Holstein | 9,7 | 4,5 |
Hamburg | 14,6 | 1,1 |
Niedersachsen | 18,2 | 6,2 |
Bremen | 0,8 | 1,6 |
Nordrhein-Westfalen | 91,2 | 10,8 |
Hessen | 44,3 | 4,7 |
Rheinland-Pfalz | 19,2 | 2,3 |
Baden-Württemberg | 44,9 | 19,9 |
Bayern | 73,9 | 13,6 |
Saarland | 1,5 | 0,5 |
Berlin | 26,1 | 13,7 |
Brandenburg | 6,9 | 4,1 |
Mecklenburg-Vorpommern | 10,2 | 10,0 |
Sachsen | 2,4 | 4,8 |
Sachsen-Anhalt | 10,8 | 9,3 |
Thüringen | 9,4 | 5,8 |
Deutschland Gesamt | 384,0 | 112,6 |
Quelle: DPMA, Patentatlas 2007
*Ohne Anmelderkategorie Natürliche Personen
Werden die Zahlen auf einzelne Regionen heruntergebrochen, so nehmen München und Berlin eindeutig die Spitzenpositionen ein. Auf sie entfallen 9,8% bzw. 8.5% aller Anmeldungen in der ausgewählten Biotech-Patentklasse, die durchschnittlich in den Jahren 2001 bis 2005 eingegangen sind. Mit deutlichem Abstand folgen die Regionen Unterer Neckar (5,5%), Rhein-Main (4,7%) und Düsseldorf (4.6%). Diese fünf Regionen vereinigen rund ein Drittel aller Patentanmeldungen auf sich, und damit ist die Biotechnologie im Vergleich zu anderen Erfinderaktivitäten räumlich deutlich höher konzentriert, so der Patentatlas. Werden die Zahlen auf Bundesländer-Ebene verglichen, so steht Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 119 Anmeldungen an oberster Stelle, gefolgt von Bayern (106) und Baden-Württemberg (73). Somit stammen etwa ein Fünftel aller Anmeldungen in der ausgewählten Biotech-Patentklasse aus Nordrhein-Westfalen. Die Daten zeigen aber auch, dass die Dynamik in der biotechnologischen Forschung in manchen Bundesländern sehr groß ist: So verzeichnet etwa Mecklenburg-Vorpommern zwischen den Jahren 2004 und 2005 einen deutlichen Sprung von 2,8 auf 21,9 Patentanmeldungen, während die Erfinderaktivität in Sachsen im gleichen Zeitraum von 23,5 auf 9,4 sinkt. Werden lediglich die Patentanmeldungen aus der Kategorie Wirtschaft miteinander verglichen, so zeigt sich ein ähnliches Bild wie im allgemeinen Bundesländervergleich: Auch hier liegt wieder Nordrhein-Westfalen (91) an der Spitze, vor Bayern (74) und Baden-Württemberg (45) bzw. Hessen (44). Die meisten Anmeldungen aus der Wissenschaft stammen aus Baden-Württemberg (20), Berlin (14) und Bayern (14). Die stärkste Entwicklung hat auch wieder Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen: Von Null im Jahr 2000 auf 10 im Jahr 2005. Einen starken Abfall musste hingegen Bayern zwischen den Jahren 2004 und 2005 verkraften - hier sinken die Anmeldungen von 22,4 fast um die Hälfte auf 13,6.
Anteil an Biotech-Patentanmeldungen für das Jahr 2005 im Bundesländervergleich
Bundesland | Anteil der absoluten Anzahl an Biotech-Patentanmeldungen in Prozent für das Jahr 2005 |
Schleswig-Holstein | 2,5 |
Hamburg | 3,0 |
Niedersachsen | 5,0 |
Bremen | 0,4 |
Nordrhein-Westfalen | 21,3 |
Hessen | 9,5 |
Rheinland-Pfalz | 3,9 |
Baden-Württemberg | 13,0 |
Bayern | 18,9 |
Saarland | 0,6 |
Berlin | 7,6 |
Brandenburg | 2,0 |
Mecklenburg-Vorpommern | 3,9 |
Sachsen | 1,7 |
Sachsen-Anhalt | 3,6 |
Thüringen | 1,7 |
Quelle: DPMA, Patentatlas 2007
Abgesehen von den absoluten Anmelderzahlen zeigt sich jedoch, dass Regionen im Osten Deutschlands vergleichsweise hohe Erfinderaktivitäten in der Biotechnologie aufweisen können, wenn sie innerhalb eines Bundeslandes mit anderen technischen Gebieten verglichen werden: So hat laut Patentatlas beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern mit 11 Prozent an den gesamten landesinternen Patentanmeldungen den höchsten Biotech-Anteil, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 6 Prozent, während die Anmeldungen in den drei ausgewählten Patentklassen in allen anderen Bundesländern kaum zwei Prozent des Gesamtanteils ausmachen.