Wochenrückblick KW 24

16.06.2014

NASA-Mikrobe eine der wichtigsten neuen Arten

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Überlebenskünstler aus Reinräumen der Raumfahrtindustrie: Die Mikrobe namens Tersicoccus phoenicis. Quelle: Dr. Rüdiger Pukall (DSMZ)

Eine Mikrobe, die in Reinräumen der Raumfahrtindustrie aufgetaucht ist, zählt zu den spektakulärsten neuen Artenfunden des Jahres.

Ein internationales Forscherteam um die Regensburger Mikrobiologin Christine Moissl-Eichinger hatte die neue Bakterienart in einer außergewöhnlichen Umwelt entdeckt: Auf dem Boden von Reinräumen der NASA und der ESA, in denen Raumfähren und Satelliten für den Einsatz im Orbit gefertigt werden. Die Mikrobe mit dem Namen Tersicoccus phoenicis hat es nun in die Auswahl der bedeutendsten zehn neuen Arten des Jahres 2014 geschafft. Die Liste der Top 10 New Species wird jährlich vom International Institute for Species Exploration (IISE) in den USA veröffentlicht. Auch dieses Mal hatte eine Expertenkommission, die mit weltweit führenden Taxonomen besetzt ist, zehn Arten – unter anderem verschiedene Pflanzen und Tiere – aus den über 18.000 neuen Spezies ausgewählt, die im vergangenen Jahr gefunden wurden. An zwei Orten konnte Tersicoccus phoenicis bereits nachgewiesen werden. Das Besondere: Diese liegen 4.000 Kilometer voneinander entfernt. Es handelt sich um das Kennedy Space Center in Florida und das ESA-Raumfahrtzentrum in Kourou (Französisch-Guyana).

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Dies ist von besonderem Interesse für die Wissenschaft. Zwar finden sich – allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz – immer wieder Mikroben in den Reinräumen der NASA und der ESA. Allerdings konnte bislang noch kein neuartiger Organismus an zwei unterschiedlichen und so weit voneinander entfernten Orten nachgewiesen werden. Die Reinraum-Mikroben sind äußert hartnäckig, und überstehen extreme Trockenheit sowie große Schwankungen des pH-Werts und der Temperatur. Auch Behandlungen mit UV-Licht und Wasserstoffperoxid machen ihnen nicht viel aus.

Die Entdeckung von Tersicoccus phoenicis könnte daher auch für die Suche nach extraterrestrischem Leben von Bedeutung sein. Detaillierte Informationen über die in den Reinräumen vorkommenden Mikroben können dabei helfen zu klären, ob man bei einem neuen Fund wirklich außerirdisches Leben vor sich hat oder lediglich Anzeichen auf blinde Passagiere von der Erde. Typus-Exemplare, also die repräsentativen Muster-Mikroben für die Artenkundler, werden am Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig aufbewahrt.

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EU erleichtert Anbauverbot für Gentechnik-Pflanzen

Die EU hat das Mitspracherecht der Mitgliedstaaten beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gestärkt. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die EU hat das Mitspracherecht der Mitgliedstaaten beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gestärkt. Quelle: Klaus-Peter Wolf /pixelio

Die EU-Umweltminister haben neue Regeln für die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen beschlossen und damit nationale Anbauverbote erleichtert.

In der Sitzung am 12. Juni sprachen sich die Staaten der Europäischen Union fast einstimmig für die Neuregelung aus. Lediglich Belgien und Luxemburg enthielten sich der Stimmen.
Damit bekommen die EU-Staaten mehr Mitspracherecht beim kommerziellen Anbau von Gentechnik-Pflanzen.

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Die Neuregelung ermöglicht ihnen, bereits im Rahmen des Zulassungsverfahren von dem jeweiligen Unternehmen zu fordern, das EU-Land beim Anbau auszuschließen. "Wir werden damit erstmals eine klare und eindeutige rechtliche Regelung haben, die es uns ermöglicht, gentechnisch veränderte Organismen in unseren Ländern nicht zuzulassen", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in der Ministerrunde. Mitte März hatten fünf Bundesländer, darunter Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im Bundesrat mehr Selbstbestimmung beim Zulassungsprozedere für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen beantragt (mehr ...). Anlass war die bevorstehende Zulassung der Gentechnik-Maissorte 1507 auf den Äckern der Europäischen Union. Bei einer Abstimmung des EU-Ministerrates im Februar in Brüssel hatten die Anbaugegner allerdings nicht die nötige Stimmenmehrheit erhalten. Vier Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, hatten sich damals eines Votums enthalten (mehr ...). Der Grund: Die Bundesregierung konnte sich nicht auf eine einheitliche Linie im Umgang mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen einigen. Das die Anbauzulassung für den Gentech-Mais 1507 für alle 28 EU-Staaten kommt, scheint indes  sicher. EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg kündigte bereits nach der Abstimmung im Februar an, entsprechend des Vorschlags der EU-Kommission für eine Zulassung zu stimmen. Mais 1507 wäre nach der Maislinie MON810 und der Stärkekartoffel „Amflora“ die dritte gentechnisch veränderte Pflanze, die in Europa angebaut werden darf.  

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Immuntherapie-Bündnis von Merck und Morphosys

Merck und Morphosys wollen auf dem Gebiet der Antikörper-Forschung zukünftig zusammenarbeiten. (im Bild: Luftaufnahme der Darstädter Zentrale der Merck-Gruppe) <ic:message key='Bild vergrößern' />
Merck und Morphosys wollen auf dem Gebiet der Antikörper-Forschung zukünftig zusammenarbeiten. (im Bild: Luftaufnahme der Darstädter Zentrale der Merck-Gruppe) Quelle: Merck KGaA

Der Pharmakonzern Merck und das Biotech-Unternehmen Morphosys wollen künftig zur Entwicklung neuer Antikörper für die Immuntherapie gegen Krebs zusammenarbeiten.

Gemeinsam wollen die Partner Immunglobuline gegen ausgewählte Zielmoleküle aus der Klasse der Immun-Checkpoints identifizieren und entwickeln. Mögliche therapeutische Antikörper sollen eine Interaktion zwischen Tumorzellen und T-Zellen blockieren. Damit wird verhindert, dass die Krebszellen vom Immunsystem unerkannt bleiben. Die passenden Technologie-Plattformen für die Therapiesuche bringt die Martinsrieder Morphosys AG mit in die Partnerschaft. Darunter Ylanthia zur In-vitro-Generierung menschlicher Antikörper.

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Firmenangaben zufolge ist sie die größte Antikörper-Bibliothek im FAB-Format (für Antigen-bindende Fragmente von Antikörpern). Sie enthält mehr als 100 Milliarden unterschiedliche vollständig humane Antikörper. Die biopharmazeutische Sparte des Pharma- und Chemiekonzerns Merck Serono bringt ein breites Portfolio und die Expertise im Bereich der Immunonkologie und klinischer Entwicklung ein. Der Darmstädter Konzern entrichtet Tantiemen auf Produktverkäufe und Meilensteinzahlungen und ist zudem für die Kommerzialisierung zuständig. Daneben obliegt Merck vollständig die Projektverantwortung ab Phase 1 der klinischen Entwicklung. Forschungs- und Entwicklungskosten stemmen beide Firmen gemeinsam. Morphosys hat laut Lizenzvereinbarung die Option, zu vordefinierten Zeitpunkten aus dem Vertrag auszutreten. Über weitere finanzielle Details haben die Entwicklungspartner Stillschweigen vereinbart. Die Zusammenarbeit mit Morphosys passt in Mercks aktuelle strategische Ausrichtung. Der DAX-Konzern will seine größte Sparte Merck Serono durch Forschungspartnerschaften und Zukäufe weiter ausbauen. Die Darmstädter forschen zurzeit in der Immuntherapie an verschiedenen Wirkstoffen. 

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Forscher entziffern Blindmull-Genom

Die Lebensweise des Blindmulls begeistert Forscher seit langem. Nun wurde das Genom des unter Tage lebenden Nagers entziffert. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Lebensweise des Blindmulls begeistert Forscher seit langem. Nun wurde das Genom des unter Tage lebenden Nagers entziffert. Quelle: Eviatar Nevo, Haifa, Israel

Ein internationales Forscherteam hat das Genom des Blindmulls entziffert und dabei offenbar den Schlüssel für das lange Leben der Nager entdeckt.

Der Blindmull (Spalax galili) ist ein Phänomen: Der  unter Tage lebende Nager wird erstaunlich alt und kann mit sehr wenig Sauerstoff leben. Durch das Leben unter der Erde und das geringe Tageslicht haben sich seine Augen zurückgebildet. Mit weniger als einem Drittel des normalerweise verfügbaren Sauerstoffs kann der unscheinbare, rattengroße Nager problemlos für viele Stunden ohne Schäden an empfindlichen Organen wie dem Gehirn überleben. Für Ratten oder Menschen wäre dies tödlich. Doch nicht nur seine Lebensweise versetzt Forscher in Erstaunen: Blindmulle bekommen weder auf natürlichem Wege noch nach einer Behandlung mit kanzerogenen Chemikalien im Labor Krebs. Diese einzigartigen zellulären Mechanismen sind es, die den Blindmull für die Forschung interessant machen.  Nun wurde das Genom des erstaunlichen Nagers erstmals entziffert. Wissenschaftler der Universität Haifa und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben ihre Ergebnisse im Fachjournal Nature Communications (2014, Online-Veröffentlichung) vorgestellt.

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Das internationale Forscherteam konnte auffällige Veränderungen in bestimmten Blutfarbstoff-Genen finden, die Teil der Anpassung an akuten Sauerstoffmangel sein könnten. Dem durch Kohlendioxidanhäufung im Blut erzeugten Säureschmerz entgeht der Blindmull durch eine Mutation in einem Schmerzrezeptor-Gen. Auch erste Hinweise auf die möglichen Ursachen der Krebstoleranz erhielt das Forscherteam um Eviatar Nevo: Durch eine auffällige Mutation im wichtigen Schaltergen p53 reduziert Spalax wohl den Prozess des kontrollierten Zell-Abbaus (Apoptose), was den Verlust von Zellen nach Sauerstoffmangel-Stress minimieren kann. Die Apoptose ist aber eigentlich auch für die effiziente Beseitigung von Krebszellen erforderlich. Diese Schwächung überkompensiert der Blindmull möglicherweise durch die besonders starke Aktivierung eines alternativen Weges, entartete Zellen zu entfernen. Das Genom wollen die Forscher nun weiter analysieren: „Wir haben durch die Genomsequenz jetzt jede Menge molekularer Ansatzpunkte. Aber erst weitere Forschung im Labor wird die genauen biologischen Zusammenhänge zu Tage fördern“, sagt Thomas Hankeln. Die Mainzer Forscher verfolgen dabei einen evolutionären Ansatz: Sie wollen die Gene von Spalax im Detail mit denen des afrikanischen Nacktmulls vergleichen, der ähnliche Eigenschaften wie der Blindmull hat. „ Aus dem Vergleich versprechen wir uns quasi doppelt so viele Hinweise auf neuartige Stoffwechselprozesse, die irgendwann für die Medizin nützlich sein könnten“, so Hankeln.

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