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Regenerative Medizin: Heilen mit Zellen

In der Regenerativen Medizin werden Zellen eingesetzt, um Verletzungen oder Erkrankungen zu heilen. Oft werden die Zellen noch mit Biomaterialien - hier Hightechfäden -kombiniert. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die Regenerative Medizin setzt auf den heilenden Einfluss von lebenden Zellen, um so Verletzungen oder Erkrankungen zu behandeln. Oft werden die Zellen noch mit Biomaterialien - hier Hightechfäden -kombiniert. Quelle: Jürgen Groll/Universität Würzburg

Die Regenerative Medizin nutzt die Selbstheilungskräfte des Körpers, um Erkrankungen und Verletzungen zu therapieren. Dabei setzen Mediziner und Naturwissenschaftler auf den Einfluss lebender Zellen. Neue und individuelle Therapien könnten Patienten, so die Hoffnung, eine deutlich höhere Lebensqualität ermöglichen. Mit einem Dossier und einer Broschüre beleuchtet biotechnologie.de, wie  das Forschungsgebiet in Deutschland aufgestellt ist, für welche Erkrankungen es bereits vielversprechende Fortschritte gibt und wieso der Weg für zellbasierte Therapien in den klinischen Alltag so schwierig ist. Als Spitzenzentren für die Regenerative Medizin sind in Deutschland sogenannte Translationszentren in Leipzig, Berlin, Dresden, Hannover und Rostock aufgebaut worden. Auch für die Pharma- und die Kosmetikindustrie werden Verfahren der Regenerativen Medizin immer bedeutender.

Stammzellen als Materialquelle

Stammzellen sind im Körper die treibenden Kräfte für Entwicklung und Regeneration. Da aus ihnen neue Zellen hervorgehen, sind sie auch die zentrale Materialquelle für die Regenerative Medizin.

Die Herkunft entscheidet über die Einsatzmöglichkeiten

Einfach formuliert ist eine Stammzelle eine Zelle, von der andere Zellen im Körper abstammen. Im Vergleich zu hochspezialisierten Körperzellen sind Stammzellen weniger stark auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung festgelegt. Durch Zellteilung sind sie in der Lage, eine sich spezialisierende Tochterzelle und eine Stammzelle zu erzeugen, wodurch sie sich selbst erhalten. Mithilfe von Stammzellen wächst und erneuert sich der Organismus ein Leben lang, Wunden und innere Schäden heilen aus eigener Kraft. Die Medizin versucht, die Heilkraft der Stammzellen zu verstehen und gezielt therapeutisch zu nutzen. Die Herkunft der Stammzellen ist dabei entscheidend für eine mögliche Anwendung. Der Stammzell-Typ entscheidet auch, wie Forscher mit den Multitalenten umgehen dürfen.

Diese Grafik zeigt die drei Wege, mit denen drei verschiedene Stammzelltypen gewonnen werden. Embryonale Stammzellen werden aus Embryonen isoliert (links); Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) werden reprogrammiert (Mitte); Gewebestammzellen werden aus speziellen Körperregionen isoliert (rechts).Lightbox-Link
Diese Grafik zeigt die drei Wege, mit denen drei verschiedene Stammzelltypen gewonnen werden. Embryonale Stammzellen werden aus Embryonen isoliert (links); Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) werden reprogrammiert (Mitte); Gewebestammzellen werden aus speziellen Körperregionen isoliert (rechts).Quelle: biotechnologie.de

Embryonale Stammzellen: zelluläre Ausnahmetalente

Aus einer befruchteten Eizelle gehen bis zum 8-Zell-Stadium Tochterzellen hervor, die totipotent sind. Jede für sich hat das Entwicklungspotenzial, einen kompletten Organismus aufzubauen. Etwa fünf Tage nach der Befruchtung der Eizelle hat sich der Embryo zu einem kugeligen Zellgebilde entwickelt, der Blastozyste. Aus der inneren Zellmasse der Blastozyste lassen sich embryonale Stammzellen (ES-Zellen) gewinnen. Sie gelten als zelluläre Alleskönner. ES-Zellen sind pluripotent: Sie besitzen also grundsätzlich die Fähigkeit, noch alle Gewebe des menschlichen Körpers bilden zu können (mit Ausnahme des Plazentagewebes). Daher kann sich aus ihnen kein vollständiger Organismus mehr entwickeln, wie das bei totipotenten Zellen der Fall ist. Damit Wissenschaftler mit ES-Zellen arbeiten können, werden sie in Kulturschalen übertragen, die mit einer speziellen Nährlösung gefüllt sind. Hier vermehren sie sich zu mehreren hundert Zellen, die wiederum in neue Kulturschalen überführt werden, so dass aus wenigen embryonalen Stammzellen schließlich Abermillionen entstehen. Bei geeigneter Stimulierung mit einem Cocktail aus Wachstumsfaktoren lassen sie sich in jeden erdenklichen der 200 menschlichen Zelltypen verwandeln. Somit sind ES-Zellen eine schier unerschöpfliche Quelle.

Da zu ihrer Gewinnung Embryonen zerstört werden müssen, wird die Herstellung und Verwendung von humanen ES-Zellen ethisch kontrovers diskutiert. Verschiedene Länder auf der Welt haben politisch und rechtlich unterschiedliche Lösungen für den Umgang mit Embryonen und Stammzellen gefunden. In Deutschland sorgt das Embryonenschutzgesetz für einen strikten Schutz des Embryos und verbietet das Herstellen menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken sowie die verbrauchende Embryonenforschung einschließlich der Herstellung von menschlichen ES-Zellen. Zusätzlich regelt das Stammzellgesetz den möglichen Import und die Verwendung von menschlichen ES-Zellen aus dem Ausland. Solche ES-Zelllinien müssen schon vor einem gesetzlich festgelegten Stichtag gewonnen worden sein (1. Mai 2007).

Gewebestammzellen – die Reparaturreserve im Körper

Neben den ES-Zellen sind adulte Stammzellen oder Gewebestammzellen die zweite große Gruppe an Stammzellen.

Sie sind in zahlreichen Geweben von erwachsenen Menschen vorhanden und sitzen dort in speziellen Nischen, um auf ihren Einsatz zu warten. Adulte Stammzellen sind wie ein Reparaturtrupp des jeweiligen Gewebes. Sie sorgen für den nötigen Zell-Nachschub, wenn im Gewebe Zellen absterben und ersetzt werden müssen. So treiben sie die Erneuerung und die Wundheilung an. Adulte Stammzellen sind allerdings in ihrem Entwicklungspotenzial eingeschränkt, sie gelten deshalb als multipotent, weil ihre Abkömmlinge nur noch zu wenigen Zelltypen heranreifen können.

Dank neuester Methoden haben Forscher inzwischen an immer mehr Stellen im Körper die vor Ort zuständigen Gewebestammzellen entdeckt. Das Problem: Viele adulte Stammzellen sind nur mit großem Aufwand zu gewinnen, und ihre Zucht im Labor gestaltet sich oft schwierig. Die Vorteile: Weil sie im erwachsenen Körper vorkommen, sind sie nicht nur ethisch unproblematisch, sondern auch einfacher für therapeutische Zwecke nutzbar. So könnten adulte Stammzellen direkt vom Patienten gewonnen und für eine Behandlung optimiert werden. Ihr Einsatz führt auch nicht zu Abstoßungen durch das Immunsystem.

Eine klinische Anwendung von adulten Stammzellen ist bei der Behandlung von Leukämien bereits seit Jahrzehnten klinische Routine. Durch die Transplantation von immunologisch passenden Stammzellen eines Spenders kann das Blutbildungssystem eines Krebskranken wieder neu aufgebaut werden (mehr...).

Die Entdeckung der iPS-Zellen...

...begann im Jahr 2006 in Japan. Wichtige Meilensteine:


Juni 2007:
Von der Hautzelle zur Stammzelle: Umprogrammierung mit gentechnischen Tricks

November 2007: Molekulare Verjüngungskur: Von menschlichen Körperzellen zu vielseitigen Stammzellen

Juni 2008: Sanfte Umprogrammierung der Hautzelle zur Stammzelle

Februar 2009: Mit einem Gen zur Stammzelle

April 2009: Stammzellen ohne Gentransfer hergestellt

Januar 2010: Hautzellen direkt zu Nervenzellen umprogrammiert

Oktober 2010: Forscher erzeugen Stammzellen per RNA-Trick

September 2011: Pluripotente Stammzellen auf dem Prüfstand

Für alle weiteren Organe und Gewebe befinden sich Therapien erst in einem experimentellen Stadium oder sie werden in klinischen Studien erprobt. Eine besonders reiche und gut zugängliche Quelle für adulte Stammzellen ist das Knochenmark. Eine weitere Quelle für adulte Stammzellen ist das Nabelschnurblut von Neugeborenen. Hierin finden sich besonders junge, vermehrungsfähige Gewebestammzellen.

Reprogrammieren als alternativer Weg 

Weder embryonale noch adulte Stammzellen haben Forscher bislang komplett zufriedengestellt. Aus diesem Grund wird seit langem nach Alternativen gesucht – zum Beispiel, indem Zellen künstlich in eine Art embryonalen Alleskönnerzustand zurückversetzt werden. Diese „Reprogrammierung“ ist japanischen Forschern um Shinya Yamanaka im Jahr 2006 erstmals gelungen (mehr...). Sie wandelten ausgereifte Hautzellen von Mäusen durch gentechnische Tricks so um, dass sie sich wie embryonale Stammzellen verhielten. Das künstlich erzeugte Ergebnis nannten sie induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Lediglich ein Cocktail aus den vier Genen namens Oct4, Sox2, c-Myc und Klf4 wurde mithilfe von Viren in die Körperzellen eingeschleust. Dies reichte aus, um in den ausgereiften Zellen eigentlich stillgelegte Erbgutabschnitte zu aktivieren und so das embryonale Genaktivitäts-Programm wieder anzuschalten. Im Jahr 2007 gelang den japanischen Forschern dieselbe Verjüngungskur auch bei menschlichen Hautzellen (mehr...). In der Stammzellforschung haben die Arbeiten von Shinya Yamanaka für einen Paukenschlag gesorgt. Die Erkenntnisse sind so einflußreich, dass der japanischen Forscher bereits 2012 mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt wird (mehr...).

iPS-Zellen im Fokus der Forschung

Seither entwickelt sich die Reprogrammierungstechnik in rasantem Tempo weiter. Nun tüfteln Stammzellforscher weltweit an weiteren Verfahren, um die Herstellung von iPS-Zellen effizienter zu machen. Gleichzeitig wird derzeit ausgiebig getestet, wie ähnlich sie in ihren Eigenschaften den natürlichen pluripotenten Stammzellen wirklich sind (mehr...). Den iPS-Zellen wird ein hohes Potenzial zuerkannt, denn die Forschung an ihnen vermeidet den Verbrauch menschlicher Embryonen zur Generierung neuer Stammzelllinien. Da die iPS-Zellen aus winzigen Gewebeproben der Patienten selbst gewonnen werden können, werden aus ihnen hergestellte Zellen bei einer späteren Therapie nicht vom Immunsystem als fremd erkannt. Neuere Studien haben im Tierexperiment ergeben, dass auch von iPS-Zellen abgeleitetes Gewebe in manchen Fällen Immunreaktionen hervorrufen kann, was Forscher vor allem auf die Herstellungsmethoden zurückführen. Ein weiteres Problem: Die verwendeten Körperzellen der Patienten haben durch den Alterungsprozess bereits Mutationen in ihrer Erbinformation angesammelt. Eine neue Entwicklung aus den Stammzelllabors  ist die direkte Reprogrammierung. Hierbei ist es gelungen, durch genetische und biochemische Kommandos verschiedene Zelltypen ineinander umzuwandeln, ohne den Umweg über Stammzellen zu gehen. So ist es bereits gelungen, Hautzellen direkt in Nervenzellen umzuwandeln (mehr...).

Wie sich Stammzellen für die Medizin nutzen lassen

Stammzellen bergen ein vielseitiges Potenzial für die Medizin. Biomediziner sehen drei wichtige Anwendungsbereiche:

  • Krankheitsmodelle in der Petrischale: Krankheiten können besser erforscht werden, da die betroffenen Zelltypen eines Patienten mithilfe von Stammzellen im Labor herangezüchtet und beobachtet werden können. Forscher können so den Stoffwechsel und die  Genaktivität in kranken Zellen untersuchen und die molekularen Ursachen der Krankheiten besser verstehen. Vor allem schwierig zu erforschende Leiden wie die Amyotrophe Lateralsklerose, Krebs oder Schizophrenie werden so besser zugänglich.
  • Wirkstoffsuche und Arzneitests: An aus Stammzellen gezüchteten Herz-, Leber- oder Nervenzellen lassen sich chemische Substanzen und Medikamente auf Giftigkeit und andere Nebenwirkungen in hoher Stückzahl testen. So können Pharmahersteller schon früh in der Medikamentenentwicklung aussagekräftigere Schlüsse ziehen und womöglich Tierversuche reduzieren.
  • Zelltherapie: Im Labor nachgezüchtete Zellen können in erkrankte Organe von Patienten transplantiert werden, um dort die verlorengegangene Funktion zu ersetzen. Zum einen, so die Hoffnung, setzen sich die Zellen in den betroffenen Geweben fest und bieten strukturellen Ersatz. Auf der anderen Seite geben sie wachstumsfördernde Stoffe an die Umgebung ab und unterstützen so die Regeneration im Gewebe.
 

Broschüre Regenerative Medizin

Regenerative Medizin -  Selbstheilungskraft des Körpers verstehen und nutzen

Die Regenerative Medizin will mithilfe von Zellen heilen, Krankheiten erforschen oder Wirkstoffe testen. Einen Überblick zur Forschung in Deutschland bietet die Broschüre "Regenerative Medizin".


Zur Rubrik Publikationen

Zentren der Regenerativen Medizin

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützen die Regenerative Medizin mit speziellen Zentren an sechs Standorten in Deutschland: Berlin, Leipzig, Dresden, Hannover, Rostock und in der Region Neckar-Alb.


bcrt.charite.de
www.trm.uni-leipzig.de
www.crt-dresden.de
www.rebirth-hannover.de
www.cardiac-stemcell-therapy.com
www.info-rm.de


Downloads

Regenerative Medizin - Selbstheilungskraft des Körpers verstehen und nutzen

BMBF 2012/2013 Download PDF (6,8 MB) PDF online ansehen

Regenerative Medicine in Germany

2010, biotechnologie.de Download PDF (1,2 MB) PDF online ansehen

Neue Therapien für die Regenerative Medizin - Gesundheitsregion REGiNA

Bioregio Stern, 2013 Download PDF (3,2 MB) PDF online ansehen

Regenerationstechnologien für Medizin und Biologie - Beiträge für ein strategisches Handlungskonzept

April 2007: Capgemini, im Auftrag des BMBF Download PDF (1,9 MB)