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Mit einem Gen zur Stammzelle

Mit nur einem Gen haben die Münsteraner Forscher Nervenzellen in Stammzellen verwandelt. Nun arbeiten sie daran, ganz ohne Fremdgene auszukommen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mit nur einem Gen haben die Münsteraner Forscher Nervenzellen in Stammzellen verwandelt. Nun arbeiten sie daran, ganz ohne Fremdgene auszukommen.

06.02.2009  - 

Der "Kapitän" ist gefunden - ein einziger genetischer Faktor, der ausgereifte Körperzellen dazu bringt, sich in pluripotente Stammzellen zu verwandeln. Wie Forscher um Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Cell (Vol. 136, Ausg. 3, S. 411-419) berichten, konnten sie induzierte Stammzellen aus Nervenzellen von Mäusen herzustellen. Der Clou: Sie brauchten dafür einzig und allein das Gen Oct4 in die Mäusezellen einschleusen. Vor zwei Jahren hatte der Japaner Shinya Yamanaka für Aufsehen gesorgt, als es ihm zum ersten Mal gelang, erwachsene Zellen mithilfe von vier Genen zu Stammzellen umzuprogrammieren. Schölers Team reduzierte die Anzahl der notwendigen Gene vor einem halben Jahr auf zwei. Jetzt wird für die Reprogrammierung nur noch Oct4 benötigt. Derzeit erproben die Forscher ihre Beobachtungen auch an menschlichen Zellen. Die ersten Ergebnisse, sagt Schöler, seien „sehr vielversprechend“.


Sollten sich die Ergebnisse aus Münster auch beim Menschen bestätigen, hätte das zwei Vorteile: Zum einen könnten pluripotente Stammzellen in Zukunft mit nur einem Gen und damit relativ einfach hergestellt werden. Zum anderen wäre auch aus therapeutischer Sicht ein großer Schritt gemacht, da mit dem Verzicht auf die bisher notwendigen Gene auch die Tumorgefahr gebannt ist. c-Myc und Kfl4, die selbst als potentiell krebsauslösend gelten und deren Einschleusung durch Retroviren in den Pionierexperimenten wie jenen des Japaners Shinya Yamanaka noch nötig waren, entfallen als Reprogrammierfaktoren vollends.

Induzierte pluripotente Stammzellen...
... sind Zellen, die in Experimenten bislang sehr ähnlich vielseitige Eigenschaften wie embryonale Stammzellen gezeigt haben, aber anders als diese aus ausgereiften Körperzellen gewonnen werden.

Vor zwei Jahren noch vier Gene notwendig

Bereits vor gut zwei Jahren war die Aufregung groß: Damals erregten japanische Forscher Aufsehen, als es ihnen als Erste glückte, Hautzellen einer Maus in ihren embryonalen, vielseitigen Urzustand zurückzuversetzen. Das Rezept war verblüffend einfach: Um die begehrten Multitalente zu erzeugen, hatte das Team um Shinya Yamanaka mit Hilfe von Viren aktive Zusatzkopien von lediglich vier normalerweise abgeschalteten Genen in die Zellen eingeschleust. Yamanaka und seine Kollegen hatten 24 Kandidaten in allen erdenklichen Kombinationen getestet, bis sie die entscheidenden Faktoren - die Gene Oct4, Sox2, c-Myc und Kfl4 -  identifiziert hatten. Anfangs war die Wissenschaftswelt noch skeptisch, schließlich waren es damals noch Experimente mit Mäuszellen. Doch als das einfache Rezept auch mit menschlichen Zellen klappte, war die Aufregung groß (mehr...)

Die Entdeckung der iPS-Zellen...

...begann im Jahr 2006 in Japan. Doch zunächst war die Wissenschaftsgemeinde skeptisch. Erst Schritt für Schritt konnten Veröffentlichungen in angesehenen Fachmagazinen die relativ einfache Umporgrammier-Methode der Japaner belegen.

Juni 2007: Von der Hautzelle zur Stammzelle: Umprogrammierung mit gentechnischen Tricks
November 2007: Molekulare Verjüngungskur: Von menschlichen Körperzellen zu vielseitigen Stammzellen
Juni 2008: Sanfte Umprogrammierung der Hautzelle zur Stammzelle

Die globale Wissenschaftsgemeinde war verblüfft. "Im Nachhinein sieht alles so naheliegend aus", sagt Schöler. Tatsächlich aber konnte bis vor Kurzem niemand wissen, ob sich ausgereifte Körperzellen in pluripotente Zellen verwandeln lassen. "Auch ich", gesteht Schöler, "hätte deshalb bis vor ein paar Jahren niemals versucht, einfach nur Oct4 auf Zellen zu geben und dann mehrere Wochen zu warten, was passiert." Nach der Entdeckung von Yamanaka setzte sich Schöler mit seinem Team ebenfalls auf die vielversprechende Fährte.

Drei von vier Faktoren sind in den Zellen schon vorhanden

Der Erfolg blieb nicht aus. Vor einem halben Jahr gelang es den Zellbiologen Jeong Beom Kim und Holm Zaehres aus Schölers Mannschaft, mit nur noch zwei Genen auszukommen (mehr...). Bei der neuesten Entdeckung kamen den Forschern nun Erkenntnisse aus einem anderen Projekt zugute. Damals hatten sie entdeckt, dass es im Gehirn erwachsener Mäuse Zellen gibt, die natürlicherweise drei der vier Faktoren aus dem Reprogrammier-Cocktail produzieren. In diesen neuralen Stammzellen, die als Nachschubquelle für verschiedene Nervenzelltypen dienen, sind die Gene Sox2, Klf4 und c-Myc von sich aus aktiv.

Schölers jetzt in Cell veröffentlichte Ergebnisse zeigen nun, dass bei diesen Zellen tatsächlich ein einziges Gen ausreicht, um die Lebensuhr auf Anfang zurückzudrehen: Oct4. Schöler glaubt, dass die universelle Ausrichtung in Münster diese Entdeckung erst möglich gemacht hat. "Unser Vorteil war sicher, dass meine Mitarbeiter und ich sowohl embryonale als auch adulte Stammzellen erforschen. Ohne diese Verknüpfung hätten wir unsere jüngste Entdeckung sicher nicht so schnell gemacht", betont der Forscher mit Blick auf die politische Debatte um embryonale Stammzellen im vergangenen Jahr (mehr...).

So sehen reprogrammierte Stammzellen unter dem Mikroskop aus, die aus Nervenzellen durch Einschleusen von Oct4 entstanden sind.Lightbox-Link
So sehen reprogrammierte Stammzellen unter dem Mikroskop aus, die aus Nervenzellen durch Einschleusen von Oct4 entstanden sind.Quelle: Schöler/ MPI für molekulare Biomedizin

Mehr als 200 Zelltypen können gebildet werden

Für die Forscher entscheidend war allerdings auch eine große Portion Geduld. Sie mussten nicht nur sorgfältig arbeiten, sondern auch warten können: Mit vier Faktoren, so zeigte sich, ist die Reprogrammierung bereits nach rund einer Woche erfolgreich abgeschlossen. Schleust man nur zwei Gene ein, dauert es mindestens 14 Tage. Wird allein Oct4 verwendet, lassen sich in der Petrischale die ersten Stammzellen erst nach drei bis vier Wochen nachweisen. Wie Schölers Team zeigen konnte, sind sie allerdings voll funktionstüchtig und verfügen über die gleichen Fähigkeiten wie jene, die mit zwei oder vier Faktoren reprogrammiert wurden. Sie sind in vollem Umfang pluripotent und damit in der Lage, jeden der mehr als 200 Zelltypen des Körpers zu bilden. An diese Fähigkeiten knüpfen sich die Hoffnungen der regenerativen Medizin: Induzierte Stammzellen könnten als Quelle für Ersatzgewebe dienen, das vom Immunsystem des Körpers nicht abgestoßen wird, da es aus körpereigenen Zellen gewonnen wurde.

Dass ausgerechnet Oct4 der zentrale Schalter für die Reprogrammierung einer Zelle zu sein scheint, kommt für Schöler nicht völlig überraschend. So hatte er bereits Ende der 80er-Jahre den Transkriptionsfaktor in Eizellen von Mäusen entdeckt. Schöler war es auch, dem es kurz darauf als Erstem gelang, das Oct4-Gen zu beschreiben. Schon damals zeichnete sich ab, dass der Faktor eine Schlüsselrolle in der Keimbahn spielt, erinnert sich Schöler. "Denn das Gen war nicht nur in Eizellen aktiv, sondern auch in frühen Embryonen und embryonalen Stammzellen und dann Keimzellen - all solchen Zellen also, die das Leben von einer Generation in die nächste tragen können und damit potenziell unsterblich sind." In allen Körperzellen dagegen war es stets abgeschaltet. Unklar war lange, ob diese Korrelation auf einer Ursache oder aber allein auf Zufall beruhte. Durch gezielte Experimente zeigte Schöler jedoch später, dass Oct4 für die Aufrechterhaltung der Pluripotenz von Zellen unerlässlich ist.

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Der nächste Schritt: Oct4 in der Zelle selbst aktivieren

Noch funktioniert die Reprogrammierung mit Oct4 nur bei besagten Nervenzellen von Mäusen. Die Forscher in Münster arbeiten aber schon an analogen Experimenten mit menschlichen Zellen. Erste Ergebnisse seien "sehr vielversprechend", sagt Schöler. Falls sie sich bestätigen, wäre ein weiterer Schritt in Richtung einer möglichen Stammzelltherapie getan. Denn Oct4 gilt im Gegensatz zu bisher benötigten Reprogrammierungs-Genen nicht als krebserregend.

Zwar sind diese Gene, c-Myc und Klf4, in den jetzt reprogrammierten Mäuse-Nervenzellen auch vorhanden und sogar aktiv. Doch das bedeute kein erhöhtes Tumorrisiko, betont Schöler: "Die Gene der Zelle werden richtig reguliert. Probleme gibt es erst, wenn Sie Gene zusätzlich in die Zellen einbringen und die dann dort aktiv sind, obwohl ihre natürlichen Versionen eigentlich abgeschaltet sind." Ziel ist es dennoch, eine Rückprogrammierung ganz ohne zusätzliche Gene zu erreichen. "Auch das eingeschleuste Oct4 wollen Sie da nicht haben, weil auch ein falscher Einbau ein Risiko birgt", erläutert Schöler.

Deshalb suchen die Forscher einen Weg, ganz auf das Einschleusen von Genen zu verzichten. Schöler ist optimistisch: "Zuerst waren vier Gene nötig, dann drei, zwei und jetzt eins - danach kommt null. Wir sind jetzt quasi kurz vorm Ziel." So könnte sich Schöler etwa vorstellen, das zelleigene Oct4 mit sogenannten Small Molecules, kleinen chemischen, bioaktiven Substanzen, zu aktivieren. Diese Idee verfolgen auch andere. So hatte der deutsche Stammzellforscher Rudolf Jähnisch am US-amerikanischen Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge von Anfang an im Blick, als er 2007 zum ersten Mal die Umprogrammierungs-Methode der Japaner als einer der ersten bestätigen konnte (mehr...). 

 

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