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Biopharmazeutika: Volle Pipeline, stagnierendes Wachstum

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In den kommenden Jahren dürften weitere biotechnisch hergestellte Arzneien zugelassen werden. Quelle: Bayer AG

25.04.2012  - 

In ihren vorliegenden Jahresberichten wagen die börsennotierten Biotech-Unternehmen mit medizinischem Fokus einen Blick in die Zukunft: Wie ist die Lage der Firma, was sind die nächsten Entwicklungsziele und wie sieht es mit den Finanzen aus. Auch der Branchenverband vfa bio hat am 25. April in Berlin seinen Jahresbericht vorgelegt. Kernaussage: Trotz einer gut gefüllten Forschungspipeline stagnieren die Gewinne. Schuld daran seien insbesondere die politischen Rahmenbedingungen.

Um die teure klinische Forschung zu bezahlen, sind Biotech-Unternehmen auf externe Geldgeber angewiesen. Während es im Grundlagenbereich viele öffentlich geförderte Projekte gibt, die zum Beispiel vom Bundesforschungsministerium (BMBF) oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt werden, ist das bei der späteren, anwendungsbezogenen Entwicklung nicht mehr der Fall. Dort sind es vor allem private Investoren, die Geld zur Verfügung stellen. Ende März gelang der Leverkusener Biofrontera AG mit dem Einstieg des Milliardärs Carsten Maschmeyer ein echter PR-Coup (mehr...). Entscheidend für sein Engagement seien die nach seiner Einschätzung guten Erfolgsaussichten des gerade erst zugelassenen Medikaments Ameluz. Nur wenige Wochen später betonte Thomas Strüngmann im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wonach sich seine Investitionsentscheidung richtet: „Vor allem müssen uns die Forscher mit ihrer Leidenschaft begeistern.“ Zudem werden Fachleute aus den eigenen Portfolio-Unternehmen um ihre Einschätzung gebeten. Damit wird deutlich: Institutionelle Anleger können Biotech-Unternehmen nur mit einem überzeugenden Geschäftsmodell für sich vereinnahmen.

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Klinische Studien als Wegweiser

Dieses Wissen setzt sich in der Branche durch. „Viele Biotech-Firmen haben nur einen Kunden: den medizinischen Bedarf in zehn Jahren. Das ist zu wenig“, betonte Evotec-CEO Werner Lanthaler anlässlich der Präsentation seiner Jahreszahlen. Investoren verlangen eine klare Perspektive, wohin die Reise geht. Klinische Studien dienen ihnen als Wegweiser.

Für die Firmen wird es jedoch immer schwieriger, finanzstarke Investoren zu finden, berichtete erst Anfang April die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young (mehr...). Noch sind die zurückgehenden Wagniskapital-Zuflüsse nicht auf die Forschungspipeline durchgeschlagen. Die Zahl der Projekte in der klinischen Entwicklung steigt. Die Interessengemeinschaft der Biopharmazeutik-Hersteller im Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa bio) zählte in ihrem am 25. April vorgestellten Branchenreport „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2012“ insgesamt 556 Klinische Entwicklungsprojekte (+8%, Vorjahr: 516). Gerade im vergangenen Jahr starteten haben viele Projekte die letzte Entwicklungsphase, die Phase III, erreicht. Insgesamt 117 Medikamente stehen jetzt – wenn sie sich auch im letzten Entwicklungsschritt als sicher und wirksam erweisen – vor der Zulassung (+18%, Vorjahr: 99). Meist geht es um Arzneien gegen Krebs (160, +12%), Infektionen (134, +4%) oder immunoogische Präparate (92, +21%).

In den Studien zeigt sich nicht nur, ob ein Medikament wirkt. Manchmal entscheidet das Abschneiden des Hauptentwicklungskandidaten über das Wohl und Wehe der gesamten Firma. Ein gutes Beispiel dafür ist die Heidelberger Agennix. Im Sommer 2012 will das Unternehmen Daten aus der Phase II-Studie FortisM vorlegen. Sollte die Krebsarznei Talactoferrin dort die primären Endpunkte verpassen, ist „die Unternehmensfortführung unmittelbar gefährdet“, heißt es im Geschäftbericht 2011. Auch die Berliner Mologen AG erwartet in diesem Jahr entscheidende Daten: In einer Phase II/III-Studie muss der Wirkstoff MGN1703 seine Eignung für die Behandlung von metastasiertem Darmkrebs unter Beweis stellen. Eine Zwischenauswertung soll möglichst bald vorgenommen werden. Gemeinsam mit dem Start einer Phase II-Lungenkrebs-Studie soll das einen potenten Pharmapartner anlocken, der die Weiterentwicklung der Arzneien bis zur Zulassung finanziert. Bei der Münchener Wilex AG muss ebenfalls der Hauptwerttreiber des Unternehmens eine wichtige Studie bestehen. Das Unternehmen hofft auf positive Ergebnisse für das Brustkrebsmittel Mesupron. Mitte 2012 sollen Daten aus einer Phase II-Studie vorliegen. Zum Jahresende folgen Daten aus einer Zulassungsstudie für das Nierenkrebsmittel Rencarex.

Frank Mathias (ganz rechts), der Vorsitzende der vfa bio, erläutert auf der Pressekonferenz den Branchenreport 2012.Lightbox-Link
Frank Mathias (ganz rechts), der Vorsitzende der vfa bio, erläutert auf der Pressekonferenz den Branchenreport 2012.Quelle: biotechnologie.de

Die Martinsrieder 4SC AG beginnt 2012, an einem ganz neuen Kapital zu schreiben. Mit der seit Jahresanfang operativen Tochter 4SC Discovery GmbH soll die Erfahrung im Bereich der frühen Forschung externen Auftraggebern zur Verfügung gestellt werden. Ob das Angebot den Nerv der Marktteilnehmer trifft, zeigt sich vielleicht schon im kommenden März, bei der Vorlage des nächsten Jahresberichts. Bis dahin dürften auch in der klinischen Forschung wichtige Fortschritte erzielt worden sein: Je eine Phase II-Studie zur Anwendung von Resminostat bei Leber- beziehungsweise Dickdarmkrebs dürfte bis dahin abgeschlossen sein. Die Suche nach Lizenzpartnern für Resminostat und den zweiten Hoffnungsträger des Unternehmens, Vidofludimus, will 4SC bis dahin fortführen. Gut möglich, dass die neuen Daten den Verhandlungen Rückenwind verleihen.

Branche hungert nach guten Nachrichten

Gerade derzeit kämen gute Nachrichten der Branche gelegen, das zeigen auch die Zahlen von vfa bio. Denn erstmals seit Jahren ist Deutschland für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel kein Wachstumsmarkt mehr. Der Umsatz stagnierte bei rund 5,4 Milliarden Euro (19% des Gesamtmarktes). „Ursächlich hierfür sind insbesondere politische Markteingriffe“, sagte Frank Mathias, der Vorsitzende von vfa bio bei der Vorstellung der Zahlen. Vor allem das Steuerrecht und die frühe Nutzenbewertung machten den Arzneimittelherstellern das Leben schwer. Hier sei dringend nachzubessern, fordert Matthias und warnt: „Die Firmen werden ihre Investitionen umsteuern, wenn die Politik Wachstum in Deutschland quasi verhindert.“

Einige Firmennamen werden verschwinden

Selbst wenn die Forderungen des vfa bio vollständig umgesetzt werden, ist jedoch schon jetzt klar, dass in den kommenden Monaten einige Namen vom Biotechnologie-Kurszettel verschwinden werden. Nachdem sich Amgen den in München forschenden Antikörper-Spezialisten Micromet für 1,16 Milliarden US-Dollar einverleibt hat (mehr...), wird sich die neue Tochter von der Börse Nasdaq verabschieden. In Frankfurt treibt der Konzern Analytik Jena sein Vorhaben voran, das Tochterunternehmen CyBio AG von der Börse zu nehmen. Durch Zusammenschlüsse und Übernahmen (merger and acquisition, M&A) könnten sich weitere Firmen vom Börsenparkett abwenden: Die Sygnis AG prüft nach eigenen Angaben „derzeit die für die Gesellschaft bestehenden M&A- sowie Finanzierungsmöglichkeiten“. Nachdem die Berliner mit dem Schlaganfall-Wirkstoff AX200 Schiffbruch erlitten hatten, konzentrieren sie sich auf die Modulatoren des KIBRA-Signalweges. Ob diese Geschichte bei den Investoren verfängt, wird die Zukunft zeigen.

© biotechnologie.de/bk
 

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