Wochenrückblick KW 02

17.01.2011

Rätsel um Ionenkanal im Herzen nach 25 Jahren gelöst

Bochumer Forscher haben im Herzen ein Kanalprotein identifiziert, das normalerweise an der Signalübertragung zwischen Nervenzellen beteiligt ist.

Damit kommt eine für biotechnologische Maßstäbe fast unendliche Geschichte zu einem ersten Abschluss. Bereits vor einem Vierteljahrhundert hatte die Arbeitsgruppe Zelluläre Physiologie von Lutz Pott an der Ruhr-Universität Bochum einen neuartigen, ungewöhnlich großen Ionenkanal im Herzen entdeckt. Versuche, ihm seine „molekulare Identität“ zu entlocken verliefen aber im Sande.

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 Die Forscher konnten nicht ermitteln, welche Stoffe der Kanal leitet und mit welchen Chemikalien er sich öffnen und schließen ließ. Licht ins Dunkel brachte erst die Zusammenarbeit mit Forschern um Georg Zoidl von der ebenfalls in Bochum ansässigen Arbeitsgruppe „Molekulare Hirnforschung“. Die beschäftigt sich mit Ionenkanälen, die am Aufbau von Synapsen, also den elektrischen Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, beteiligt sind. Dabei untersuchten sie auch das Pannexin-1-Kanalprotein, welches erst vor wenigen Jahren charakterisiert wurde.

Typisches Signal von Pannexin-1-Kanälen (dunkelorange, im Vordergrund) und eine isolierte Herzmuskelzelle mit grün leuchtenden Pannexin-1-Kanälen und blauem Zellkern.Lightbox-Link
Typisches Signal von Pannexin-1-Kanälen (dunkelorange, im Vordergrund) und eine isolierte Herzmuskelzelle mit grün leuchtenden Pannexin-1-Kanälen und blauem Zellkern.Quelle: Ruhr-Universität Bochum
Das Protein ist für die schnelle Signalweiterleitung im Hirn besonders wichtig, weil es in kurzer Zeit große Mengen von Stoffen passieren lässt.  Experten vermuten, dass eine Störung von Pannexin-1 an der Entstehung von Epilepsie beteiligt sein könnte. Die Analysen der Hirnforscher führten zu der Annahme, dass sich der Ionenkanal auch im Herzen finden lässt. „Und tatsächlich konnten wir mit elektrophysiologischen, molekularbiologischen und bildgebenden Methoden nachweisen, dass Herzmuskelzellen über Pannexin-Kanäle verfügen“, freut sich Zoidl. „Das unkontrollierte Öffnen dieser Kanäle hat vermutlich katastrophale Folgen für den Herzrhythmus, der durch elektrische Signale gesteuert wird.“ Deswegen wollen die Forscher in einem nächsten Schritt klären, wozu die Herzmuskelzellen Pannexin-1-Kanäle benutzen.

Baden Württemberg: 42 Sieger im Biotech-Wettbewerb

Das Land Baden-Württemberg fördert 42 innovative Ideen aus Biotechnologie und Medizintechnik mit einer Gesamtsumme von 2,1 Millionen Euro.

Aus 120 eingereichten Entwürfen wählte eine Fachjury 42 förderungswürdige Vorhaben aus. Den Gewinnern winken nun jeweils 50.000 Euro um ihre Idee in Machbarkeitsstudien zu überprüfen.

Der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg ist von der Stärke der biotechnologischen Forschung in seinem Land überzeugt.Lightbox-Link
Der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg ist von der Stärke der biotechnologischen Forschung in seinem Land überzeugt.Quelle: MWK BW
Sie wurden nun aufgefordert, die eingereichten Projektskizzen mit einem Vollantrag zu ergänzen. „Bei dem Ideenwettbewerb geht es uns darum, originelle Ideen zu fördern, deren Erfolg nicht garantiert ist“, sagte der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg.  Auch wenn  womöglich nicht jedes Projekt von Erfolg gekrönt ist, dürfte die Wettbewerbsfähigkeit von Wissenschaft und Wirtschaft im Ländle davon profitieren.

„Das stark wachsende Feld der bio- und medizintechnischen Forschung eignet sich besonders, da die Forschung in Baden-Württemberg hier außerordentlich stark und innovativ ist“, so Frankenberg.

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Dabei lassen sich aber durchaus regionale Schwerpunkte identifizieren: Besonders ideenreich scheint die Metropolregion Rhein-Neckar, mit Städten wie Mannheim und Heidelberg, zu sein. Hier werden insgesamt zehn Projektideen gefördert. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Karlsruhe ( acht Projekte) und Freiburg (sechs Projekte).

Die Projektskizzen stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Biotechnologie: Von neuen Wegen in der Kariesbekämpfung mit Mikroorganismen, über die nichtinvasive Messung des Blutzuckerspiegels, bis zur Krebsbekämpfung mittels synthetisch veränderter Botenstoffe mit Gefäßstützen aus Zink, die sich nach einiger Zeit auflösen. Insgesamt werden 23 Projekte aus der Medizintechnik, sieben Ideen aus der Synthetischen Biologie und je sechs Vorhaben aus den Bereichen Bioverfahrenstechnik und Molekulare Bionik unterstützt.

Innovationspreis der Bioregionen soll Technologietransfer vorantreiben

Der Arbeitskreis der BioRegionen in Deutschland hat zum vierten Mal  den mit 2000 Euro dotierten „Innovationspreis 2011 der BioRegionen" ausgeschrieben, bis Mitte März können Bewerbungen eingereicht werden.

Gesucht werden herausragende Erfindungen aus der modernen Biotechnologie, deren Vermarktung noch nicht gesichert ist. „Unser Bestreben ist es, den Wissens- und Technologietransfer zwischen Forschung und Wirtschaft zu fördern, da wir darin den Motor sehen, der die Biotechnologie vorantreibt", betont Bernward Garthoff, Manager des nordrhein-westfälischen Clusters BIO.NRW.

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Mit der Auszeichnung verfolgen die BioRegionen aber auch ein gesellschaftspolitisches Ziel: Der Preis soll Deutschlands beeindruckendes Innovationspotenzial in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Die drei Preisträger, die auf den Ende Mai in München stattfindenden Deutschen Biotechnologietagen ausgezeichnet werden, dürften sich dementsprechend nicht nur über das Preisgeld freuen. Sie bekommen auch jede Menge Aufmerksamkeit und - was fast noch wertvoller ist - gute Kontakte in jeden biotechnologisch relevanten Winkel Deutschlands. "Der Preis hat mir geholfen, neue und wertvolle Kontakte zu finden", bestätigt Annette Kaiser, Preisträgerin aus dem Jahr 2008 und damals Professorin an der Fachhochschule Bonn Rhein-Sieg.
Die 30 Mitglieder des Arbeitskreises der BioRegionen in Deutschland sind quer über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Interessenten können ihre Bewerbungen bis zum 19. März 2011 an jede regionale Bio-Region-Initiative richten oder an die zentrale E-Mail-Adresse: info@ak-bioregio.org senden.

Molekularer Türsteher sorgt für ordentlich Muskeln

Forscher aus Jena haben ein Protein entdeckt, das für die korrekte Signalübertragung an Muskeln besonders wichtig ist.

Egal ob beim Wimpernschlag oder beim Stemmen von Gewichten – die jeweils beteiligten Muskeln bekommen vom Hirn ein Signal, wann sie wie stark kontrahieren sollen. Der Bote ist das von den Nervenzellen freigesetzte Acetylcholin. Der Muskel empfängt die Befehle mit dem auf der Zelloberfläche liegenden Acetylcholin-Rezeptor, einem besonders kompliziert aufgebauten Protein. Verschiedene Untereinheiten müssen auf eine bestimmte Weise kombiniert werden, damit er seine Aufgabe erfüllen kann. Damit nur perfekt zusammengesetzte Rezeptoren an die Zelloberfläche gelangen, gibt es eine spezielle Qualitätskontrolle, die fehlerhaft zusammengesetzte Komplexe im Innern zurückhält.

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Forscher um Christoph Kaether vom Leibniz-Institut für Altersforschung in Jena haben nun ein Protein identifiziert, dass wie ein molekularer Türsteher funktioniert. Über ihre Entdeckung berichten sie in der Zeitschrift PNAS (2011, Bd. 286, S. 290-298).

Der Muskel empfängt über den Acetylcholinrezeptor (rot gefärbt) von den Nervenzellen (grün gefärbt) Signale, die festlegen, wann er wie stark kontrahieren soll.Lightbox-Link
Der Muskel empfängt über den Acetylcholinrezeptor (rot gefärbt) von den Nervenzellen (grün gefärbt) Signale, die festlegen, wann er wie stark kontrahieren soll.Quelle: C. Kaether / FLI
Das Protein mit dem kryptischen Namen Rer1 sorgt dafür, dass nur fertig zusammengebaute Komplexe an die Zelloberfläche gelangen, während defekte Komplexe oder einzelne Untereinheiten in einem bestimmten Teil des Zellinnern zurückgehalten werden. „Uns gelang der Nachweis, das Rer1 – ein neuartiges Sortier-Protein – an die alpha-Untereinheiten von bestimmten Acetylcholinrezeptoren bindet. Damit sorgt es dafür, dass die unfertigen Rezeptoren im endoplasmatischen Retikulum bleiben, bis sie in einen Rezeptorkomplex eingebaut werden können“, sagt Kaether. „Rer1 ist folglich an der Qualitätskontrolle beteiligt und steuert den Zusammenbau von Rezeptorkomplexen im Muskel.“ Die Bedeutung von Rer1 konnten die Forscher im Tiermodell nachweisen: „Der Rer1-Mangel führte bei Mäusen zu dünneren Muskelfasern“, berichtet Kaether. Er will nun die Frage klären, ob sich auch der beim Menschen übliche, altersabhängige Schwund von Muskelkraft so erklären lässt. Erste Arbeiten zu diesem Thema laufen bereits.

Dem Vogelgrippe-Virus Fesseln anlegen

Britische Forscher haben ein genetisch modifiziertes Huhn entwickelt, das seine Artgenossen kaum noch mit der Vogelgrippe ansteckt.

Das hochansteckende H5N1-Virus befällt vor allem Hühner und Puten, kann jedoch auch dem Menschen gefährlich werden: Bei ihm löst es schwere Atemwegsinfektionen aus, die mitunter tödlich enden können. Für das Virus gilt seit 2006 die Pandemie-Warnstufe 3 („Beginn der Alarmphase“) der Weltgesundheitsorganisation WHO. Experten fürchten vor allem, dass das Virus mutieren könnte und seine Ansteckungsgefahr so erhöht würde.

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Um die Verbreitung des Virus zumindest in Geflügelbeständen zu verhindern, haben britische Forscher nun gentechnisch modifizierte (transgene) Hühner gezüchtet. Indem sie den Code für eine kleine RNA in das Erbgut der Hühner eingebracht haben, wollen sie das H5N1-Virus stoppen. Die genaue Vorgehensweise haben die Forscher im Fachmagazin Science(2011, Bd. 331, S. 223) veröffentlicht. Die Tiere produzieren ein sogenanntes shRNA-Fragment (short hairpin RNA), welches fest an ein wichtiges Virusprotein bindet. Das gelingt, weil die RNA-Sequenz komplementär  zu einem für die Virusvermehrung wichtigen Enzym, der Influenza-A-Polymerase aufgebaut ist. Die Wissenschaftler von den Universitäten in Cambridge und Edinburgh konnten nachweisen, dass dieser RNA-Abschnitt wie eine Art „Lockvogel“ fungiert, der die Vogelgrippe-Viren fest an sich bindet.

Britische Forscher haben das Erbgut von Hühnern so modifiziert, dass sie kaum noch Artgenossen mit dem Vogelgrippevirus anstecken können.Lightbox-Link
Britische Forscher haben das Erbgut von Hühnern so modifiziert, dass sie kaum noch Artgenossen mit dem Vogelgrippevirus anstecken können.Quelle: Karin Jung / pixelio.de
Die Tiere sind dadurch zwar nicht vor einer Ansteckung gefeit, stecken aber immerhin kaum weitere Vögel an. In einem ersten Experiment wurden an der Vogelgrippe vom Typ H5N1 erkrankte Hühner mit gesunden Artgenossen zusammengebracht, um zu sehen, wie schnell sich die Krankheit ausbreitet. Die Ergebnisse bewerten die Forscher als „ermutigend“: Waren bei den transgenen Tieren nach elf Tagen nur 20 Prozent erkrankt, starben im gleichen Zeitraum 70% aller Wildtyp-Tiere. „Ganze Hühnerhöfe könnten damit vor einer Infektion mit Vogelgrippe geschützt werden“, sagte Helen Sang von der Universität Edinburgh. Ihr Kollege Laurence Tilley ergänzte, das Unterdrücken der Ansteckung würde „die ökonomischen Folgen der Erkrankung mindern und auch das Risiko für Menschen reduzieren.“

Von Arbeitspferden und Anstandsdamen: Das Chaperon BiP

Münchener Wissenschaftler haben genauer untersucht, wie das Chaperon namens BiP die richtige Faltung von Proteinen unterstützt.

Sieht man die Proteine als „Arbeitspferde“ der Zelle an , dann sind Chaperone so etwas wie die deren Anstandsdamen. Daher überwachen Chaperone bereits während des Zusammenbaus, dass Proteine in die richtige dreidimensionale Struktur gebracht werden, damit sie ihre Funktion auch wirklich erfüllen können. Fehlgefaltete Proteine werden mit vielen schweren Erkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer oder Chorea Huntigton in Verbindung gebracht. Don Lamb von der Ludwig-Maximilians-Universität München und sein Team haben nun eines dieser Proteine mit dem Namen BiP untersucht. Die Ergebnisse haben sie im Fachmagazin Nature Structural & Molecular Biology (Onlineveröffentlichung, 9. Januar 2011) vorgestellt.

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Förderbeispiel: Alzheimer - Molekularer Schneeballeffekt lässt Proteine verklumpen

Demnach besteht BiP aus zwei großen Bereichen, die sich gegenseitig in Struktur und Funktion beeinflussen. Einer der Bereiche fungiert dabei offenbar als eine Art molekularer Deckel. Sind andere Proteine an BiP gebunden, öffnet sich der Deckel. Bindet hingegen nur ein Proteinbruchstück, ein Peptid, bleibt der Deckel geschlossen. „Wir konnten eindeutig nachweisen, dass BiP den Unterschied zwischen einem kurzen Peptid und einem langen ungefalteten Protein erkennen kann, obwohl die Interaktion auf derselben Sequenz beruht“, sagte Don Lamb. „Das ist so interessant, weil Pharmaunternehmen häufig nur kurze Peptidketten anstatt großer Proteine testen.“ Die Wissenschaftler wollen die komplexe Wirkung zwischen Chaperon, Co-Chaperon und Substrat nun weiter erforschen.