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Blutdrucksenker helfen auch bei Multipler Sklerose

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Das Forscherteam untersuchte die Expression von TGF-beta und Angiotensin in verschiedenen Zellen, um den Zusammenhang zwischen beiden Molekülen zu erforschen. Quelle: DKFZ Heidelberg

27.07.2010  - 

Weltweit sind Forscher auf der Suche nach einer Therapie für Multiple Sklerose (MS). In den Labors geht es dabei vor allem darum, neue Medikamente zu entwickeln. Den umgekehrten Weg sind nun Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Universitätsklinik Heidelberg gegangen. Sie untersuchten millionenfach verschriebene Blutdrucksenker auf der Basis von Angiotensin und fanden heraus, dass der Wirkstoff auch Entzündungen bei MS-Patienten mildern kann. Über den bisher unbekannten Zusammenhang berichtet das Forscherteam im Journal of Clinical Investigation (Online-Veröffentlichung, 12. Juli 2010).



 

Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems in Gehirn und Rückenmark. Ihre Ursache ist noch nicht genau bekannt, die vielfältigen Symptome reichen von Sehstörungen über Gefühlsstörungen der Haut bis hin zu Nervenschmerzen oder Muskellähmungen. Die Krankheit verläuft in Schüben und führt schließlich zu einer zunehmenden Behinderung. 

Angiotensin wirkt an vielen Stellen im Körper

Auch wenn eine Heilung noch nicht möglich ist, lässt sich das Fortschreiten der Krankheit mittlerweile verlangsamen und die Symptome abschwächen. Mehrere Pharmaunternehmen haben in den vergangenen Jahren dazu neue Medikamente auf den Markt gebracht. Dass nicht immer aufwändige neue Arzneien entwickelt und zugelassen werden müssen, um Patienten zu helfen, haben nun Wissenschaftler aus Heidelberg und Stanford gezeigt. Das deutsch-amerikanische Team entdeckte, dass der weitverbreitete Blutdrucksenker Angiotensin in den Zellen des Gehirns mit einem bisher unbekannten Mechanismus dafür sorgt, dass Entzündungsherde zurückgehen. Federführend war Michael Platten, Leitender Oberarzt der Abteilung Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Leiter der Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe „Experimentelle Neuroimmunologie“ am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

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Angiotensin ist Medizinern als Molekül bekannt, das den Blutdruck hochtreibt. Medikamente, die Angiotensin-Rezeptoren blockieren – sogenannte AT1R-Blocker – werden deshalb millionenfach verschrieben, um den Blutdruck zu senken. Angiotensin-Rezeptoren kommen aber auch auf Zellen an zahlreichen anderen Stellen des Körpers vor, die mit dem Blutdruck gar nichts zu tun haben, zum Beispiel auf den T-Zellen des Immunsystems. Das sind Abwehrzellen im Blut, die an Autoimmunreaktionen und chronisch-entzündlichen Erkrankungen, wie etwa MS, beteiligt sind. Diese zentrale Position in der Zellkommunikation und die vermutete Verbindung zum Immunsystem führte Platten und seine Kollegen dazu, sich die Wirkungsweise von Angiotensin einmal genauer anzusehen.

Bei Mäusen bilden sich Lähmungen zurück

Bwi ihren Experimenten an Mäiusen konnten sie beobachteten, dass AT1R-Blocker äusen nicht nur den Blutdruck senken, sondern im Gehirn auch Entzündungen mildern und damit Lähmungserscheinungen rückgängig machen können. Wie das funktioniert, wiesen die Forscher in weiteren Versuchen nach. Demnach verursacht Angiotensin in den Gehirnzellen einen Anstieg des Transforming-Growth-Factor beta (TGF-beta). Dieser Signalweg zwischen Angiotensin und TGF-beta war bisher noch völlig unbekannt. TGF-beta ist ein zentraler Botenstoff, der je nach Umgebung, Konzentration und der Kombination mit anderen Botenstoffen Entzündungen hemmen oder fatalerweise auch fördern kann.

Letzteres ist im Gehirn von MS-Patienten der Fall. Ein Überangebot an TGF-beta  lässt Entzündungen voranschreiten. Über die Angiotensin-Signalkette lässt sich der TGF-beta-Pegel kontrollieren. „AT1R-Blocker verhindern im Gehirn dabei nur die durch Angiotensin ausgelösten TGF-beta-Spitzenkonzentrationen, die für die Entzündungsreaktion verantwortlich sind“, sagt Michael Platten. „Die TGF-beta-Basisspiegel im Rest des Körpers sind davon unbeeinflusst, so dass offensichtlich die normale Schutzfunktion erhalten bleibt“, erklärt Platten.

Der neu entdeckte Wirkmechanismus biete weitere Vorteile, so Platten. „Da AT1R-Blocker schon ein bekanntes Sicherheitsprofil haben, bietet es sich an, sie bald auch an MS-Patienten mit einem anderen Behandlungsziel zu testen“. Es sei natürlich weiterhin wichtig, in der Forschung nach zielgerichteten Medikamenten mit neuen molekularen Zielen zu suchen. „Wir zeigen mit unserer Arbeit aber, dass man auch herkömmliche Medikamente erfolgreich auf ihren Nutzen bei anderen Erkrankungen untersuchen kann.“ Auch der geringe Preis spreche für eine baldige Umsetzung des Therapieansatzes. In Zeiten knapper Kassen ein Argument, dass sich schwer ausschlagen lässt.

 

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