32 Bioreaktoren auf kleinstem Raum
31.05.2010 -
In den vergangenen Jahren hat die zunehmende Automatisierung die Möglichkeiten der Biotechnologie enorm erweitert. Mit standardisierten Assay- oder Mikrotiter-Platten können Tausende von molekularbiologischen Tests in kurzer Zeit durchgeführt werden. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Initiative KMU-innovativ hat Abbis, die Biotechniksparte des Automobilzulieferers Vulkan Technic, eine vollautomatisierte Assay-Platte entwickelt. In jeder einzelnen der 32 Vertiefungen, in der sich zum Beispiel Zellen zum Testen befinden, können nun die Umweltbedingungen individuell angepasst und beobachtet werden. Das könnte die Aufskalierung von biotechnologischen Produktionsprozessen vom Labor in die Großproduktion beschleunigen. Ein Prototyp des Bioreaktors im Chipformat soll noch 2010 vorgestellt werden.
Assay-Platten sind aus der modernen Biotechnologie nicht mehr wegzudenken. Besonders in der Diagnostik-Forschung sind sie essentiell. Wissenschaftler benutzen sie, um zum Beispiel in biologischen Proben bestimmte Eiweißmoleküle zu finden, neuartige Antibiotika zu identifizieren oder die Reaktion von verschiedenen Molekülen miteinander zu beobachten. Assay-Platten werden außerdem gebraucht, um systematisch die besten Umweltbedingungen für bestimmte Zellkulturen zu ermitteln. Dies ist auch ein wichtiger Parameter, um biotechnologische Produktionsverfahren so effizient und kostengünstig wie möglich zu gestalten. So müssen gerade in der Entwicklungsphase viele verschiedene Wachstumsbedingungen von Zellen gescreent werden, um die optimalsten Bedingungen zu finden. Dabei werden automatisierte Screeninung- und Prozessentwicklungswerkzeuge gebraucht.
KMU-innovativ |
Im Jahr 2007 erweiterte das BMBF die erfolgreichen Förderinitiativen BioChance und BioChancePlus. Unter dem Titel "KMU-innovativ" werden nun kleine und mittlere Unternehmen unterstützt, die besonders aufwendige Forschungen betreiben. Insgesamt 300 Millionen Euro stehen bis zum Jahr 2015 für zunächst fünf Technologiefelder zur Verfügung. Handreichung zur Förderinitiative: PDF Download |
Automobilbranche und Biotechnologie
Die Basis hierfür bilden Assay-Platten, die aus einer Anordnung vieler gleichförmigen Vertiefungen („Wells“) bestehen. In diese werden zum Beispiel Zellen zusammen mit den notwendigen Nährstoffen gefüllt und methodisch auf verschiedene Umwelteinflüsse getestet. Assay-Platten bieten den Vorteil, dass die zu untersuchenden Vorgänge auf kleinstem Volumen (0,1 bis 1 ml) stattfinden können. Das spart Zeit und Material. Der Umgang mit Assay-Platten birgt jedoch auch einen Nachteil. Wollen Forscher zum Beispiel den pH-Wert des Nährmediums ändern, müssen sie manuell Säuren oder Basen hinzutröpfeln, wobei immer wieder Fehler entstehen. Auch die Zufuhr von Nährstoffen und Zusatzstoffen ist eine aufwendige und bei Wissenschaftlern unbeliebte Aufgabe. Die Biotech-Sparte Abbis des inhabergeführten Automobilzulieferers Vulkan Technic aus Wiesbaum will in Koperation mit dem Aachener Biotech-Unternehmen m2p-labs Abhilfe schaffen - mit einer vollautomatisierten Assay-Platte Abhilfe schaffen.
Obwohl Vulkan in der Automobilbranche zuhause ist und hier zum Beispiel Roboter entwickelt, die Klebebänder auf Automobilteilen anbringen, ist das Unternehmen kein Novize in der Biotechnologie mehr. Im Jahr 2001 expandierte der Mittelständler erstmals außerhalb seines angestammten Feldes, weil ein Biotechnologie-Unternehmen Bedarf an Spezialanlagen anmeldete, die andere Firmen nicht so schnell liefern konnten. Mittlerweile trägt die Biotech-Sparte Abbis rund ein Drittel zum Firmenumsatz von derzeit acht Millionen Euro bei. 2009 wurde die Entwicklungsarbeit für ein neuartiges Gerät zur Krebsdiagnose aus einer Blutprobe mit dem Innovationspreis Medizintechnik gewürdigt, den Abbis sich mit zwei weiteren Unternehmen und dem Universitätsklinikum Eppendorf teilt.
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Kontinuierliche Beobachtung des Zellwachstums im Mini-Bioreaktor
Bei der Entwicklung der neuartigen Assay-Platte wird Abbis vom BMBF innerhalb der Initiative KMU-innovativ unterstützt. Die Initiative wurde 2007 gestartet, um kleine und mittlere Unternehmen bei aufwendigen Forschungsarbeiten unter die Arme zu greifen. Bis zum Jahr 2015 stehen hier 300 Millionen Euro zur Verfügung (mehr...). Abbis will mit dem Geld vor allem die Fertigstellung eines ersten Prototyoen vorantreiben, der 2010 fertiggestellt werden soll und Systemtechnik mit Biotechnologie auf minimalem Raum verbindet. Die Wells auf der Platte sind dabei mit hauchdünnen Schläuchen versehen, über die die Nährstoffversorgung und der ph-Wert gesteuert werden können. Das Besondere ist dabei nicht nur die vollautomatisierte Steuerung, sondern die Tatsache, dass das Gerät mit einem optischen Sensor verbunden ist. Der macht es möglich, kontinuierlich zu beobachten, wie stark die Zellen wachsen und wie viele der mit einem fluoreszierenden Marker versehenen Proteine sie gerade produzieren.
Zudem werden die Assay-Platten permanent durchgeschüttelt und gewährleisten somit einen verbesserten Gasaustausch der Zellen mit der Umgebung. "Die Idee war, das Wachstum in den einzelnen Wells individuell zu kontrollieren. Damit wird praktisch jedes Well zum Bioreaktor“, erläutert Berit Cleven, Projektleiter bei Abbis. Ungewöhnlich ist auch die Form der einzelnen Wells: Sie sind nicht rund, sondern blütenförmig. "Damit wird eine bessere Sauerstoffsättigung der einzelnen Wells erreicht", so Cleven. Die Auswahl erfolgte durch einen Test von m2p-labs. Über 30 verschiedene Formen hat die Firma in Bezug auf Massen- und Stofftransport getestet, wobei sich die Blütenform durchgesetzt habe. Die Blütenform agiert dabei ähnlich wie sogenannte „Baffles“, kleine Platten, die im Bioreaktor zum Einsatz kommen und die Mixeigenschaften und somit den Stofftransport begünstigen, indem sie der Entstehung von Tromben (toten Mischpunkten) entgegenwirken.
Derzeit wird ein Demonstrationsgerät bei m2p-labs getestet. Das automatisierte, hochdurchsatzfähige Mikrofermentationssystem soll es künftig ermöglichen, schneller die richtigen Umweltbedingungen für Zellkulturen zu bestimmen - und damit die Prozessentwicklung in der Biotechforschung sowie der Pharma- und Chemieindustrie zu vereinfachen.