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Bioökonomie in Frankreich

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Die Land- und Ernährungswirtschaft zählen zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen Frankreichs. Inwzsichen gibt es starke Aktivitäten im Bereich grüne Chemie und Bioraffinerie. Gefördert durch eine auf Wirtschaft orientierte Innovationspolitik und attraktive Steuerpolitik gibt es einen wachsenden innovativen Mittelstand. Eine Bioökonomie-Strategie gibt es nicht, aber zahlreiche Maßnahmen mit thematischem Bezug zur Bioökonomie.

Unternehmenslandschaft

Die Land- und Ernährungswirtschaft sowie die chemisch-pharmazeutische Industrie zählen in Frankreich mit zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen. Den größten Anteil an der industriellen Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes hatte 2014 in Frankreich die chemische Industrie einschließlich der Pharmazeutik mit 22,6%. Der Umsatz der chemischen Industrie lag bei rund 82 Mrd. Euro, das Umsatzvolumen mit Pharmazeutika betrug 53 Mrd. Euro. Fast ebenso großes Gewicht nahm mit 19,9% die Nahrungsmittelindustrie ein, die allerdings 158 Mrd. Euro Umsatz erzielt.

Großkonzerne mit Bioökonomie-Aktivitäten

In beiden Sektoren gibt es eine Reihe von Großunternehmen, die mit spezifischen Bioökonomie-Aktivitäten hervortreten. Dazu gehört der Erdöl- und Petrochemiekonzern Total, der in seiner Rohöl-Raffinerie in La Mède nahe Marseille künftig 500.000 t Biodiesel pro Jahr herstellen will. Durch den Umbau einiger Produktionseinheiten können nun Pflanzenöle als Rohstoffe eingesetzt werden. Axens, das Tochterunternehmen der französischen Forschungseinrichtung IFP Energies Nouvelles, steuert die Technologie bei. So wird La Mède künftig die größte französische Bioraffinerie sein. Insgesamt sollen 200 Mio. Euro in den Umbau fließen. Zusammen mit dem US-Biotechnologieunternehmen Amyris kommerzialisiert Total zudem biobasierte Flugzeugkraftstoffe. Bezogen auf die Herstellung von Bioethanol ist Frankreich 2011 noch vor Deutschland der Europaweit größte Hersteller gewesen.

Der Spezialchemie-Konzern Arkema bietet neben herkömmlichen petrochemischen Produkten auch solche auf Basis von Rhizinus- und anderen pflanzlichen Ölen an. Biobasierte Hochleistungswerkstoffe sind ein weiterer Innovationsschwerpunkt des Unternehmens. Der global führende Hersteller von Industriehefen, Lesaffre, engagiert sich aktiv mit seiner Geschäftseinheit Leaf Technologies, im Bereich der Biokraftstoffe und der Bio-Chemikalien. 2014 übernahmen die Franzosen bereits den Schweizer Biokraftstoff-Spezialisten Butalco, dessen Hefen an der Universität Frankfurt entwickelt wurden. Verschiedene kleine Unternehmen entwickeln Biostimulanzien für das Pflanzenwachstum, etwa gewonnen aus Algenextrakten. Noch liegt die Produktion bei schätzungsweise 5 bis 10 Mio. Euro, dürfte sich in den kommenden Jahren aber erhöhen.

Landwirtschaft und Lebensmittelsektor starke Säule

Zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnissen Frankreichs zählen Fisch, Milchprodukte, Rindfleisch, Weintrauben, Kartoffeln, Getreide und Zuckerrüben. Zu den führenden Akteuren der Ernährungswirtschaft zählen Lactalis und Danone (beide Milchprodukte), Moet Hennessy (Wein, Spirituosen) sowie Bigard (Fleischwaren). Noch weit vor Deutschland gilt Frankreich als größter Rindfleischproduzent Europas. Fleury Michon lancierte eine Produktserie, die garantiert ohne Verwendung gentechnisch veränderter Organismen und ohne den Einsatz von Antibiotika hergestellt wurde. Die Neigung der französischen Konsumenten, die Qualität der Nahrungsmittel und ihre Herkunft relativ stärker zu bewerten als den Preis, schaffen gute Voraussetzungen für die weitere erfolgreiche Entwicklung von Bioprodukten. Diese haben nach Angaben des Verbandes Agence Bio mittlerweile einen Anteil von 2,5% am gesamten Nahrungsmittelmarkt.

Der Agrarkonzern Group Limagrain zählt dagegen zu den international aktiven Saatgutherstellern. Das zusammen mit KWS aus Deutschland in den USA gegründete Joint Venture AgReliant zählt zu den führenden Saatgutfirmen für Mais in Nordamerika und hat einen starken Fokus auf molekulargestützte Pflanzenzüchtung. Zum Export landwirtschaftlicher Güter tragen zudem die zahlreichen französischen Pflanzenzüchter bei. Unterdessen entfaltet der Lebensmittelhersteller Bonduelle Aktivitäten in der urbanen Landwirtschaft. Zusammen mit Städtebauern, Ingenieur-Hochschulen (INSA, ISARA) und Unternehmen (Groupe Cesbron, Richel) geht es um mehrstöckige Gewächshäuser für die Stadt.

Mikroalgen als Rohstoff
Der weltweit führende französische Stärkehersteller Roquette Frères setzt für die Zukunft auf Grüne Chemie und Mikroalgen als neue Rohstoffquelle. So gehört dem Unternehmen in Deutschland eine der größten Mikroalgen-Produktionsanlagen Europas, sie ist im brandenburgischen Klötze angesiedelt. In seiner Anlage im französischen Lestrem werden aus Algen Inhaltsstoffe für Nahrungsmittel gewonnen. Zusammen mit der niederländischen DSM gründete Roquette zudem im Jahr 2012 das Joint Venture Reverdia, um biobasierte Bernsteinsäure kommerziell zu produzieren. Ebenfalls in Frankreich bekannt: Tereos Syral, ein in Europa ebenfalls bedeutender Hersteller von Stärke, Derivaten und Proteinen sowie Bio-Alkohol.

Börsennotierte Biotech-Firmen
Darüber hinaus gibt es in der französischen Biotech-Branche mehrere Firmen, die Aktivitäten in der Bioökonomie vorweisen können: Dies betrifft industrielle Anwendungen, Biomasseproduktion und Pflanzenzucht. Einige Biotechnologie-Firmen in der Pflanzenzüchtung sowie der industriellen Biotechnologie sind zudem in den letzten Jahren an die Börse gegangen, was unter anderem durch die positiven Rahmenbedingungen für Investoren befördert wurde:

  • Plant Advanced Technologies, die auf Naturstoffe aus Pflanzen setzen
  • Amoéba, die Mikroben zur Wasseraufbereitung nutzen
  • Fermentalg, die Biodiesel der dritten Generation herstellen
  • Deinove, die Biochemikalien mit Hilfe von Bakterien produzieren und
  • Global Bioenergies, die biobasiertes Isobuten herstellen und eine industrielle Pilotanlage in Leuna errichtet haben, die das BMBF im Rahmen der Förderung des BioEconomy Spitzenclusters mit 5,7 Millionen Euro unterstützt.

Insgesamt hat sich der Börsenstandort Paris mit der Euronext im europäischen Vergleich neben London zum wichtigsten Kapitalmarktplatz für Biotech-Firmen etabliert. Dies geht aus den jüngsten Analysen der BIOCOM AG zum europäischen Kapitalmarkt hervor. (www.biocom.de/en/analysis2015) Vor allem für innovative KMUs bietet die Euronext mit ihrer weniger regulierten Alternext ein gutes Umfeld auch für kleinere Börsengänge.

Biogas-Branche ist ausbaufähig
Vor dem Hintergrund des starken Agrarsektors mit rund einer halben Million landwirtschaftlicher Betriebe gibt es im Biogas-Bereich im Flächenstaat Frankreich erhebliche Ausbaupotenziale. Ende 2013 waren landesweit knapp 400 Biogasanlagen im Einsatz. Bis 2020 sollen es 1.000 werden, so die Pläne der Regierung. Das Potenzial des ganzen Spektrums an Quellen von Biomasse aus der Landwirtschaft zeigt eine Studie der dem französischen Landwirtschaftsministerium zugeordneten Agentur France AgriMer auf. Demnach soll Biomasse etwa die Hälfte des für 2020 anvisierten Anteils von 23% für die erneuerbaren Energien an der gesamten Energieversorgung Frankreichs ausmachen. Förderprogramme in diesem Sektor verwaltet die Umweltagentur ADEME.

Cluster als Bausteine der Bioökonomie
Die wirtschaftsstärksten Regionen Frankreichs sind der Großraum Paris und die Region Rhônes-Alpes um Lyon. Wettbewerbspole und übergeordnete Cluster, die durch die Regierung finanziell unterstützt und aufgebaut wurden, sind in diesen Regionen sowie verteilt im Land. Sie treiben die Entwicklung über öffentlich-private Kooperationen voran. Zentrale Bioökoniomie-relevante Themen dieser knapp 20 Zusammenschlüsse: Bioressourcen, Materialien, Energie, Fabrik der Zukunft im Bereich ökologischer Verfahren, pflanzenbasierte Chemie, Landwirtschaft, Produktion und Verwertung von Algenbiomasse, biologische Meeresressourcen, Nutzung von pflanzlichen Rohstoffen für die Kunststoffindustrie. (Eine Übersicht: hier klicken)

So geht es im Elastopôle-Netzwerk bei Paris um pflanzenbasierte Kunststoffe. Ein thematisches Stärkefeld im Cluster um Lyon ist ebenfalls die „grüne“ Chemie. In Toulouse ist das Cluster Chimie Verte beheimatet, Frankreich-weit haben sich Firmen der „grünen“ Chemie bereits unter dem Dach des Fachverbands Association Chimie du Végétal zusammengeschlossen. Auch der deutsche Chemiekonzern BASF ist Mitglied. Der Energie-Cluster Tenerrdis setzt unter anderem auf Biomasse. Der Pol IAR (Industries & Agro-Ressources) mit Sitz in Laon gilt dagegen als Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Rohstoffe, biobasierte Moleküle und Materialien sowie Bioenergien. Ihm zugeordnet ist das Cluster France Green Plastics, das wiederum drei Unternetzwerke vereint. Um die Methanisierung verschiedener Substrate kümmern sich die Akteure im Netzwerk BiogazVallée mit Sitz in Troyes. In der Region Champagne-Ardenne, Picardie, nutzt der Europol’Agro landwirtschaftliche Produkte für nichtlandwirtschaftliche Prozesse und bei dem in der Region Pays de la Loire angesiedelten Vegepolis-Netzwerk dreht sich alles um Pflanzen. Aber auch die industrielle Mikrobiologie wird gefördert, etwa im Rahmen von Toulouse White Biotech (TWB) einer mit 20 Mio. Euro geförderten Public Private Partnership im Raum Toulouse inklusive Demonstrationsanlage.

Demonstrationsanlagen als weiterer Bioökonomie-Baustein
Das Agrarkonsortium ARD (Agro-Industrie Recherches et Développements) aus der Region Champagne-Ardenne erschließt sich neue Absatzmärkte für landwirtschaftliche Nutzpflanzen und entwickelt und produziert biobasierte Moleküle. Hierfür stehen dem Unternehmen seine Bioraffinerie und Pilotanlagen in Bazancourt-Pomacle zur Verfügung, die auch von Dritten genutzt werden können. Der Reifenhersteller Michelin will dagegen in seiner Anlage biobasiertes Butadien produzieren, das als Grundstoff für die Reifenerstellung dient. Die Firmen Global Bioenergies und Arkema erproben die Umwandlung von erneuerbaren Rohstoffen in Methacrylsäure, einem wichtigen Ausgangsstoff für Acrylfarben.

Vielfältige Förderinstrumente
Die Forschung kleiner und mittelständischer Unternehmen wird vor allem über Finanzierungshilfen durch die französische Investitionsbank Bpifrance unterstützt, in der das vormals hierfür zuständige Staatsunternehmen OSEO aufgegangen ist. Beispielsweise wurden im vom Stärkehersteller Roquette angeführten Projekt BioHub (98 Mio. Euro Fördermittel für fünf Jahre) Pflanzen-basierte chemische Moleküle entwickelt und hergestellt. Das Pflanzenzuchtunternehmen Etablissements Soufflet erhielt 31 Millionen Euro für die Entwicklung von biobasierten Pflanzenschutzmitteln und Nahrungs- und Futtermittelergänzungen. Zudem nutzt die französische Regierung Steuergutschriften auf Forschungsausgaben (Crédit d’impôt recherche ) als ein Förderinstrument für die industrielle Forschung. Die Neugründung forschungsintensiver Start-ups wird durch die Anerkennung als "junges innovatives Unternehmen" (JEI) gefördert. Neben den nationalen Stellen besitzen auch viele Städte und Regionen eigene Investitionsförderstellen, die Unternehmen beraten und unterstützen - wie etwa die Agentur Paris Region Entreprises.

Breites Spektrum ausländischer Akteure
Auch deutsche Konzerne sind in Frankreich mit Standorten vertreten. Die Monheimer Bayer CropScience AG, einer der weltweit größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, steuert von Lyon aus seine Aktivitäten im Land. Der Chemiekonzern BASF aus Ludwigshafen war Teilnehmer im BioHub-Programm und ist ein Teil des Clusters um Toulouse. Weltec Biopower, ein deutscher Anlagenbauer aus Vechta, baut hingegen Biogasanlagen beim Nachbarn auf, deren Biomethan direkt in das Gasnetz eingespeist werden kann. Das kanadische Biotechnologie-Unternehmen BioAmber stellte unterdessen bis Ende 2014 in der Anlage von ARD Bernsteinsäure aus nachwachsenden Rohstoffen her. Aus Schweden kommt Tauros Energy. Zusammen mit der französischen CIMV wird eine Demo-Anlage für die Herstellung von Bioethanol der 2. Generation errichtet.

 

Hintergrund

Schwerpunkte: Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, Chemie, Bioenergie

Bioökonomie-relevante Initiativen:
Stratégie nationale de recherche (SNR, 2015)
Les usages non alimentaires de la biomasse (2012)
Programme d‘investissements d’avenir (PIA, 2010)

Öffentliche Forschungsförderung:
Agence Nationale de la Recherche, ANR

Gesetzeslage:
Steuerliche Förderung für F&E-Ausgaben
GV-Anbau verboten