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Bioökonomie in den Niederlanden

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Die Niederlande sind führend in der Verarbeitung von Lebensmitteln. Das kleine Land an der Nordsee zählt weltweit zu den größten Exporteuren landwirtschaftlicher Produkte. Bekannt sind insbesondere die Gewächshaustomaten. Stärke, Zucker und Milchsäure stellen wichtige weiterverarbeitete Produkte dar. International glänzen Gartencenter dagegen mit verschiedensten gartenbaulichen Produkten wie Zierpflanzen sowie Zier- und Landschaftsgehölzen aus niederländischer Produktion. Potenzial für ein biobasiertes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum bietet daneben auch die chemische Industrie, ein zweiter Pfeiler der Wirtschaft des Landes. Zahlreiche Unternehmen haben sich auf biobasierte Chemikalien und Biopolymere fokussiert. Daneben existieren Initiativen, um Biokraftstoffe und Bioraffinerien künftig im industriellen Maßstab zu produzieren. Im Netz einer weltweiten Bioökonomie sehen die Niederländer ihr Land als künftiges Kompetenzzentrum und Drehscheibe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe.

Unternehmenslandschaft

Für die niederländische Wirtschaft ist die Bioökonomie ein großes Thema. Die Schwerpunkte der Unternehmen lehnen sich hierbei stark an die 2010 von der niederländischen Regierung definierten neun Topsektoren (unter anderem Agrar- und Ernährungswirtschaft, Chemie, Energie, Lebenswissenschaften und Gartenbau) an. (siehe Kapitel Politische Grundlagen) So ist es das erklärte Ziel der Regierung, in diesen Bereichen bis zum Jahr 2020 zu den Top fünf Wissensgesellschaften der Welt zu zählen. Diese neun Bereiche sind für 40% der gesamten niederländischen Exporte verantwortlich und wuchsen im Zeitraum 2010 bis 2013 doppelt so dynamisch (+4,0%) wie die Gesamtwirtschaft (+1,9%). Die Wertschöpfung der neun Zweige lag 2013 bei 147 Mrd. Euro (25% des BIP). Den Wert der Produktion bezifferte das nationale Statistikamt CBS für die Agro- und Lebensmittelwirtschaft mit 76 Mrd. Euro, für die chemische Industrie mit 96 Mrd. Euro und für die Lebenswissenschaften mit 18 Mrd. Euro. Landwirtschaftliche Exportschlager sind Pflanzen, Käse und Bier, Hauptmärkte die benachbarten EU-Staaten. Insgesamt trägt der Agrarsektor ca. 10% zur nationalen Bruttowertschöpfung bei, wobei hiervon ein Drittel auf die Verarbeitung importierter Rohstoffe zurückgeht. 2010 existierten noch 73.000 landwirtschaftliche Betrieb – Tendenz weiter fallend. (Mehr Informationen: hier klicken)

Vorreiter bei der Biomethanol-Produktion

Zu den großen Unternehmen in der Bioökonomie zählen DSM, Cosun, Essent und Unilever – allesamt in den benannten Topsektoren tätig. Der in der Ernährungswirtschaft, der Chemie und den Lebenswissenschaften tätige ehemalige Bergbaukonzern DSM präsentiert sich heute als weltweit führend bei Nahrungsmittelergänzungsstoffen. Bei industriell genutzten Enzymen belegt das Unternehmen nach eigenen Angaben bezogen auf den weltweiten Marktanteil inzwischen den dritten Platz. Der Bereich „Bio-based Products & Services“ gilt ihm als einer von drei neuen, zukunftsträchtigen Geschäftsbereichen, der Lösungen für die Herstellung biobasierter Produkte wie Biosprit und -gas oder -chemikalien entwickelt. Die Produktion von Vitaminen oder Kunststoffen geschieht bereits mittels biotechnologischer Prozesse. Bereits Ende 2012 startete Reverdia, ein 2010 vereinbartes Joint Venture von DSM mit dem französischen Stärkehersteller Roquette Frères, mit der kommerziellen Produktion biobasierter Bernsteinsäure – allerdings am italienischen Standort Cassano Spinola. Im Bereich Agrar- und Ernährung aktiv und inzwischen mit einem Standbein in der Bioenergie entsprang die Royal Cosun-Gruppe der Landwirtschaft. Heute wird neben Lebensmitteln über das Tochterunternehmen Royal Nedalco auch Bioethanol verkauft. Daneben zählen Futtermittel- und Biogasproduzenten zu den Kunden. Der multinationale Ernährungskonzern FrieslandCampina erwirtschaftet einen Großteil seines Umsatzes mit Milchprodukten. Im Topsektor Energie angesiedelt ist der größte Energieproduzent des Landes Essent, seit 2009 eine Tochter der deutschen RWE. Er bietet seinen Kunden auf Reststoffen basierendes Gas als Energieträger und betreibt eines der europaweit größten Kraftwerke, das Biomasse zur Energieerzeugung einsetzt. Biomethanol Chemie Nederland B.V. (BioMCN) produziert und vertreibt als eines der weltweit ersten Unternehmen hochwertiges Biomethanol, einen Biokraftstoff der 2. Generation, aus kommerzieller Produktion. Beim niederländisch-britischen Konsumgüterkonzern Unilever steht seit 2010 Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. So strebt das Unternehmen danach, den ökologischen Fußabdruck seiner Produkte zu reduzieren und achtet hierbei beim Einkauf seiner Rohstoffe auf nachhaltige landwirtschaftliche Methoden, um weltweit knappe Ressourcen zu schützen. Ein biotechnologisch hergestelltes Eiweiß, das ursprünglich in arktischen Fischen identifizierte „Ice Structuring Protein“, setzt der Konzern in den USA seit mehreren Jahren seinem Speiseeis zu und wirbt mit einem Produkt, das weniger Fett und Zucker enthält.

Bioraffinerien auf dem Vormarsch

2011 erfolgte in Amsterdam die Gründung der ersten Börse, an der Holzpellets gehandelt werden. Bioraffinerien sind ein weiterer Baustein der Bioökonomie des Landes. Organisiert als Public Private Partnership (PPP) engagieren sich zahlreiche Firmen an deren Aufbau und Betrieb solcher Anlagen. So will Corbion, Spezialist für Nahrungsmittelzusatzstoffe und Feinchemikalien auf Basis nachwachsender Rohstoffe, aus Reststoffen der Papierindustrie Milchsäure herstellen. Der Verpackungshersteller Solidpack will Fasern aus Gras als Ausgangsstoff für seine Behältnisse nutzen, Cosun versucht die gesamte Zuckerrübe vollständig in Zucker, Futtermittel, Biochemikalien und -materialien sowie Energie umzusetzen. Eine der größten Anlagen zur Raffinierung von Glycerin aus pflanzlichen Rohstoffen betreibt dagegen die Dutch Glycerin Refinery B.V., die im Herbst 2014 aus der BioMCN als nun eigenständige Firma ausgegliedert wurde. Unterdessen führen im industrie-initiierten Dutch Biorefinery Cluster Firmen aus dem Nahrungs- und Papiersektor ihre Kompetenzen über Open innovation zusammen.

Neue Technologien in der Pflanzenzucht

Zudem profitiert die Bioökonomie der Niederlande von der Vielzahl der Biotechnologie-Unternehmen im Land. So listet der Branchenverband HollandBio insgesamt 321 biotechnologisch aktive Unternehmen in seiner Datenbank, von denen sich rund 50 der Bioökonomie verschrieben haben – die meisten von ihnen der Agrobiotechnologie oder dem Bereich Nahrungsmittel. So wurde die Biotech-Firma Avantium im Jahr 2000 aus dem niederländisch-britischen Ölkonzern Royal Dutch Shell heraus gegründet. Das auf biobasierte Chemikalien und Biokunststoffe spezialisierte Unternehmen produziert diese an seinem Standort in Geleen und hat mit Coca-Cola und Danone zwei bekannte Partner mit an Bord. Dyadic wiederum forscht an Enzymen. Die Biotech-Firma Ingrepro setzt auf Algen, die als Nahrungsmittelgrundstoff oder Biomasse genutzt werden. Zu den Spezialisten für die Zucht von Pflanzen zählen die Firmen De Jong Lilies, Enza Zaden und Keygene. Diese konzentrieren sich vielfach auf neue Züchtungstechnologien. Ansiedeln können sich neue Unternehmen beispielsweise auf dem Green Chemistry Campus des saudi-arabischen Petrochemiekonzerns Sabic, gelegen im Südwesten der Niederlande. Hier ziehen Sabic, die Stadt Bergen op Zoom, die Provinz Nord-Brabant und der regionale Wirtschaftsförderer NV Revin an einem Strang. Auf dem Campus ist auch eines der größten PPPs für die Bioökonomie des Landes angesiedelt: das Biorizon-Forschungszentrum. Es will biobasierte, chemische Entwicklungen voranbringen und Firmen als Partner gewinnen. Sollen nachhaltige Herstellungsverfahren entwickelt und vom Labor – in den Industriemaßstab überführt werden, steht Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen die 2012 eingeweihte Bioprocess Pilot Facility (BPF) in Delft offen. Hier engagieren sich die Konzerne DSM, der Weltmarktführer für die Herstellung von Milchsäure CSM, die Universität Delft und staatliche Ministerien sowie regionale und kommunale Akteure ebenfalls in einer Public Private Partnership. Das Netzwerk TopChemie Delta hilft Firmen mit einem Interesse an biobasierten Lösungen dagegen bei technischen und wirtschaftlichen Fragestellungen.

Auch ausländische Firmen sind in den Niederlanden präsent. Der schwedische Energieerzeuger Vattenfall setzt auf Biomasse und nutzt für sein Kraftwerk in Lelystad hauptsächlich Holz aus der Region. Der finnische Mineralölkonzern Neste Oil setzt auf Algen, Stroh und holzhaltige Biomasse, nutzt aber auch Palmöl für seinen Biosprit, was Umweltorganisationen heftig kritisieren. Außerdem verwendet er Abfälle aus der Nahrungsmittelproduktion als Rohstoff. In den Niederlanden betreibt das Unternehmen eine große Bioraffinerie zur Herstellung von Biodiesel. Die in Kanada beheimatete EcoSynthetix Inc. verfügt in den Niederlanden ebenfalls über einen Produktionsstandort und liefert Kunden biobasierte Ausgangsstoffe für die Papierherstellung.

Regierung nimmt Kurs auf "grünere Wirtschaft"

Für die Regierung zählen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die zu einer biobasierten Wirtschaft hinführen, zu den wichtigsten Zielen. So sollen in den Niederlanden entsprechende Verfahren künftig für eine „grünere“ Wirtschaft sorgen. Hierfür sucht die Regierung den Schulterschluss mit Unternehmen beispielsweise aus den Bereichen Chemie, Energie und Wasser sowie entsprechenden wissenschaftlichen Einrichtungen, damit künftig Bio-Materialien, -Chemikalien und -Kraftstoffe aus Biomasse hergestellt werden. Sechs der neun von der Regierung definierten Topsektoren, bündelten ihre Kräfte bereits über die 2012 veröffentlichte Initiative ‘Groene Groei, van biomassa naar business’, mit der der Umbau zu einer biobasierten Wirtschaft insbesondere von der Chemie-, Energie- und Agrolebensmittelindustrie vorangetrieben werden soll. Unter der Federführung des Sektors Chemie, deren Branchenverband VNCI für eine „Grüne Chemie“ bis zum Jahr 2030 eine Marke von 30% anstrebt, sorgt nun die Stiftung „Topconsortium voor Kennis & Innovatie BioBased Economy“ (TKI-BBE) für die Umsetzung. Ganz gezielt setzt der Staat die TKIs ein, um öffentlich-private Kooperationen zu stimulieren, auch im TKI Agri & Food. Inhaltliche und finanzielle Aspekte sind hierbei zwischen Regierung, Industrie und Forschungseinrichtungen vertraglich geregelt. Mehrere Initiativen stehen kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMUs) gezielt offen. Beispielsweise das SBIR-Programm, über das Forschungsgelder für präkompetitive Projekte zur Verfügung gestellt werden. Das MKB-innovatiestimulering Topsectoren (MIT)-Regelwerk ist ebenfalls auf KMUs zugeschnitten. Es soll Kooperationen untereinander fördern. Ansprechpartner für Firmen finden sich auch im „Rijksdienst voor Ondernemend Nederland“, einer Regierungsagentur mit Programmen zur finanziellen Unterstützung von Unternehmen. Auch die Provinzen haben die Bioökonomie für sich entdeckt. So richtet sich der Biobased Brabant Fund der Provinz Noord Brabant speziell an KMUs, die Machbarkeitsstudien durchführen wollen.

 

Hintergrund

Schwerpunkte: Landwirtschaft, Bioraffinerien, industrielle Biotechnologie, Bioenergie, biobasierte Kunststoffe, Gartenbau

Bioökonomie-Intitiativen:
Topkonsortium biobasierte Wirtschaft (TKI-BBE)
BioBased Economy

Bioprocess Pilot Facility (BPF)
Biorizon

Regionale biobasierte Cluster und Zentren:
Biobased Delta
Green Chemistry Campus
Biorefinery Cluster

öffentl. Forschungsförderung:
NWO
Technologiestichting STW
RVO

Gesetzeslage
Topsektor-Strategie im Jahr 2010
Grüne Wachstumsstrategie im Jahr 2012
Kein kommerzieller Anbau von gv-Pflanzen erlaubt

Internationale Kooperationen

www.internationale-kooperationen.de

Sie interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen im Ausland? Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt einen solchen Austausch. Mehr Informationen zu möglichen Förderprogrammen und länderspezifische Hintergründe finden Sie unter:

www.internationale-kooperationen.de


Downloads

The Bio-based Economy in the Netherlands

NL Agency, Ministry of Economic Affairs (2013) Download PDF (557,1 KB) PDF online ansehen