GABI: Ein tiefer Blick ins Gen-Bouquet der Pflanzen
Das 21. Jahrhundert steckt voller Herausforderungen. Um sie zu meistern, braucht der Mensch die Pflanzen dringender als jemals zuvor – ob nun als Rohstoffquelle für die Industrie, als Nahrungsmittel für die wachsende Weltbevölkerung oder als Speicher für Kohlendioxidemissionen, um den Klimawandel abzumildern. Die Ansprüche an die Landwirtschaft steigen, und das nicht zu Unrecht. Denn das grüne Potenzial, das in den Pflanzen schlummert, ist riesig. Aus dieser Erkenntnis heraus unterstützt das BMBF seit den Neunzigern die „Genomanalyse im biologischen System Pflanze“. „GABI“ ermöglicht Wissenschaftlern, Mais für die deutsche Kälte zu trainieren, die Kulturpflanze Gerste komplett zu entschlüsseln, Weizen beziehungsfähig zu machen und die allerbesten Kartoffeln für Pommes frites zu finden.
Was nützt der Blick ins Pflanzengenom?
Spätestens seit der amerikanische Gentechnik-Unternehmer Craig Venter im Jahr 2000 das Rennen um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms gewann, ist die Genomforschung auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Doch warum wird ein so großer Aufwand betrieben, den Bauplan von Pflanzen, Tieren und Menschen zu entschlüsseln? Ist erst einmal die Lage aller Gene eines Organismus bekannt, kann systematisch damit begonnen werden, ihre Funktion zu erforschen. In einem zweiten Schritt können dann erwünschte Fähigkeiten auf andere Pflanzen übertragen oder unerwünschte Eigenschaften „abgeschaltet“ werden.
Augustinermönch Gregor Mendel
Seit sie sesshaft wurden, haben Menschen versucht, Pflanzen genetisch zu verändern. Schon vor Jahrtausenden haben Bauern die Pflanzen mit den größten Früchten oder den meisten Samen ausgewählt, um damit schließlich neue Sorten zu züchten. Was beim Kreuzen und Rückkreuen auf genetischer Ebene passiert, blieb aber lange Zeit im Verborgenen. Dem Augustinermönch Gregor Mendel gelang es im 19. Jahrhundert, mit einer ersten Fassung der Vererbungslehre die Grundlagen der modernen Genetik zu legen.
Mittlerweile hat die Genomforschung nicht nur einzelne Gene, sondern komplette Gensätze ganzer Pflanzen entschlüsselt. Die Genomforschung bildet die Grundlage für einen Großteil der biotechnologischen Verfahren. Meilensteine der grünen Biotechnologie waren folgerichtig die vollständige Erbgut-Sequenzierung der Modellpflanze Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana im Jahr 2000 und die Entschlüsselung des Reisgenoms zwei Jahre darauf.
Smart breeding
Mit diesem Wissen ist die Züchtung neuer Sorten einfacher und effizienter geworden. Schon sehr früh im Züchtungsprozess können etwa durch den Einsatz von Genmarkern diejenigen Pflanzen zielgerichtet ausgewählt werden, die auf molekularer Ebene die gewünschten Merkmale aufweisen (Marker gestützte Selektion MAS). Damit müssen – im Vergleich zu überkommenen herkömmlichen Zuchtmethoden – nicht mehr so viele Versuchspflanzen angepflanzt und gezogen werden. Gleichzeitig ist eine tiefer gehende Analyse der komplexen Wechselwirkung mehrerer Gene und Eigenschaften möglich. Kaum ein Pflanzenzüchter, der auf dieses sogenannte „smart breeding“ noch verzichtet.
Neben der umfassenden Nutzung der Forschungsergebnisse in den Bereichen der Pflanzenzüchtung sowie der nachhaltigen und umweltschonenden landwirtschaftlichen Erzeugung von gesünderen Nahrungsmitteln mit verbesserten Qualitätsmerkmalen rücken neuartige Nahrungsmittel (funktionelle Lebensmittel, Nutriceuticals) sowie die Nutzung von Pflanzen als Bioreaktoren für die Produktion von Biomolekülen, insbesondere auch von medizinisch relevanten Wirkstoffen (z.B. Molecular Farming), in den Bereich möglicher interessanter Anwendungen.