GABI: Ein tiefer Blick ins Gen-Bouquet der Pflanzen

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Unter dem Dach des GABI-Förderschwerpunkts arbeiten öffentliche Forschungsinsitute und private Unternehmen zusammen an der Erforschung des pflanzlichen Erbguts. Quelle: Max-Planck-Institute für Entwicklungsbiologie

Das 21. Jahrhundert steckt voller Herausforderungen. Um sie zu meistern, braucht der Mensch die Pflanzen dringender als jemals zuvor – ob nun als Rohstoffquelle für die Industrie, als Nahrungsmittel für die wachsende Weltbevölkerung oder als Speicher für Kohlendioxidemissionen, um den Klimawandel abzumildern. Die Ansprüche an die Landwirtschaft steigen, und das nicht zu Unrecht. Denn das grüne Potenzial, das in den Pflanzen schlummert, ist riesig. Aus dieser Erkenntnis heraus unterstützt das BMBF seit den Neunzigern die „Genomanalyse im biologischen System Pflanze“. „GABI“ ermöglicht Wissenschaftlern, Mais für die deutsche Kälte zu trainieren, die Kulturpflanze Gerste komplett zu entschlüsseln, Weizen beziehungsfähig zu machen und die allerbesten Kartoffeln für Pommes frites zu finden.

GABI: Alle Gene einer Pflanze offenlegen

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„GABI“ ist ein Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. In knapp zehn Jahren hat sich die Initiative zu einem Grundpfeiler der Genomforschung in Deutschland entwickelt. Unter dem gemeinsamen Dach der BMBF-Förderung konnte sich eine intensive Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Forschung und den auf dem Gebiet der Genomforschung tätigen Unternehmen etablieren. Diese Firmen sind inzwischen im Wirtschaftsverbund Pflanzengenomforschung GABI e.V. (WPG) zusammengefasst. Zu GABI gehört des Weiteren auch eine Patent- und Lizenzagentur (PLA) mit der Aufgabe, die anfallenden Forschungsergebnisse wirtschaftlich zu verwerten und durch Lizenzrechte zu schützen.

Die erste Runde

Im Jahr 1999 rief das BMBF den Förderschwerpunkt GABI ins Leben. Bis 2007 wurden in zwei bis vierjährigen Förderphasen mehr als 160 Vorhaben an deutschen Forschungseinrichtungen, Hochschulen und auch Unternehmen finanziell unterstützt. Mehr als 70 Millionen Euro flossen in die Grundlagenforschung.
Die eingereichten Forschungsvorhaben gliederten sich dabei in fünf Themenfelder. Erstens ging es darum, die einzelnen Projekte miteinander zu vernetzen, so dass alle Teilnehmer auf eine gemeinsame Kommunikationsstruktur und auch gemeinsame Datenbanken zurückgreifen konnten.

Mit Kärtchen gekennzeichnete Ackerschmalwand-Pflanzen, wie sie in großer Zahl in vielen Forschungslaboren der Welt zu Testzwecken wachsen.Lightbox-Link
Mit Kärtchen gekennzeichnete Ackerschmalwand-Pflanzen, wie sie in großer Zahl in vielen Forschungslaboren der Welt zu Testzwecken wachsen.Quelle: Universität Bielefeld

Die meisten GABI-Projekte (mehr...) befassten sich aber erwartungsgemäß mit der Kartierung der Genome bestimmter Pflanzen. Besonders eingehend widmeten sich die Wissenschaftler dabei der Ackerschmalwand (Arabidopsis), der Gerste und der Zuckerrübe. Ein fünftes Themenfeld umfasste die genetische Zusammensetzung weiterer Kulturpflanzen. Die GABI-Projekte beschränkten sich aber nicht nur auf die deutsche Forschungslandschaft. Internationale Zusammenarbeit wurde gezielt gefördert. So entstanden länderübergreifenden Forschungskooperationen mit französischen, spanischen und kanadischen Partnern.

GABI-FUTURE

Im Jahr 2007 ist GABI als GABI-FUTURE „Lebensbasis Pflanze – von der Genomanalyse zur Produktinnovation“ fortgesetzt worden. Bis 2013 stehen damit 50 Millionen Euro für weitere Forschungen bereit. Ein besonderer Augenmerk liegt bei der neuen Runde auf dem enormen Potenzial der Pflanze als Rohstofflieferant und Biofabrik der Zukunft. Dabei sollen energieeffiziente und umweltgerechte biologische Verfahren herkömmliche Produktionsprozesse verschlanken und damit einen Beitrag zur Deckung des Energiebedarfs Deutschlands leisten.
Ausdrücklich willkommen sind auch jene Forschungseinrichtungen und Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die noch nicht Bestandteil des existierenden Kompetenznetzwerks sind, zum Beispiel Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie oder der Energiewirtschaft.

Was nützt der Blick ins Pflanzengenom?

Spätestens seit der amerikanische Gentechnik-Unternehmer Craig Venter im Jahr 2000 das Rennen um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms gewann, ist die Genomforschung auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Doch warum wird ein so großer Aufwand betrieben, den Bauplan von Pflanzen, Tieren und Menschen zu entschlüsseln? Ist erst einmal die Lage aller Gene eines Organismus bekannt, kann systematisch damit begonnen werden, ihre Funktion zu erforschen. In einem zweiten Schritt können dann erwünschte Fähigkeiten auf andere Pflanzen übertragen oder unerwünschte Eigenschaften „abgeschaltet“ werden.

Gregor Mendel kultivierte zwischen 1856 und 1863 schätzungsweise 28.000 Erbsenpflanzen. Seine Versuche bildeten die Grundlage  der Vererbungslehre. Lightbox-Link
Der Augustinermönch Gregor Mendel kultivierte zwischen 1856 und 1863 schätzungsweise 28.000 Erbsenpflanzen. Seine Versuche bildeten die Grundlage der Vererbungslehre. Quelle: National Library of Medicine

Augustinermönch Gregor Mendel

Seit sie sesshaft wurden, haben Menschen versucht, Pflanzen genetisch zu verändern. Schon vor Jahrtausenden haben Bauern die Pflanzen mit den größten Früchten oder den meisten Samen ausgewählt, um damit schließlich neue Sorten zu züchten. Was beim Kreuzen und Rückkreuen auf genetischer Ebene passiert, blieb aber lange Zeit im Verborgenen. Dem Augustinermönch Gregor Mendel gelang es im 19. Jahrhundert, mit einer ersten Fassung der Vererbungslehre die Grundlagen der modernen Genetik zu legen.

Mittlerweile hat die Genomforschung nicht nur einzelne Gene, sondern komplette Gensätze ganzer Pflanzen entschlüsselt. Die Genomforschung bildet die Grundlage für einen Großteil der biotechnologischen Verfahren. Meilensteine der grünen Biotechnologie waren folgerichtig die vollständige Erbgut-Sequenzierung der Modellpflanze Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana im Jahr 2000 und die Entschlüsselung des Reisgenoms zwei Jahre darauf.

Die Ackerschmalwand und ihr Genom sind in der Wissenschaft als Modell sehr beliebt. Zwei Keimlinge vor einem Ausschnitt aus einer Microarray-Analyse.Lightbox-Link
Die Ackerschmalwand und ihr Genom sind in der Wissenschaft als Modell sehr beliebt. Zwei Keimlinge vor einem Ausschnitt aus einer Microarray-Analyse.Quelle: MPI für Entwicklungsbiologie, Tübingen
Smart breeding

Mit diesem Wissen ist die Züchtung neuer Sorten einfacher und effizienter geworden. Schon sehr früh im Züchtungsprozess können etwa durch den Einsatz von Genmarkern diejenigen Pflanzen zielgerichtet ausgewählt werden, die auf molekularer Ebene die gewünschten Merkmale aufweisen (Marker gestützte Selektion MAS). Damit müssen – im Vergleich zu überkommenen herkömmlichen Zuchtmethoden – nicht mehr so viele Versuchspflanzen angepflanzt und gezogen werden. Gleichzeitig ist eine tiefer gehende Analyse der komplexen Wechselwirkung mehrerer Gene und Eigenschaften möglich. Kaum ein Pflanzenzüchter, der auf dieses sogenannte „smart breeding“ noch verzichtet.

Neben der umfassenden Nutzung der Forschungsergebnisse in den Bereichen der Pflanzenzüchtung sowie der nachhaltigen und umweltschonenden landwirtschaftlichen Erzeugung von gesünderen Nahrungsmitteln mit verbesserten Qualitätsmerkmalen rücken neuartige Nahrungsmittel (funktionelle Lebensmittel, Nutriceuticals) sowie die Nutzung von Pflanzen als Bioreaktoren für die Produktion von Biomolekülen, insbesondere auch von medizinisch relevanten Wirkstoffen (z.B. Molecular Farming), in den Bereich möglicher interessanter Anwendungen.

Der Mais, der mit der Kälte kann

Der Mais ist heute längst zu einer globalen Nutzpflanze geworden. Die Herkunft aus dem sonnigen Mexiko kann er aber auch nach Jahrhunderten der Züchtung nicht verleugnen. Vor allem in einem Punkt: Mais bevorzugt generell ein warmes bis gemäßigtes Klima, mit Kaltwetterperioden kommt er schlecht zurecht. Schon bei zwölf Grad gerät der Energiehaushalt aus dem Lot. In Nordeuropa sind derartige Temperaturen nach der Aussaat gar nicht selten, was regelmäßig zu Ernteausfällen führt. Sonnenverliebt wird der Mais immer bleiben, das bestreitet niemand. Doch lässt sich die Kältetoleranz erhöhen, wie in den Anden zu beobachten ist. Dort wachsen bestimmte Maissorten noch in mehr als 3000 Meter Höhe. Der Mais hat also prinzipiell die Fähigkeit, auch harschen Temperaturen zu trotzen.

Der Mais kommt ursprünglich aus Mexiko und schätzt die Sonne. GABI-COOL sucht nach Kälteschutz-Genen in hochalpinen Maissorten.Lightbox-Link
Der Mais kommt ursprünglich aus Mexiko und schätzt die Sonne. GABI-COOL sucht nach Kälteschutz-Genen in hochalpinen Maissorten.Quelle: Rainer Göttlinger

Per Genexpression zur Kältetoleranz

Das nahm ein Team von deutschen Forschern zum Anlass, um im Jahr 2004 das GABI-COOL-Programm ins Leben zu rufen. Wissenschaftler der Universitäten Hohenheim und Düsseldorf sowie des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie bei Potsdam nahmen zusammen mit der in Niedersachsen ansässigen KWS Saat AG die Herausforderung an, die Widerstandskräfte der hochalpinen Sorten auf ihre Flachland-Verwandten zu übertragen.

GenexpressionsmusterLightbox-Link
Solche Muster entstehen, wenn die Aktivität hunderter Gene gleichzeitig erfasst werden (als Zeilen). Die unterschiedlichen Farben kennzeichnen den jeweiligen Aktivitätsgrad.

Zunächst einmal ging es darum herauszufinden, von welchen Abschnitten im Genom der Umgang mit niedrigen Temperaturen eigentlich geregelt wird. Dabei war klar, dass eine derart vielschichtige Fähigkeit nicht auf ein einzelnes Gen zurückzuführen sein würde, sondern dass sich ein Netzwerk aus mehr oder weniger beteiligten Genregionen herauskristallisieren würde. Im Jahr 2007 legte die Mannschaft des GABI-COOL-Projekts erste Ergebnisse vor. Auf einer Karte des Maisgenoms konnten die Forscher sogenannte quantitative trait loci (TCL) für Kälteloleranz markieren, also jene Gen-Abschnitte, in denen besonders viele relevante Gene für diese Eigenschaft liegen. Das gelang, indem klassische Züchtungsmethoden mit molekularbiologischen Verfahren wie der Genexpressionsanalyse kombiniert wurden. Als Basis dienten zwei Maislinien, die ganz unterschiedlich mit Kälte umgehen. Zunächst wurden beide auf äußerlich sichtbare Unterscheide – also phänotypische Merkmale – untersucht.

Kreis der Verdächtigen

Die Ergebnisse wurden auf der anderen Seite mit molekularbiologischen Analysen verglichen, bei denen die Aktivitäten der Gene beider Maislinien bei kalten und warmen Witterungsverhältnissen beobachtet wurden. Durch den Vergleich phänotypischer und genotypischer Auffälligkeiten konnten die Forscher den Kreis der in Frage kommenden Genregionen einschränken. Übrig bleiben zwei offenbar besonders bedeutende Abschnitte, die nun eingehender untersucht werden.

Deutsche koordinieren globale Entschlüsselung der Gerste

Gerste (Hordeum vulgare) ist eine der ältesten und geografisch am weitesten verbreiteten Getreidearten, die vom Menschen bereits seit Jahrtausenden angebaut wird. Nicht zuletzt deshalb ist die Entschlüsselung des Gerstengenoms ein globales Anliegen. Im August 2007 haben sich Forscher aus der ganzen Welt zusammengeschlossen, um die gewaltige Aufgabe anzugehen. Zum ersten Mal übernimmt Deutschland mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben dabei die Führung bei der Sequenzierung eines Kulturpflanzengenoms.

Das komplette Genom der Gerste ist doppelt so groß wie das menschliche Erbgut. Die Entschlüsselung wird von einem weltweiten Verbund unter deutscher Führung geleistet.Lightbox-Link
Das komplette Genom der Gerste ist doppelt so groß wie das menschliche Erbgut. Die Entschlüsselung wird von einem weltweiten Verbund unter deutscher Führung geleistet.Quelle: Universität Halle-Wittenberg

Internationaler Verbund unter deutscher Führung

Beteiligt sind Wissenschaftler aus den USA, Australien und weiteren europäischen Partnern des Barley Genome Net. Aus deutscher Sicht sind neben den Forschern aus Sachsen-Anhalt auch Einrichtungen aus München, Jena und Quedlinburg am Vorhaben beteiligt. Das Verbundvorhaben GABI-BARLEX unterstützt das BMBF mit sechs Millionen Euro.

Die erste Nutzung der Gerste durch den Menschen liegt schon Jahrtausende zurück, bereits die alten Ägypter bauten diese Getreideart an. Heute ist die Gerste neben Weizen, Reis und Mais weltweit eine der wichtigsten Getreidearten, die auf allen Kontinenten angebaut wird. Sie wird in erster Linie als Viehfutter, aber auch zur Malzgewinnung bei der Bierherstellung genutzt. Beim Anbau wird zwischen Sommer- und Wintergerste unterschieden. Nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) gehört Deutschland mit rund 12 Millionen Tonnen pro Jahr zu den weltweit größten Gerste-Produzenten (mehr...).

Mühsame Rückkreuzung mit wilder Gerste

Lange Zeit beschränkte sich die Züchtung der Gerste auf die Auslese einiger weniger Hochleistungslinien. Viele wertvolle Eigenschaften, beispielsweise die Resistenz gegenüber Krankheitserregern oder widrigen Umweltbedingungen sind so verloren gegangen.

Das MPI für Züchtungsforschung in Köln untersucht, wie die Gerste eindringende Pilze und Bakterien abwehren kann. Dieses Video ist Teil der kostenlosen DVD "Biotechnologie mit Pflanzen", die über unseren Bestellservice angefordert werden kann.Quelle: Fraunhofer IAIS/BMBF

Durch die Kreuzung mit Wildpflanzen wird nun versucht, dies wieder auszugleichen. Allerdings gelangen dadurch auch wieder unerwünschte Eigenschaften in die Pflanze, die durch Rückkreuzung mühsam entfernt werden müssen. Tiefergehendes Wissen um die genetische Ausstattung der Gerste könnte langfristig genetische Marker hervorbringen, mit deren Hilfe sich die Züchtung wesentlich zielgerichteter vorantreiben ließe.

Die Sequenzierung des Gerstengenoms soll die Voraussetzungen dafür schaffen, um diese Getreideart noch intensiver und systematischer zu analysieren. Die Pflanzengenomforscher erhoffen sich langfristig wichtige Erkenntnisse, um beispielsweise agronomische Eigenschaften des Getreides wie Ertrag oder Resistenzen gegen Schädlinge zu verbessern. Die Arbeit ist komplex. Das Gerstengenom ist mit 5,4 Milliarden Basenpaaren fast doppelt so groß wie das menschliche Genom und zehnmal so groß wie das ebenfalls bereits entschlüsselte Reisgenom.

Biologisch abbaubare Kunststoffe

Darüber hinaus könnten die durch die Entschlüsselung des Genoms gewonnenen Ergebnisse die Basis dafür liefern, dass sich Gerstensorten züchten lassen, die an bestimmte Bedingungen wie Trockenheit oder salzige Böden angepasst sind. Potentiale sehen Wissenschaftler auch in der Nutzung der Gerste als industrieller Produzent biologisch abbaubarer Kunststoffe, die bisher nur unter Einsatz chemischer Verfahren gewonnen werden können.

Dem Weizen das Single-Dasein austreiben

Um Pflanzen mit neuen Eigenschaften zu erzeugen, nutzen Landwirte schon seit Jahrzehnten die Hybridzucht. Hierunter wird die Kreuzung von genetisch unterschiedlichen Pflanzenlinien verstanden – entweder der gleichen oder einen anderen Art. Dies führt in der Regel zum sogenannten Heterosis-Effekt, also verbesserten Eigenschaften wie optimiertem Wuchs, erhöhte Fruchtausbeute oder Stresstoleranz. Mit Hybridansätzen konnte der Ertrag bei Mais, Raps und Roggen bereits deutlich erhöht werden, allerdings gilt es stets, eine Selbstbefruchtung der Pflanzen zu verhindern.

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Der Weizen braucht nur sich selbst zum Bestäuben. Das Single-Dasein wollen GABI-Wissenschaftler ihm aber austreiben.Quelle: Echino/pixelio.de
Genetische Sterilisation des Weizens

Ein natürlicher Selbstbestäuber wie Weizen stellt die Züchter nun vor ein Problem: Hier erfolgt die Selbstbefruchtung schon vor Öffnung der Blüten. Eine Kastration auf mechanischem Wege, etwa durch die Entfernung der Fortpflanzungsorgane, fällt aus wirtschaftlichen Gründen aber aus. Um dem Weizen dennoch sein Single-Dasein abzugewöhnen, wurden stattdessen diverse chemische und genetische Ansätze der Sterilisation verfolgt, aber sie funktionieren entweder nur unzureichend oder beruhen auf dem Einsatz giftiger Reagenzien. Unter dem Dach des GABI-FUTURE-Projektes „HYBWHEAT“ setzten sich Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben nun gemeinsam mit der Nordsaat GmbH in Böhnshausen zum Ziel, die chemische Kastration des Weizens durch einen gentechnologischen Ansatz zu ersetzen.

Neue Pflanze weiterhin fruchtbar

Der Weg zu einem pollensterilen Weizen verläuft dabei in mehreren Schritten, bei dem die Pflanze am Ende zwei Fragmente eines Fremdgens aufweist, die durch eine molekularbiologische Kopplung zusammen für die Sterilität des Pollens sorgen. Dieses Vorgehen hat einen großen Vorteil: Wird eine derart veränderte Pflanze gekreuzt, erben die ertragreichen Nachkommen jeweils nur eines der beiden Genfragmente, also eine Art halbes Fremdgen. Damit bleiben die Nachkommen weiterhin fruchtbar. Das bedeutet, die Forscher schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Nachkommen sind fruchtbar und die Ausbreitung eines funktionsfähigen Fremdgens ist per se ausgeschlossen. Für dieses System ist nun ein Proof of concept im Labormaßstab in Vorbereitung.

Die Pommes-Gene der Kartoffel

Wie Kartoffelchips und Pommes frites schmecken – darüber entscheidet unter anderem der Zuckergehalt in den Knollen. Trauben- und Fruchtzucker reagieren beim Frittieren nämlich mit Aminosäuren und sorgen so in der so genannten

Maillard-Reaktion für die Bildung von schwarz-braunen Phenolen. Diese sehen nicht nur unappetitlich aus, sondern vermindern auch erheblich den Geschmack. Eine Kartoffelsorte ist demnach umso weniger für die Kartoffelchips- und Pommes-Produktion geeignet, je mehr Trauben- und Fruchtzucker sie in den Knollen enthält.

Welche Kartoffelsorte die besten Pommes ergibt, klären die GABI-CHIPS-Forscher mit einem Blick ins Genom.Lightbox-Link
Welche Kartoffelsorte die besten Pommes ergibt, klären die GABI-CHIPS-Forscher mit einem Blick ins Genom.Quelle: Paul-Georg Meister/pixelio.de
Kleinste Proben reichen für Pommes-Eignungstest

Dieser Effekt verstärkt sich noch zusätzlich, wenn Kartoffeln bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden, wie dies üblicherweise nach der Ernte geschieht. Daher spielt diese Eigenschaft schon bei der Züchtung neuer Sorten eine wichtige Rolle. Die klassischen Methoden haben jedoch einen Nachteil: Um eine neue Kartoffelvariante zuverlässig auf ihre „Chips-Eignung“ zu prüfen, müssen ausreichend Knollen zum Frittieren auf Probe vorhanden sein. Dieses Problem nahmen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln gemeinsam mit den Kartoffelzüchtern BNA, Bioplant (beide Europlant) und Norika zum Anlass, genetische Marker aufzuspüren, mit denen sich die Eignung von Kartoffeln schon im frühen Entwicklungsstadium mit kleinsten Pflanzenproben testen lässt.

243 Kartoffelsorten und zehn Genkandidaten

Im Laufe des Projekts GABI-CHIPS, das im Jahr 2006 abgeschlossen wurde und bei dem noch weitere zahlreiche wissenschaftliche Fragestellungen bei Kartoffeln untersucht worden sind, wurde eine Population von 243 Kartoffelsorten auf genetische Eigenschaften untersucht, die den Züchtern einen Hinweis auf die Eignung als Kartoffelchips geben können. Für zehn Kandidatengene konnte ein solcher Einfluss auf die Eignung schließlich nachgewiesen werden. Eines dieser Gene trägt beispielsweise den Bauplan für das Zucker spaltende Enzym Invertase. Pflanzen, die eine bestimmte Ausprägung dieses Gens in sich tragen, bilden mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger Zucker und haben demnach eine größere Chance, später als Kartoffelchip oder Pommes frites auf unseren Tellern zu landen.

Hintergrund

Aktuelle Informationen über Projekte, Wissenschaftler und Neuigkeiten bei GABI gibt es auf der Projekt-Homepage.
www.gabi.de

Gentechnisch veränderte Pflanzen in der Umwelt. Sind sie ein Risiko? Auf der vom BMBF eingerichteten Website biosicherheit.de gibt es Datenbank zu Projekten und Ergebnissen der Biologischen Sicherheitsforschung
www.biosicherheit.de

Die Plant Genome Database hat zum Ziel, einen Überblick über die derzeitige Entschlüsselung diverser Pflanzengenome zu bieten.
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