Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Biopolis: Entwicklungslabor für die Biotech-Produktion der Zukunft

Das Biopolis-Labor des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts IPA soll zur Inkubationszelle für die neuesten Fortschritte der Laborautomatisierung werden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Das Biopolis-Labor des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts IPA soll zur Inkubationszelle für die neuesten Fortschritte der Laborautomatisierung werden. Quelle: Fraunhofer IPA

10.02.2010  - 

In der Biotechnologie wird die Automatisierung immer wichtiger. Nur so können etwa Tausende von Substanzen gleichzeitig an Zellen getestet werden oder künstliche Hautmodelle zu wirtschaftlichen Preisen entstehen. Ein Teil dieser Zukunft entsteht in Stuttgart-Vaihingen. Am 9. Februar wurde dort am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) das Testlabor Biopolis eingeweiht worden, in dem Ingenieure zusammen mit Lebenswissenschaftlern an Geräten tüfteln, die den speziellen Anforderungen der biotechnologischen Forschung entsprechen.



 

"Die Technik ist bisher nicht existent oder nicht effizient genug", so Jan Stallkamp vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung bei der Biopolis-Eröffnung gegenüber der Stuttgarter Zeitung. In Stallkamps Abteilung im IPA in Stuttgart-Vaihingen ist Biopolis angesiedelt. Bei der interdisziplinären Zusammenarbeit, wie sie im Biopolis notwendig ist, können die Biologen von den Erfahrungen der Ingenieure profitieren. So wissen die Techniker, wie kleine Objekte am besten maschinell verarbeitet werden können oder wie Roboter mit winzigen Flüssigkeitsmengen, wie sie in der chemischen und pharmazeutischen Industrie gängig sind, zurecht kommen. Aber auch die Ingenieure müssen an dieser Schnittstelle zu den Lebenswissenschaften hinzulernen. Bakterien und Körperzellen verhielten sich nicht immer so, wie man es als Ingenieur gerne hätte, klagt Stallkamp. "Außerdem sind von der Klimatisierung bis zur Hygiene tausend Faktoren anders, als wir es gewohnt sind." So müssten die Getriebe der Roboter beispielsweise eingekapselt werden, damit der Abrieb die Zellkulturen nicht verseucht. Und das ständige Sterilisieren sei eine Herausforderung für die Konstruktion der Dichtungen. 

Roboter werden im Biotech-Labor der Zukunft viele lästige Aufgaben wie zum Beispiel die Vermehrung der Zellkulturen übernehmen. Lightbox-Link
Roboter werden im Biotech-Labor der Zukunft viele lästige Aufgaben wie zum Beispiel die Vermehrung der Zellkulturen übernehmen. Quelle: Fraunhofer IPA

Das erste Großprojekt des rund 700.000 Euro teuren Labors ist eine Fraunhofer-Eigenentwicklung: eine Gewebefabrik, die vollautomatisch dreidimensionales Hautgewebe konstruiert. Von der Struktur her ist die Haut relativ klar aufgebaut: Sie besteht aus mehreren Zellschichten, die wie Mauersteine übereinander gestapelt sind. Die zwei obersten Hautschichten, die Oberhaut (Epidermis) und die Lederhaut (Dermis), sind nicht mit Blutgefäßen versorgt. Weiter nach innen folgt die Unterhaut, ein gut durchblutetes Bindegewebe mit Fetteinlagerungen, Haarwurzeln und Schweißdrüsen.
Dank dieses vergleichweise einfachen Schichtenaufbaus der Haut ist die Züchtung von Gewebe im Labor in den vergangenen Jahren zum bisher erfolgreichsten Anwendungsgebiet des "Tissue Engineering" geworden. So war die Haut das erste lebende Gewebe, das aus menschlichen Zellen rekonstruiert werden konnte. Das geschah in der 1980er Jahren, damals ging es vor allem um ästhetische Korrekturen für einen Einsatz in der plastischen Chirurgie. Heute hat im Labor nachgebaute und nachgezüchtete Haut zwei bedeutende Anwendungsfelder: In der Medizin ist sie oft die letzte Rettung für Patienten mit schweren Verbrennungen oder chronischen Wunden. In der Kosmetik- und Pharmaindustrie wiederum werden die Hautpartien aus der Kulturschale dafür verwendet, neue Substanzen zu testen.

Die im vergangenen Jahr in Kraft getretene revidierte Fassung der EU-Chemikalienverordnung bringt es mit sich, dass Tausende alter und neuer Substanzen im Kontakt mit der Haut untersucht werden müssen. "Für das Hautgewebe gibt es daher einen großen Markt", sagt Andreas Traube bei der Eröffnung von Biopolis, bei der auch Ekkehard Warmuth, Leiter des Referats Biotechnologie im Bundesministerium für Bildung und Forschung, anwesend war.

Der gelernte Maschinenbauer Traube ist innerhalb des IPA für den Bereich der Bioproduktionstechnik zuständig. Auch andere Forschergruppen haben das Potenzial der Haut aus dem Reagenzglas entdeckt. So haben Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin mit Unterstützung des BMBF ein Hautmodell entwickelt, dass nicht mehr nur aus Zellen der Haut, sondern aus Zellen des Haares entsteht (mehr...).

Fraunhofer IPA

Im Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung arbeiten knapp 200 Wissenschaftler.

Zur Webseite des IPA: hier klicken

Der Prototyp der Gewebefabrik, der im Biopolis steht, wird mit Hautzellen gefüttert. Vollautomatisch sollen aus einer kleinen Hautprobe dreidimensionale und vollfunktionale Hautproben entstehen. In der endgültigen Form peilen die Ingenieure eine Leistung von 5000 Hautkonstrukten pro Monat an, bei einem Preis von rund 34 Euro pro Stück. Eingesetzt werden könnten diese aus Hautzellen künstlich hergestellten Hautproben etwa in der Pharmaindustrie. In einem Jahr schon soll das Gemeinschaftsprojekt von vier Fraunhofer-Instituten den Betrieb aufnehmen. Die Federführung liegt bei Heike Walles vom Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik (IGB), das gleich in der Stuttgarter Nachbarschaft liegt, beteiligt sind aber auch Forscher des IPA, des Instituts für Produktionstechnologie in Aachen und des Leipziger Instituts für Zelltherapie und Immunologie.

Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

News: Mit neuer Technik unbekannte Eiweiße finden

Menschen: Frank Bier - Labor im Zwergenmaßstab

News: Rasterfahndung nach den Krebsgenen

Anspruchsvoller als Haut sind andere Organe. Am IGB haben Johanna Elisabeth Schanz und Heike Walles etwa ein künstliches Lebersystem entwickelt, das ebenfalls als Testsystem dienen soll (mehr...). "Das Besondere an unserem Lebermodell ist ein funktionsfähiges System von Blutgefäßen", erläutert Schanz. "Damit schaffen wir den Zellen eine natürliche Umgebung." In einem eigens entwickelten, computergesteuerten Bioreaktor arbeiten die Zellen offenbar ähnlich wie im Körper. Sie entgiften, bauen Medikamente ab und Eiweiße auf. Wichtige Voraussetzungen für Medikamententests oder Transplantate. Denn beim Um- oder Abbau kann sich die Wirkung eines Stoffs verändern – manche Medikamente werden erst in der Leber in ihre therapeutisch aktive Form umgewandelt, bei anderen können giftige Stoffe entstehen. Die grundlegenden Möglichkeiten der Gewebemodelle – Leber, Haut, Darm oder Luftröhre – konnten die Forscherinnen mittlerweile nachweisen. Derzeit erfolgt die Prüfung des Testsystems. In zwei Jahren könnte es damit eine sichere Alternative zum Tierversuch geben.

Forscher um Heike Walles vom Fraunhofer IGB haben eine künstliche Leber im Labor entwickelt.Quelle: Fraunhofer Gesellschaft

Biopolis soll sich nicht nur auf die Entwicklung von Geräten für die Gewebeherstellung beschränken. In der Endphase der Entwicklung ist zum Beispiel ein Gerät, das Pipetten überflüssig machen soll. Winzige Löcher an der Unterseite von Gefäßen produzieren kleinste Tröpfchen, die mit einem wohldosierten Luftstoß abgeblasen und auf einem darunterliegenden Träger aufgefangen werden. Diese Tropfen können bloß einige Nanoliter ausmachen. Mit dieser Technologie sollen einmal Tausende Chemikalien etwa in der Pharmaindustrie gleichzeitig und automatisch getestet werden. Für die Stammzellbiologie interessant dürfte ein Gerät sein, das Zellkulturen mit Mausstammzellen selbständig überwacht und automatisch jene heraussortiert und weiterverarbeitet, bei denen das Einbringen von DNA funktioniert hat. Ein anderer Prototyp, der im Biopolis-Labor weiterentwickelt wird, nimmt Forschern den kompletten Passageprozess in der Zellkultur ab. Als Passage bezeichnet man die immer wieder notwendige Fleißarbeit, die wachsende Zellkultur auf neue Behälter mit Nährflüssigkeit zu verteilen.

Das Fraunhofer-Institut will im Biopolis-Labor aber nicht nur Eigenentwicklungen vorantreiben, sondern auch Geräteherstellern der Region den neuen Markt der biotechnologischen Labore erschließen. Außerdem bietet Biopolis maßgeschneiderte Anlagen für Forschungsinstitute, die ersten davon sind bereits ausgeliefert worden.

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit