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Mit neuer Technik unbekannte Eiweiße finden

Proteine können aufgrund ihrer komplexen Struktur mit vielen Stoffen interagieren. Mit welchen genau, können Braunschweiger Forscher jetzt mit dem Reaktom-array messen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Proteine können aufgrund ihrer komplexen Struktur mit vielen Stoffen interagieren. Mit welchen genau, können Braunschweiger Forscher jetzt mit dem Reaktom-array messen.

22.10.2009  - 

Wenn die Gene der Bauplan für das Leben sind, dann sind Eiweiße das Leben selbst. In tausendfachen Variationen sind die molekularen Arbeitstiere des Körpers und an allen Prozessen beteiligt. Ihre genaue Funktion zu klären ist aber schwierig. Forscher des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung haben nun zusammen mit Kollegen aus Großbritannien und Spanien einen Chip entwickelt, der nicht nur anzeigt, was die Hunderte von unterschiedlichen Eiweißen in der Zelle bewirken. Mit dem sogenannten Reaktom-Array können auch vorher gänzlich unbekannte Eiweiße aufgespürt werden, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt Science (Vol. 326. Nr. 5950, S. 252 - 257).


 

Eiweiße sind die molekularen Arbeitstiere des Körpers. Jede Körperzelle enthält Tausende von verschiedenen Eiweißen, die in Kombination mit anderen oder alleine bestimmte Stoffe in andere umwandeln und damit die verschiedensten Aufgaben erledigen. Auf der Erbinformation im Zellkern ist der Bauplan für jedes einzelne Eiweiß hinterlegt. Doch tatsächlich zu bestimmen, welche Funktion jedes einzelne Eiweiß erfüllt, ist knifflig und bleibt eine der größten Herausforderungen für Genom- und Proteinforscher.

Funktion der Eiweiße den Genen zuordnen

Bisher tasteten sich die Forscher an den Erkenntnissen entlang, die es schon gibt. Sie vergleichen die Form des Eiweißes und - falls bekannt - die von ihm verarbeiteten Stoffwechselprodukte mit schon bekannten Eiweißen, die in riesigen Datenbanken hinterlegt sind. Oft bedeutet ein ähnlicher Aufbau eine ähnliche Funktion. Doch diese Abgleich-Methode hat einen großen Nachteil: Ganz neue Eiweiße, die bisher noch nie aufgetaucht sind und deren Funktion unbekannt ist, lassen sich auf diese Weise nicht einordnen. So ist die Funktion vieler Eiweiße ungeklärt, ebenso wie ihre Verortung im Erbgut.

Die Eiweiße der Bakterien, die tief unter der Wasseroberfläche des östlichen Mittelmeers leben, ergeben ein charakteristisches Stoffwechselmuster, das aussieht wie ein Strichcode im Supermarkt.Lightbox-Link
Die Eiweiße der Bakterien, die tief unter der Wasseroberfläche des östlichen Mittelmeers leben, ergeben ein charakteristisches Stoffwechselmuster, das aussieht wie ein Strichcode im Supermarkt.Quelle: HZI

Mit einer neuen Technik ist es nun möglich, neue Eiweiße zu entdecken, ihre Rolle bei Stoffwechselprozessen zu entschlüsseln und auch den entsprechenden Genen im Erbgut zuzuordnen. Der Name der Technik: Reaktom-Array. Sie entstand in einer Zusammenarbeit der Bangor University in Großbritannien, dem Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und dem Institut für Biokatalyse im spanischen Madrid. Im Wissenschaftsmagazin Science berichten die beteiligten Forscher über ihre Entdeckung (Vol. 326. Nr. 5950, S. 252 - 257).

Mit dem Reaktom-Array haben Wissenschaftler erstmals die Möglichkeit, die Lücke zu überbrücken, die zwischen den stetig wachsenden Genom-Datenmengen und den dahinter verschlüsselten tatsächlichen Aktivitäten in der Zelle besteht. "Wir können zwar sehr leicht die Elemente beschreiben und katalogisieren, die die DNA-Sequenzen bilden - die Gene", sagt Peter Golyshin, Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe "Umweltmikrobiologie" am HZI und Professor für Umweltgenomik an der britischen Bangor University in Wales. "Um ihre Funktion zu klären, mussten Wissenschaftler sie aber in der Vergangenheit mit bestehenden Datenbanken vergleichen, bei denen die Funktion des Gens bereits bekannt war." Mit dem Reaktom-Array suchen die Wissenschaftler nicht länger über die Gene nach neuen Eiwießen, sondern sind nun in der Lage mit einem Chip auf einen Streich sämtliche Eiweiße einer Zellart oder Zellengemeinschaft zu erkennen. Und damit suchen sie nicht länger nur nach bereits bekannten Mustern, sondern können auch bisher unbekannte Eiweiße finden.

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Knapp 1700 Stoffwechselprodukte werden getestet

Für ihre Versuche stellten die Wissenschaftler zunächst eine Mischung aus allen Eiweißen her, die in einer Zelle oder einer Gemeinschaft von verschiedenen Zellen vorkommen. Diese Eiweiß-Melange tröpfeln sie dann auf den von ihnen entwickelten Chip: Der besteht aus einer Glasplatte, auf die in winzigen Häufchen tausende von Molekülen aufgedruckt sind: genau gesagt sind es 1676 Stoffe, die eine repräsentative Auswahl der zentralen Stoffwechselprodukte aus allen Organismen der Erde darstellen. Grundlage ist die sogenannte Kyoto-Datenbank der Gene und Genome. Der Chip arbeitet nun in zwei Stufen: Die Moleküle sind mit einem fluoreszierenden Farbstoff verbunden. Wenn ein Eiweiße aus dem Probenextrakt mit einem dieser Stoffe reagiert, verfärbt sich der Punkt. Das leisteten auch schon vorherige Chips, doch jetzt sind die Forscher näher an der Wirklichkeit dran als zuvor. "Im Gegensatz zu vielen bisher verwendeten Methoden zeigt dieser neuartige Chip, welche Stoffwechselreaktionen mikrobielle Gemeinschaften in ihrer Umgebung tatsächlich durchführen und wie sie diese letztlich beeinflussen", sagt Peter Golyshin. Bisher gab es oft Fehlalarme, weil die Eiweiße mit Stoffen auf dem Chip reagierten, mit denen sie in der natürlichen Umgebung nie zusammenkommen würden. Mehr über das tatsächliche Geschehen in der Zelle lernte man so nicht.

Doch der neue Chip zeigt nicht nur an, mit welchen Stoffwechselprodukten die aufgebrachten Eiweiße reagieren, sondern fängt sie auch ein. Das geschieht folgendermaßen: Die  Wissenschaftler haben im ersten Schritt einige Farbmeldungen bei Stoffwechselprodukten gehabt, die sie noch keinem Eiweiß aus der Bibliothek zuordnen können. Das heißt, hier hat ein unbekannter Kandidat reagiert. Um ihn dingfest zu machen, verwenden die Wissenschaftler nun im zweiten Schritt winzige Goldkügelchen, die sie mit den entsprechenden Stoffwechselprodukten bestücken. Auf sie bringen sie die Eiweiß-Mischung erneut auf. Die in Frage kommenden neuen Eiweiße reagieren wieder mit den Stoffen, doch diesmal lösen sie keinen Farbreflex aus und schwimmen dann weiter, sondern kleben an den Goldkügelchen fest, weil sie mit den darauf fixierten Stoffen reagieren. In einem Aufreinigungsverfahren werden die Kügelchen dann von den Eiweißen getrennt. Jetzt können die Forscher die neu entdeckten Eiweiße in Ruhe unter die Lupe nehmen.

Einsatzgebiete von Agrarwissenschaften bis Biobergbau

In Versuchen mit bisher nicht sequenzierten Bakterienpopulationen aus der Tiefsee, aus einem Vulkansee und mit Meerwasser mit hohem Kohlenwasserstoffanteil gelang es ihnen nicht nur, hunderte Eiweiße zu entdecken, deren Aufgabe im Zellstoffwechsel sie bisher nicht kannten, sondern diese Neuzugänge über die mit ihnen reagierenden Stoffwechselprodukte auch den entsprechenden Genen zuordnen.

"Der Reaktom-Array ist ein bahnbrechendes Forschungswerkzeug und für alle Zelltypen anwendbar", sagt Kenneth Timmis, Leiter der Arbeitsgruppe Umweltmikrobiologie am HZI. "Und da er den Stoffwechsel von Zellen, Gewebe oder Organen zum Zeitpunkt der Probenahme darstellt und auch genaue Vergleiche möglich macht, können wir damit den Gesundheitszustand solcher Zellen beurteilen." Die Reaktom-Array Technologie könnte in Zukunft in der Grundlagenforschung bis hin zur Wirkstoffentwicklung für die Medizin angewandt werden, glauben die HZI-Wissenschaftler. Auch die Agrarwissenschaften, die Lebensmittelherstellung, die Landwirtschaft, die Materialwissenschaft und sogar der Biobergbau könnten einmal von dieser Technologie profitieren, wenn es um die Entdeckung neuer Eiweiße und ihrer Funktion geht.

 

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