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Henning Walczak: Das Selbstmordprogramm der Zelle im Visier

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Henning Walczak, Biologe am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Quelle: privat

09.02.2006  - 

Es kommt nicht oft vor, dass jemand in einem Fach Experte wird, das er in der Schule abgewählt hat. Henning Walczak, Biologe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, ist aber auch sonst kein typischer Wissenschaftler. Anders als viele anderen Kollegen kennt er die Forschung auch aus der Unternehmerperspektive – und weiß daher ziemlich genau, was Berg- und Talfahrten sind.

Henning Walczak war sich bereits sehr früh klar darüber, was er wollte und was nicht. „Biologie fand ich schon immer total spannend, aber auf das Zeichnen von Zwiebelzellen hatte ich keine Lust“, erzählt er. Deshalb wählte Walczak Biologie in der Schule ab – und nach dem Abitur trotzdem als Studienfach. Bevor das naturwissenschaftliche Studium in Bielefeld losging, verbrachte er jedoch noch ein halbes Jahr in Madrid, um Spanisch zu lernen. Erst danach stürzte sich Walczak mit Leidenschaft ins Biologie-Studium. Von der Biomedizin war der gebürtige Bremer, der in Uerdingen am Niederrhein aufgewachsen ist, dabei stets am meisten fasziniert. Die Wahl der Diplomarbeit fiel deshalb auf das DKFZ in Heidelberg und spätestens ab diesem Zeitpunkt wusste der junge Forscher auch, in welche Richtung er es einmal zum Experten bringen will: Die Apoptose, das Selbstmordpogramm der Zelle, hatte ihn gefangen – vor allem, weil es auf diesem Gebiet noch viel zu entdecken gab. „Dieser Prozess ist für den menschlichen Organismus von enormer Bedeutung, aber damals war so gut wie nichts darüber bekannt“, erinnert er sich.

Apoptose als lebenswichtiger Vorgang

Das Wort Apoptose kommt aus dem Griechischen von „Apo“ für „weg“ und „ptosis“ für „Fall“ und beschreibt das Herabfallen der Blätter von den Bäumen im Herbst. Für den Menschen ist der Vorgang lebensnotwendig, schließlich muss der Körper stets fehlgesteuerte Zellen oder solche, die ihre Aufgabe erfüllt haben, entsorgen können. Nur so ist beispielsweise eine Embryonalentwicklung möglich. Um das Selbstmordprogramm zu starten, muss die Zelle aber bestimmte Signale über Rezeptoren empfangen, die die Informationen ans Innere weiterleiten: Erst dann wird die Erbsubstanz im Zellkern aktiv zerteilt und die Zelle verpackt sich selbst in viele kleine Einzelteilchen, die von den Fresszellen im Körper beseitigt werden – ohne an anderer Stelle Schaden anzurichten.

Todessignale gezielt stoppen oder auslösen

Forscher wie Walczak wollen nun herausfinden, was auf molekularer Ebene bei der Apoptose abläuft, und warum der Prozess in manchen Fällen zu selten oder zu oft stattfindet – es wird vermutet, dass dadurch die Entstehung von Krankheiten wie Krebs oder rheumatoide Arthritis begünstigt wird. Gemeinsam mit Peter Krammer vom DKFZ, einem der bekanntesten Apoptose-Forscher aus Deutschland, konnte Walczak schon viele Signalwege der Apoptose entdecken und zentrale Eiweißmoleküle entschlüsseln, an denen künftige Medikamente ansetzen könnten. „Wenn wir wissen, was wo passiert, können Wirkstoffe entwickelt werden, die das Selbstmordprogramm der Zelle gezielt stoppen oder auslösen“, erläutert Walczak. Das zumindest ist das Ziel der Forscher und auch Walczak kann sich auf diese Weise immer wieder motivieren: „Arzt wollte ich nie werden, weil ich den sterilen Geruch in Krankenhäusern nicht mag. Aber ich möchte Patienten mit Forschungsergebnissen auf meine Weise helfen.“

Vom Forscher zum Unternehmer

Der Drang, die eigene Forschung in die medizinische Praxis einzubringen, brachte Walczak schließlich auch dazu, selbst eine Biotech-Firma zu gründen. Mit einem Stipendium des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sammelte Walczak aber zunächst Erfahrung in den USA und lernte beim Biotech-Unternehmen Immunex Corp. als Postdoc, was es heißt, Grundlagenforschung mit angewandter Entwicklung zu verbinden. Wieder zurück in Deutschland war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Walczak selbst zum Zuge kam. Im Jahr 2000 gewann Walczak schließlich den BioFuture-Wettbewerb des BMBF – die auf fünf Jahre angelegte großzügige Finanzierung bereitete die Basis für eine eigene Arbeitsgruppe am DKFZ. Gemeinsam mit Krammer entschloss er sich damals, das Unternehmen Apogenix AG zu gründen. Das Ziel: Wirkstoffkandidaten entwickeln, die bei akuten Krankheiten wie Schlaganfall oder Herzinfarkt die Selbstmordsignale von Zellen blockieren können. Walczak hat dabei Eiweißmoleküle im Visier, lösliche Todesliganden namens CD95-Fc, die auf ähnliche Weise wie die bereits erfolgreichen TNF-Blocker entwickelt werden sollen.

Nach einjähriger Talfahrt Firma gerettet

Dass Walczak das Unternehmen nicht nur gründet, sondern zunächst auch selbst in den Vorstand geht, war für ihn selbstverständlich – nicht zuletzt dank der Erfahrung, die er bei Immunex machen konnte: „Gerade am Anfang ist es für eine Firma wichtig, dass sie jemanden an Bord hat, der die Untiefen in seinem Gebiet kennt.“ Wie tief eine Talfahrt aus Unternehmersicht gehen kann, hat der Heidelberger Wissenschaftler im vergangenen Jahr am eigenen Leib erfahren. Ein Jahr lang musste die Firma wegen Insolvenz pausieren. Der Neustart des Unternehmens gelang dank einer 15-Millionen-Euro-Investition des SAP-Gründers Dietmar Hopp. Die Apogenix GmbH wird jetzt von Dr. Thomas Höger und Dr. Harald Fricke geleitet, zwei Managern mit langjähriger Industrieerfahrung . „Die Zeiten der Doppelbelastung als Gruppenleiter am DKFZ und Vorstand bei Apogenix waren sehr anstrengend und sind vorbei“, gesteht Walczak. „Gemeinsam bringt das neue Management-Team der Apogenix alles mit, was für den zukünftigen Erfolg dieser Firma notwendig ist“ meint Walczak, der die Apogenix GmbH weiterhin als Berater unterstützt.

Kopf frei für die Forschung

Walczak will sich nun wieder ganz der Forschung widmen. Viele neue Projekte und Ideen haben sich in der letzten Zeit in seinem Kopf angesammelt und gemeinsam mit seinem Team am DKFZ hat er bereits erste Schritte zu deren Umsetzung begonnen. Inhaltlich geht es dabei zum einen darum, das Wirkungsspektrum eines potentiellen neuen Krebsmedikamentes zu erforschen. Zum anderen möchte Walczak verstehen, wie innerhalb der Zelle die Signalübertragungswege der Apoptose mit anderen Signalwegen verknüpft sind. Und er ist optimistisch: „Wer weiß, vielleicht entdecken wir dabei ja wieder etwas Neues, dass am Ende den Patienten zugute kommen kann."

 

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Forschungsgruppe Apoptoseregulation von Henning Walczak am DKFZ

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