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Marc Struhalla: Schnelle Suche nach Enzymen

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Hat c-LEcta in Leipzig gegründet: Marc Struhalla. Quelle: c-LEcta

04.06.2008  - 

Marc Struhalla und sein Forscherkollege Thomas Greiner-Stöffele waren in Zeitnot, damals vor fünf Jahren an der Universität Leipzig. „Acht Wochen lang haben wir mit der zu der Zeit gängigen Methode erfolglos nach bestimmten Enzymen gesucht“, erinnert sich Struhalla. Das war der Auslöser ihrer Erfindung. „Wir hatten einfach nicht die Bereitschaft, weitere drei Monate zu investieren. Deshalb haben wir bewusst nach einem alternativen Weg gesucht“, erzählt Struhalla. Den alternativen Weg haben sie gefunden: Eine gänzlich neue Methode zum Screenen von Enzymen. Darauf aufbauend gründeten die beiden Biochemiker die Firma c-LEcta, die heute 24 Menschen beschäftigt. Struhalla: „Das war damals eine einmalige Chance, die sich bietet. Die schlägt man nicht aus.“

Das Geschäft von Struhalla sind die Enzyme. Enzyme sind eine ganz besondere Stoffklasse von Eiweißen. Sie sind in der Lage, biochemische Reaktionen zu steuern und zu verbessern. Chemisch gesehen sind Enzyme Katalysatoren, also Stoffe, die eine Reaktion beschleunigen, ohne dass sie selbst verbraucht werden. Fast alle Stoffwechselprozesse in unserem Körper werden von Enzymen gesteuert. Auch in der Industrie sind Enzyme nicht mehr wegzudenken. So kommen sie beispielsweise bei der Käseherstellung und bei der Medikamenten-Produktion zum Einsatz.

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Das Geschäft von Struhalla sind Enzyme: Diese werden tiefgefroren aufbewahrt.Quelle: c-LEcta

Die Enzyme finden, die gerade gebraucht werden

In der Natur gibt es nahezu unendlich viele Enzyme, weil jedes Lebewesen einen anderen Stoffwechsel hat und deshalb einen unterschiedlichen Satz an diesen Katalysatoren besitzt. Und die Industrie benötigt immer neue Enzyme für immer neue Entwicklungen und immer bessere Produktionsverfahren. Das Problem ist nur, in der Natur genau das Enzym zu finden, das gerade gebraucht wird. Und hier kommt die Erfindung von Struhalla und Greiner-Stöffele ins Spiel. Sie haben eine Methode entwickelt, die es erlaubt, gleichzeitig in Millionen von Proben zu suchen, oder zu „screenen“, wie der Fachmann sagt. Und diese Methode ist so verblüffend einfach, dass man sich fragt, warum die Forschergenerationen vor den beiden Leipzigern nicht darauf gekommen sind.

„Die einfachsten Ideen sind immer die Besten“, sagt Struhalla. Bei der Suche nach neuen Enzymen hatten die Forscher immer darauf geachtet, genau zu wissen, welches Gen ihrem Enzym zugrunde liegt. Denn wie bei allen Eiweißen ist auch der Bauplan eines Enzyms auf einem Gen zu finden. Aus der Vielfalt der Natur trennten die Forscher also erst die Gene, so dass bei ihrer Suche in jedem Reaktionsgefäß ein Gen und sein dazu gehörendes Enzym war. Diese Herangehensweise hat den Vorteil, dass die Forscher, wenn sie wirklich die gesuchte Enzym-Aktivität gefunden haben, gleich auch das dazu gehörende Gen besitzen, und somit auch gleich über die Bauanleitung für das Enzym verfügen. Nachteil dieser Methode ist, dass erst sehr aufwändig die Gene isoliert werden müssen, und aus der unendlichen Vielfalt jedes Enzym einzeln untersucht werden muss.

Mühsehlige Kleinstarbeit mit neuer Methode überwunden

Der Forscher spricht bei dem Prinzip, jeweils nur ein Gen und seine dazu gehörende Enzym-Aktivität zu untersuchen, von der „Einheit von Phäno- und Genotyp“. Struhalla erinnert sich: „Das war eine Denkblockade, die alle Experten hatten.“ Während ihrer Doktorarbeit hatten Struhalla und Greiner-Stöffele schon 8000 Proben einzeln per Hand untersucht und dafür acht Wochen gebraucht – ohne Ergebnis. „Dann mussten wir uns etwas anderes ausdenken“, sagt Stuhalla heute. Ihre Idee: Zu Beginn der Suche einfach nicht die Gene zu isolieren, sondern in einem Reaktionsgefäß Tausende verschiedener Gene und ihre dazugehörenden Enzyme zu testen. „Das hat den großen Vorteil, dass man Enzyme, die nicht funktionieren, sehr schnell aussortieren kann“, erklärt Struhalla. Mit nur einem Reaktionsgefäß konnten die beiden Forscher auf einmal zehnmal mehr Enzyme testen, als sie in acht Wochen mühseliger Kleinarbeit untersucht hatten. Und an einem Tag ist es für einen Forscher ein Leichtes, mehrere hundert Reaktionsgefäße auf einmal zu bearbeiten. So können pro Tag mehrere Millionen Genvarianten untersucht werden.

Bei c-LEcta werden Enzyme für industrielle Anwendungen identifiziert und optimiert.Lightbox-Link
Bei c-LEcta werden Enzyme für industrielle Anwendungen identifiziert und optimiert.Quelle: c-LEcta

Wenn sie tatsächlich die gewünschte Enzym-Aktivität in einem Gefäß gefunden haben, dann müssen sie nur noch aus den Tausenden Genen das gewünschte Gen heraussuchen. Das erreichen die beiden Forscher, indem sie die Probe verdünnen und auf ganz viele Reaktionsgefäße aufteilen und dann wieder nach der Aktivität suchen. Sie brauchen nur drei bis vier Verdünnungsschritte, um in jedem Gefäß ein isoliertes Gen zu haben und somit das Gen zu finden, das den Bauplan des gewünschten Enzyms enthält.

Vom Forscher zum Firmengründer

Als diese Methode den beiden Jungforschern an der Leipziger Uni erstmalig gelingt, überlegten sie erst wie jeder Forscher, in welcher Fachzeitschrift sie ihr Verfahren veröffentlichen können. Doch dann kam der Gedanke auf, ein Patent anzumelden und wirtschaftlich zu verwerten. „Das war der Reiz der Selbstständigkeit, des eigenverantwortlichen Handelns“, erinnert sich Struhalla. „Wir sind mit der Idee einer Firmengründung ins Wochenende gegangen, und schon am Montag stand der Entschluss fest.“. Ein Jahr später, im September 2004 starten die beiden mit ihrer Firma „c-LEcta“, indem sie mit drei Angestellten die Räume im Gründerzentrum „Bio-City“ beziehen. „Das ging relativ schnell, aber eigentlich hatten wir gedacht, das könnte in drei Monaten klappen“, sagt Struhalla, der heute als Geschäftsführer für die wirtschaftliche Leitung der Firma verantwortlich ist, während Greiner-Stöffele für die wissenschaftliche Seite verantwortlich ist.

Doch schon in der kurzen vierjährigen Firmengeschichte gab es einiges Auf und Ab. Immer wieder war unklar, ob die Finanzierung reicht, ob der baldige Markteintritt geschafft werden kann. Positive Wendepunkte waren Geldspritzen von der Sächsischen Beteiligungsgesellschaft und vom Hightech-Gründerfonds, der 2005 durch das Bundeswirtschaftsministerium ins Leben gerufen wurde. C-LEcta war die erste Biotech-Firma, die von dieser neuen Seed-Finanzierungsmöglichkeit profitieren konnte (mehr...). Auch eine Förderung der Forschungsarbeiten durch das Programm BioChancePlus des Bundesforschungsministeriums half der jungen Firma in den ersten Jahren. „Der wichtigste Schritt für die Entwicklung der Firma war aber der Einstieg unseres ‚business angels’, denn wir hatten nicht so viel Industrie-Erfahrung“, bekennt Struhalla. Der Manager Klaus Warning kam in die Geschäftsführung und beteiligte sich mit eigenem Kapital an der Firma – die klassische Herangehensweise eines ‚business angels’.

Inzwischen steht die Firma gut da. C-LEcta hat viele Kunden aus der Industrie, denen sie maßgeschneiderte Enzyme entwickelt. Nur beim Namen nennen will Struhalla keinen Kunden – besonders die Lebensmittel-Industrie wird nicht gerne in die Nähe von Gentechnik gerückt.


Autor des Textes: Ragnar Vogt

 

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